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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Schichtwechsel bei den FARC-EP. Die Aufständischen verlassen die Lager – Rezension (vorab) zum Dokumentarlangfilm: „Insurgente“

Heidrun Zinecker | | Artikel drucken
Lesedauer: 14 Minuten

Maschinengewehrsalven. Wir, die Zuschauer, mittendrin. Die Kameraführung ist genauso unruhig wie das Geschehen. „Fuera!“ (raus hier) ist aus dem Lärm herauszuhören und auch „Coño!“ (Scheiße). Ein Gefecht, ohne Zweifel. Der Kameramann nimmt uns mit. Wir gehen ihm und jenen hinterher, die gerade „Scheiße“ gerufen und geschossen haben. Vor uns ein Dokumentarfilm, eine studentische Arbeit der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB). „Aufständisch“, so der Titel in der Übersetzung.

1_FARC_insurgents_wiki_CCNoch wissen wir nicht, wer diese Aufständischen sind. Und waren es tatsächlich sie, die da gerade geschossen haben? Nein, eine staatliche Armee ist es wirklich nicht, zusammengewürfelt die Uniformen, auch noch mit bunten T-Shirts. Und die Kämpfer tragen Gummistiefel. Zu Recht zoomt die Kamera auf sie. Soldaten wie paramilitares trügen gut geschnürte Lederschäfte. Auch Kochtöpfe und Bratpfannen, gar Plastikstühle, würden Soldaten nicht auf den Rücken nehmen.

Wer also sind diese Frauen und Männer, die schnellen Schritts durch die Landschaft laufen, ständig den Schweiß von der Stirn sich wischend?

Nach mehr als acht Minuten Film wird in ihm zum ersten MRezension_Insurgente_STILL_01al zusammenhängend gesprochen. Ein Guerrillero redet, ruhig und bestimmt: Sie seien gegen die Oligarchie und für das Volk. Deshalb bezeichneten sie sich auch als „Ejercito del Pueblo (EP)“ (Volksarmee). So aber nennt sich nur eine bewaffnete Gruppe – die FARC-EP in Kolumbien. Nun wissen wir es. Sie sind die älteste Guerilla Lateinamerikas.

Andere Zuschauer, die dieses Akronym nicht kennen, mögen es aber noch immer nicht wissen. Eine Erklärung im Untertitel an dieser Stelle wäre nicht schlecht. Aber haben die FARC nicht schon längst den Friedensvertrag unterzeichnet? 2016 war das doch schon? Und der Film ist in der Öffentlichkeit noch gar nicht erschienen! Jetzt schreiben wir 2021. Oder wurde hier eine der Splittergruppen gefilmt, die dem Friedensprozess nicht beigetreten waren?

Nein. Tonio Hecker hat die FARC-EP (laut Abspann drei ihrer Frentes) von dem Zeitpunkt an gefilmt, als deren letzter Friedensprozess seine endgültige Gestalt annahm. Eine Filmproduktion dauert eben so lange, wie sie dauert. Schon 2012 begonnen, gab ein einseitiger Waffenstillstand vonseiten der FARC-EP 2014 dem kolumbianischen Friedensprozess den entscheidenden Impuls, der dann im Juni 2016 in eine beidseitige und u2_Farc-logo_wiki_CCnbefristete Feuerpause mündete. Am Filmanfang aber wird noch geschossen. Erst zum 5. August 2016 wurde der im Rahmen der Verhandlungen erste Waffenstillstand unterzeichnet und am 26. September 2016 das Friedensabkommen in Havanna. Doch das entsprechende Referendum scheiterte. Daraufhin wurde das Abkommen noch einmal überarbeitet und, in der neuen Form, im November 2016 unterschrieben. Ein weiteres Referendum gab es nicht. Das Filmteam um Tonio Hecker begleitete diesen mehrmonatigen Prozess in diversen Lagern der FARC-EP, von wann bis wann genau, wird nicht ganz klar. Ohne jeder weiteren Einschätzung vorzugreifen – es handelt sich dabei um einen besonderen Moment der Zeitgeschichte. Ein solch‘ historisches Zeitdokument in dieser Ausführlichkeit geschaffen zu haben, das allein ist größte Anerkennung wert.

