Dossier: Quo Vadis, ChaveZuela?

Editorial
Vor 59 Jahren, am 28. Juli 1954, wurde Hugo Rafael Chávez Frías im Dorf Sabaneta im Bundestaat Barinas geboren. Sein Tod am 5. März 2013 markiert für Venezuela, das er 14 Jahre als Präsident regiert hatte, einen tiefen Einschnitt. Als er 1999 sein hohes Amt antrat, schien Lateinamerika noch fest im Griff des Neoliberalismus zu sein. Chávez war der Erste in Lateinamerika, der kurz vor Ende des 20. Jahrhunderts den Reigen linker Regierungen mit anti-neoliberaler Agenda eröffnete. Ende 2001 erlebte Argentinien einen ungeahnten wirtschaftlichen Absturz, in dessen Gefolge der Linksperonist Nestór Kirchner 2003 an die Regierung kam und den neoliberalen Kurs der Menemära stoppte. Bereits 2002 war Luíz Ignacio da Siva (Lula) nach mehrfachem Anlauf zum Präsidenten Brasiliens gewählt worden. Uruguay (2004), Bolivien (2005), Ecuador (2006), Nicaragua (2006) und Paraguay (2008) vervollständigten die anti-neoliberale Wende Lateinamerikas mit der Wahl neuer Regierungen.
Das hier gezeichnete Bild wäre jedoch unvollständig, würde man nicht auf den zähen Widerstand neuer sozialer Bewegungen gegen den neoliberalen Kurs und seine Folgen hinweisen. Hier spielten die Aufstände und Rebellionen der indigenen Bevölkerung in Ecuador (ab 1990), Mexiko (Chiapas ab 1994) und Bolivien (ab 2000) eine bahnbrechende Rolle. Ohne die Erfolge der sozialen Bewegungen wäre die Linkswende nicht denkbar gewesen. Ungeachtet aller Spannungen, die im Verhältnis zwischen beiden „Polen“ der anti-neoliberalen Gegenbewegung zu konstatieren sind, bleibt ihre strategische Verschränkung die wichtigste Garantie gegen die zu erwartenden Versuche eines „roll backs“, für das die Putsche in Honduras (2009) und Paraguay (2012) warnende Beispiele liefern.
Wenn sich Hugo Chávez in der kontinentalen Linksbewegung als anerkannte Zentralfigur profilieren konnte, dann provoziert dies die Frage nach den Gründen seines kometenhaften politischen Aufstiegs. Zugleich wird das große Rätselraten um die Zukunft Venezuelas und Lateinamerikas verständlich, das nach seinem Tod eingesetzt hat. Die enorme Prägekraft des Wirkens von Hugo Chávez ist in Bezug auf Venezuela besonders augenfällig. Wie kein anderer nach dem Libertador und Nationalhelden Simón Bolívar hat er versucht, die Geschicke seines Landes in die Hand zu nehmen und in eine neue Richtung zu lenken. Mit dem „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ hat Chávez dieser historischen Suchbewegung eine zukunftsweisende Orientierung gegeben.
Die Redaktion des QUETZAL nimmt den 59. Geburtstag von Hugo Chávez zum Anlass, um dessen Wirken in zwei Richtungen auszuloten: Was hat er zu Lebzeiten bewirken können und wie stehen die Chancen für den Fortbestand seines Erbes. Wenn wir im Titel unseres Dossiers fragen „Quo vadis, ChaveZuela?“, dann soll damit vor allem auf die enge, symbiosenhafte Verbindung hingewiesen werden, die CháveZ und VeneZuela zu Beginn des 21. Jahrhunderts eingegangen sind und die den Ausgangspunkt für jede Auseinandersetzung um die Zukunft unmissverständlich markiert. Das Dossier enthält zum einen Beiträge, die anlässlich des Todes von Hugo Chávez verfasst worden waren (Axel Anlauf, Laura Carlsen, Peter Gärtner, Sven Schaller), zum anderen Artikel und Rezensionen, die einen historischen Bogen von Simón Bolívar (Beitrag von Javier Santos, Rezension zu Michael Zeuske) über den Paramilitarismus (Dario Azzellini) bis zu wichtigen Büchern der letzten Jahre zu Chávez und Venezuela schlagen (Literaturbericht von Peter Gärtner und Rezensionen von Helge Buttkereit). Neue Originalbeiträge stammen aus der Feder von Anayanci Chacón und Peter Gärtner.
Im folgenden sollen die Konturen, Widersprüche, Gegenkräfte und Überlebenschancen von ChaveZuela skizziert werden, die dann in den übrigen Beiträgen des Dossiers detaillierter dargestellt und vertieft werden. Der 60. Geburtstag von Hugo Chávez in einem Jahr wird uns Anlass sein, dieses Dossier auf den neusten Stand zu bringen. In der Zwischenzeit werden wir die Nutzer und Leser des QUETZAL natürlich weiterhin über die aktuellen Entwicklungen in Venezuela informieren.
Leipzig, 28. Juli 2013
Die Redaktion
Quo Vadis, ChaveZuela?
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Hugo Chávez – Sozialist des 21. Jahrhunderts?
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Bildquellen: [4],[5] Presidencia de la República del Ecuador, [7] Presidencia de la República de Chile, [6] Bernardo Londoy, [3] Biblioteca Virtual Miguel de Cervantes, [11] El Enigma, [1], [9] Ministerio del Poder Popular para la Comunicación y la Información Venezuela, [12] Public Domain, [14] Oriana Eliçabe, [2],[10],[15] Quetzal-Redaktion, [8] Caroline Benett /Rainforest Action Network, [13] University of Texas at Austin, [16],[17],[18],[19] Buchcover, Verwendung im Rahmen der Rezension