Sie patrouillieren durch die Dörfer und sorgen für Ordnung und Sicherheit. Sie führen Straßenkontrollen durch, durchsuchen die Autos nach Drogen und anderem Schmuggelgut. Drogenschmuggler und andere Kriminelle werden festgenommen und vor ein Gericht gestellt. Kurzum, sie nehmen hoheitliche Rechte des Staates wahr, erfüllen Aufgaben der Polizei. Allerdings sind sie keine Polizisten und staatliche Stellen haben sie zu ihrem Tun nicht beauftragt. Die Rede ist von Gemeindepolizisten, Selbstverteidigungsbrigaden, Bürgerwehren. Egal wie sie sich nennen, diese aus der Bevölkerung heraus gebildeten bewaffneten Einheiten werden in Mexiko immer zahlreicher. Der Grund dafür ist das Versagen des Staates bei der Bekämpfung von Kriminalität und Gewalt. Die mexikanische Polizei, so heißt es im Film, belegt in puncto Korrution Platz 1 in Lateinamerika. Die staatlichen Institutionen Mexikos sind mit der hohen Kriminalität nicht einfach überfordert, sie sind Teil des Problems. Der aktuelle Fall der verschwundenen und vermutlich ermordeten Studenten in Guerrero belegt das deutlich.
Vor allem in Guerrero, einem der ärmsten und rückständigsten Bundesstaaten Mexikos, haben deshalb die Bürgerpolizisten eine lange Tradition, dort wurden bereits vor gut zehn Jahren die ersten Einheiten einer Gemeindepolizei gebildet. Indigene Gemeinden versuchen, sich mit diesen Bürgerpolizisten zu schützen – vor Kriminalität sowie vor der Willkür des Staates und internationaler Konzerne. Und so findet man unter diesen Selbstschutzeinheiten Leute, die einfach mal zur Waffe greifen ebenso wie demokratisch organisierte und kontrollierte Gemeindepolizisten, die für zwei bis drei Jahre in diese Funktion gewählt und dafür ausgebildet werden.
Der Film von Michael Vetter und Leo Gabriel stellt die in der Gemeinde verwurzelten, demokratisch verwalteten Formen alternativer Polizei und Justiz dar. Die Filmemacher lassen Gemeindepolizisten, Angehörige der indigenen Justiz, Menschenrechtsaktivisten ebenso zu Wort kommen wie (inhaftierte) Kriminelle, Anwälte oder einen Militärberater. Und sie zeigen auch, dass – bei aller Sympathie für die indigene Polizei und Justiz in Guerrero – ihre Existenz nicht eindimensional gesehen werden darf.
Die indigenen Gemeinden argumentieren mit ihrer traditionell verwurzelten Rechtsauffassung. Sie berufen sich dabei auf das Gesetz 701 des Bundesstaates Guerrero, das die Rechte und Traditionen der indigenen Bevölkerung anerkennt, was auch ihre spezifischen Formen der Gemeinderegierungen und Justiz einschließt. Auf der anderen Seite pocht der Staat auf seine hoheitlichen Rechte und darauf, dass sich keine Gruppen neben staatlichen Institutionen bilden dürften, die diese Rechte an seiner Statt wahrnehmen. Deshalb gehen sowohl Polizei als auch Militär gegen Gemeindepolizisten vor.
Im Film finden beide Argumentationslinien Gehör, allerdings leider weitgehend unkommentiert. Wer sich mit den Ereignissen in Mexiko nicht gut auskennt, wird in diesem Film immer wieder allein gelassen. Etwa, wenn der Militärberater Javier Oliva das mexikanische Militär als besonders bürgernah beschreibt, was es angesichts der Korruption dazu legitimiere, polizeiliche Aufgaben zu übernehmen.
Und wenn der Bischof José Raúl Vega betont, man könne den Gemeinden diese Errungenschaft nicht mehr wegnehmen, dann wäre es schon interessant, genauer nachzufragen, welche Chancen und Grenzen mit den Bürgermilizen und der Gemeindejustiz in Guerrero verbunden sind.
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Mexiko – Justiz am Pranger. Gemeindepolizei und alternative Justiz im Hochland von Guerrero. Ein Film von Michael Ein Film von Michael Vetter und Leo Gabriel. Mexiko 2014.
Bildquelle: Snapshot