Der Film lebt von langsamer Kameraführung und hat überhaupt einen sehr langen Atem. In ihm kommentiert keiner aus dem „Off“, wir sind ganz allein in ihn „hineingeworfen“ und dürfen uns unsere eigenen Gedanken machen. Die deutschen Untertitel sind hilfreich, können aber nicht jedes gesprochene Wort berücksichtigen. All das hat auch Nachteile, mehr dazu später, aber eben auch den Vorteil, dass der Zuschauer „ungefiltert“ Teil der ganz alltäglichen Lagerprozesse wird, in denen Waffenmagazine zwar noch mit Munition gefüllt werden, aber eben nun nicht mehr abgeschossen.

Rezension_Insurgente_STILL_06In diesem Film sprechen alle leise. Manchmal wird auch gelacht. Lager werden auf- und abgebaut, es wird gekocht, gebadet und rasiert, den jungen Frauen auch einmal hinterhergepfiffen, und dann, ja dann gibt es natürlich auch diese politischen Schulungen. Deren Dozenten erscheinen in Zivil, sind von der Partei. Die Guerrilleros hören ihnen aufmerksam zu. Wenn die Reihe an ihnen ist, lesen sie lieber ab, oder sie sagen es auswendig auf, wie ein Gedicht. Manches klingt wie aus der Zeit gefallen. Die Guerrilleros wollen für die Armen sein. Nur für sie. Und die Armen, das sind die Proletarier. Sie allein. Wieso? Die Bauern besitzen ja etwas, sind also völlig anders. Das nun wundert nicht nur den mit marxistisch-leninistischer Bündnispolitik Vertrauten, sondern auch den FARC-Kenner, hatten die FARC doch einst als bäuerliche Selbstverteidigungstruppe begonnen und ihrem Gründungsdokument, ja Regierungsprogramm, dem Programa Agrario de Marquetalia von 1964, nie die Gültigkeit abgesprochen. Zur antiquiert-orthodoxen Form des Marxismus – der FARC, nicht des Filmemachers – prasselt der Regen auf das Zeltdach, mit all seiner tropischen Kraft.

Was jedoch das Ziel dieses über fünfzigjährigen Guerilla-Kampfes angeht, die militärische Machteroberung, sagt man den Kämpfern auf den Plastikstühlen jetzt das Gegenteil: Geht Rezension_Insurgente_STILL_04nach Hause, lasst das Militärische sein, wendet euch dem Politischen zu! Nach Hause? Um mit der Familie zu hungern, wo man doch hier, im Lager, versorgt ist? Immerhin 15 Jahre hat einer von ihnen seine „Alte“ nicht mehr gesehen! Nur wenige sprechen das aus, die meisten hören mit unbewegten Gesichtern zu. Diszipliniert sind sie, das muss man sagen, sehr diszipliniert, das einschlägige politische Vokabular kennen sie auch. Ja, tatsächlich, das ist eine politische Organisation und so gesehen keine kriminelle, keine terroristische! Trotzig singt einer von ihnen auf dem Boot zur Gitarre: „Ich bin ein Kind des Volkes, nicht Drogenhändler noch Bandit.“

Aber sie wollten doch die Macht erobern! Blutend in den Palacio de Nariño einziehen! 52 Jahre hatte die Truppe dafür gekämpft, und sie selbst haben davon 10, 20, 30 Jahre mitgemacht! Im Stockfinstern singen sie die Internationale. Die Melodie ist kaum zu erkennen. Bei den Jüngeren ist mehr Hoffnung im Spiel: Sie stellen sich schon einmal vor, wie es sein mag, den ersten Soldaten ihres Lebens außerhalb des Gefechts zu sehen, ja ihn Rezension_Insurgente_STILL_09nach einem gemeinsamen Foto zu fragen, vielleicht gar Fußball mit ihm zu spielen … Lachend machen sie und er es vor, wie sie diesen imaginären Soldaten umarmen würden (Bild).

Aber, so die Angst, hoffentlich ist der dann keiner von denen, die nicht mit dem Frieden einverstanden sind. Wie sollten sie sich denn dann verteidigen, wenn sie zuvor ihre Waffen haben abgeben müssen? Werde man sie da nicht töten können, zweifelt einer. Der Andere bleibt die Antwort schuldig.

Der Filmemacher lässt uns „draufschauen“: Er ist quasi einer von ihnen, ihr Vertrauter mittendrin. Aber er wahrt Distanz. Seine Helden schauen nicht einmal mehr in die Kamera, wenn sie an ihr vorbeigehen. Der „dahinter“ ist längst Teil ihres Alltags. Nichts Besonderes, würden die Guerrilleros sagen, mutig, sage ich und frage mich zugleich, wie viel Recherche und Kontaktsuche der Regisseur wohl vorab geleistet haben muss. Er verzichtet im Übrigen, um der Distanz willen, auf das allbekannte filmische Mittel, den Zuschauer mit ein, zwei, drei Protagonisten näher vertraut zu machen, damit sie mit ihnen mitfühlen können. Vollkommen im Ganzen aufzugehen und dennoch Distanz zu ermöglichen – das ist Kunst. Oder eben „teilnehmende Beobachtung“, würde der Anthropologe sagen.

Rezension_Insurgente_STILL_07Dem Regisseur, Tonio Hecker, gelingt diese Gratwanderung. Wie auch immer er zu dieser Guerilla steht – um als Filmemacher glaubwürdig zu bleiben, darf er sich nicht mit ihr „verbrüdern“. 1985 in Nicaragua geboren, ist er zum Teil in Mittelamerika aufgewachsen. Sein Vater war Arzt und Internationalist aufseiten der Guerilla in den Bürgerkriegen von Nicaragua und El Salvador. Dem Sohn merkt man das an: Nicht weil er sich als euphorischen Revolutionär inszenierte – er taucht im Bild gar nicht auf – sondern weil er in seiner Arbeit so selbstverständlich, so unaufgeregt „rüberkommt“.

„Das Essen ist schlecht im Lager“, kritisiert auf einmal eine „Zelle“. Aber dann ist da ja ein Rind, weiß und dürr. Doch man kann es schlachten. Man muss es schlachten. Prompt wird es an Kopf und Füßen zusammengebunden. Und dann, nach dem Stich in die Halsschlagader … stirbt es, elendig keuchend und unerträglich langsam, so langsam, dass einer der Guerrilleros besorgt fragt, wie es sich wohl anfühle zu sterben und warum sie denn den Bullen nicht besser mit einer Kugel töteten. Das gehe nicht, so der Andere, „dann bleibt das ganze Blut am Fleisch kleben ….“ Nein, die Kamera blendet das Grauen nicht ab, auch nicht zwischendurch, etwa zur Erholung des Zuschauers. Warum soll der Zuschauer nicht ertragen, was für einen Guerrillero (und jeden Schlachter) selbstverständlich ist? Zur gleichen Zeit, so die darauffolgende Sequenz, sind 62 Führungsmitglieder sozialer Bewegungen getötet worden. Menschen.

3_Friedensvertrag_FARC_Bild_gobierno_de-Chile_wiki_CCSchließlich ist der 24. November 2016. Nach einer Stunde und 35 Minuten zeigt der Film uns nun, wie der kolumbianische Fernsehsender Caracol die Bilder von der endgültigen Unterzeichnung des (zweiten, überarbeiteten) Friedensvertrages im Teatro Colón in Bogotá überträgt. Unterzeichner sind der höchste Kommandant der FARC-EP Rodrigo Londoño („Timoschenko“) und der Präsident Kolumbiens Juan Manuel Santos.

(Nur) Santos hat dafür den Friedensnobelpreis bekommen. Im Theater branden nach den Unterschriften Jubel und Hochrufe auf. Die Zuschauer auf den Plastikstühlen im FARC-Lager … sie jubeln nicht. Undurchdringlich ihre Gesichter, so sehr man sich auch in ihnen zu lesen bemüht. Eine bemerkenswerte Szene!

Dann, als ob nichts gewesen wäre, waschen die Guerrilleras Wäsche. Alles wie immer. Aber es wird tatsächlich bald anders: Neue Lager, näher am Dorf, die UNO kommt vorbei, die Guerrilleros werden gefragt, was sie studieren wollen und wie ihre Hemdgröße ist. Studieren sei sehr gut, meint kurz darauf ein Parteifunktionär gegenüber dem Auditorium voller Guerrilleros nun in Zivil. Deren neu gelieferten T-Shirts sind grässlich bunt und die Reintegration in‘s Zivilleben schon jetzt schwierig, schleppend. So viel Bürokratie! Ach, wie einfach war es doch in der Armee! Aber dann tanzen sie fröhlich, die Guerrilleros – so elegant-musikalisch, wie es nur Kolumbianer können. Später bringen Busse sie in ein anderes Lager. Ein FARC-Lied ertönt, noch mit jener Utopie, nach der im ganzen Land die Statuten der FARC gelten sollten!

Wie schon am Anfang des Filmes folgt dann der Kameramann erneut ganz dicht einem Guerrillero, der nun ohne Gewehr, nur mit einem Spaten auf dem Rücken. Wohin mag er gehen? Ewig lange, so scheint es, laufen wir ihm nach … wohin geht er nur … jetzt verschwindet er in der Selva … noch immer geht er … langsam werden wir müde, ihm nachzulaufen, doch die Kamera wendet sich noch immer nicht von ihm ab … jetzt, endlich, bleibt er stehen, aber was tut er da? … . Gräbt. In das Loch legt er behutsam sein FARC-Emblem hinein. Sorgfältig deckt er es mit Erde und Laub zu.

Hier hätte ich den Film beendet.

Regisseur_Tonio-Hecker_Bild_tonio_hecker1Doch weiter geht er …, nun ja, auch der Wiedereingliederungsprozess der Guerrilleros – ihre Waffenübergabe an die UNO wird in ihm nicht gezeigt – ist ja auch noch nicht abgeschlossen.

Erst 18 Minuten später wird die Dokumentation enden – mit einer Vorhersehung: Im demokratischen Zentralismus müsse man sich der Mehrheit fügen, so ein gut geschulter Ex-Guerrillero vor einer Baracke in der Dunkelheit. Aber wer ist diese denn jetzt?, fragt er sein Gegenüber. Die, die sich dem Friedensprozess unterworfen haben, oder die Splittergruppe, er nennt ihren Namen, die in den Bergen geblieben ist? Dann wird mein Bildschirm schlagartig schwarz. Nun sind die FARC wieder im Dunklen …

Rund vier Jahre nach dem letzten Drehtermin werden tatsächlich 23 Splittergruppen mit insgesamt 1.800 Kämpfern gezählt, die in den Bergen geblieben sind, unter Waffen. Die Vorhersehung des Guerrillero ist also wahr geworden, auch die von der Angst, danach, im Frieden, getötet zu werden: Zwischen November 2016 und Januar 2021 wurde 250 Ex-Guerrilleros ermordet. Keine Morde mehr, hatte doch „Timoschenko“ zur Friedensvertragsunterzeichnung gefordert! Wenn ein Vorurteil verifiziert wird, ist es wohl ein Urteil.

4_Logo_partido_FARC_wiki_CCDer Friedensvertrag hält, dennoch. Sogar etwas mehr als weniger. Die FARC-EP sind, wie es ein Guerrillero im Film auf den Punkt bringt, nicht besiegt worden. Aber sie haben eben auch nicht siegen können. Verträge sind immer Kompromisse und für niemanden ihrer Unterzeichner die beste Lösung. Das sage ich. Wie Hecker es sieht, weiß ich nicht. Aber für das Land Kolumbien hätte es (noch) schlechter kommen können. Doch niemand wird nun noch die ehemaligen FARC-Kämpfer nach ihren verlorenen Träumen fragen. Wohin werden sie diese jetzt „legen“?! Gewiss, nicht jeden Zuschauer mag das interessieren. Heute sind die FARC nicht mehr EP, sondern politische Partei (Bild).

Der Film ist ein Epos, ein wichtiges Zeitdokument ohnehin. Ich kenne kein anderes Beispiel, wo filmisch derart detailliert aus dem Innenleben der FARC-EP berichtet worden wäre. Einen psychisch extrem schwierigen und eindrucksvollen Moment des Weder-Nochs in einem Friedensprozess mit all den Unwägbarkeiten „dazwischen“ festgehalten zu haben, das ist sein größtes Verdienst. Man beachte, der Film ist ein studentisches Projekt! Was da noch alles kommen kann!

Mich hat er berührt, der Film, aber als Zuschauer braucht man für ihn einen unerhört langen Atem. Nicht nur, weil er fast drei Stunden dauert, auch weil in ihm, sieht man vom Beginn ab, nichts Dramatisches passiert. Kein Schuss, kein emotionaler „Überschwang“, nur das laute Zirpen der Selva, zuweilen in Konkurrenz mit leiser Musik, das Reden bindet sich ein und übertönt nicht. Vielleicht ist es ja auch so: Dokumentiert wird ein dramatischer historischer Moment – ganz ohne Dramatik. Oder, wie längst bekannt, ist, neben dem Raum, eine grundsätzliche Ressource von Guerillas die – sehr lange – Zeit. Carlos Medina Gallego hat sie einmal „agrarische Zeit“ genannt: Sie „(…) ist die Zeit des Samens, des Gießens und Düngens, des Wartens darauf, dass die Pflanze und ihre Frucht wächst. Die städtische Zeit ist die Zeit des Geldautomaten, des Plötzlichen, des Momentes, der Geschwindigkeit (…); auf dem Land vergeht die Zeit nicht; sie ist langsam, und manches kann Zeit in Anspruch nehmen, die für andere ewig dauern würde“ (Übersetzung a. d. Span. H.Z.)“. Genauso ist der Film. Und die FARC waren eine agrarische Guerilla!

Regisseur_Tonio-Hecker_Bild_tonio_hecker2Wer könnten in Deutschland seine Zuschauer sein? Insider, gewiss. Freunde von Cuba sí, das den Film mitfinanziert hat. Und sonst? Gibt es Zufallszuschauer, die in der üblichen Zeit für solcherart Filme im Fernsehen, viel zu oft erst gegen Mitternacht, einen genauso langen Atem haben werden wie ihn der Film hat? Er wäre etwas für Arte, vielleicht. Aber auch da fürchte ich, dass ihn nur wenige zu Ende schauen würden, nur die mit der vielen Zeit eben und dem großen Interesse am Thema. Wenn ich anregen dürfte: Ich würde ihn in‘s Fernsehen um die Hälfte gekürzt geben und die original-lange Version in Programm-Kinos aufführen lassen, und da unbedingt mit einer informierenden Einführung. In Kolumbien fände der Film sicher, auch in der langen Originalversion, mehr Zuschauer, zumindest unter den Friedensbewegten und Zeithistorikern. Die wären ihm sehr zu wünschen. Aber auch für Kolumbien wäre ich da nur vorsichtig optimistisch: Die Wut eines Großteils seiner Bevölkerung auf die FARC ist beileibe noch nicht verraucht. Und der Film nährt sie nicht.

Ich freue mich auf weitere Filme von Tonio Hecker (Bild), sehr gern auch darüber, was aus den FARC-Kämpfern, die er, uns einbeziehend, begleitet hat, im Frieden geworden ist: aus dem Guerrillero, der einen Splitter im Bein hatte, aus Emilio, der zum Appell immer zu spät kam, oder aus dem Kind, das im FARC-Lager ewig hat auf seinen Vater warten müssen und am Ende neugierig fragt, ob denn der „Schichtwechsel“, mit dem die Mama des Vaters Verspätung begründet, mit einer Pistole geschehe … Was würde man ihm heute antworten, dem Kind?

 

Insurgente

Regie: Tonio David Hecker. 180 Min.

Deutschland 2020

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Bildquellen: [1, 3, 8, 10] wiki_cc; [2, 4-7] Film-Stills; [9, 11] Tonio David Hecker

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