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Die Mütter der Erde – Indigene Frauen in Peru und ihr Einsatz für eine nachhaltige Ernährung

Gabi Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten

Wir müssen uns viel bewusster machen,

welche Fähigkeiten die Natur hat, uns auszuhalten,

uns zu ernähren und uns Leben zu schenken.

 

Was geschieht, wenn wir aufhören Mais anzubauen? Hören wir dann auf zu existieren?“ Mit dieser Frage sind Inhalt und Diktion dieses Films von Álvaro und Diego Sarmiento gut zusammengefasst. Was passiert eigentlich, wenn der Klimawandel sich fortsetzt, der die Andenregion schon lange erreicht hat: Die Gletscher gehen zurück, es regnet zu wenig oder zur falschen Zeit, es gibt zu viel Frost und andererseits steigen die Temperaturen an. Das hat Folgen für die Landwirtschaft, insbesondere für die traditionelle, die ohne chemische Düngemittel auskommen will. So muss z.B. der Kartoffelanbau in immer höhere Regionen ausweichen, weil die Pflanzen sonst nicht mehr gedeihen.

Der Film „Die Mütter der Erde“ stellt fünf peruanische Frauen aus der Region um Cuzco vor: Braulia Puma, Sonia Mamani, Justa Quispe, Eliana García und Brizaida Sicus. So unterschiedlich diese indigenen Frauen auch sind, sie eint der Wille, den Boden auf Mütter_der_Erde_Quinoaernte_snapshottraditionelle Weise zu bestellen sowie die alten bäuerlichen Traditionen und insbesondere das in Jahrhunderten gewachsene Wissen zu erhalten. Eliana García, eine von ihnen, kehrte z.B. nach einem Anthropologiestudium in ihre Heimat zurück. Sie könnte als Sinnbild für die Verbindung von Tradition und Moderne herhalten, doch letztlich ist sie nur das augenscheinlichste Beispiel für diese Beziehung. Denn die Frauen in diesem Film sind bemüht, alte Traditionen und altes Wissen zu bewahren, aber sie sind keine rückwärtsgewandten Traditionalistinnen. Ihr Wunsch, die Menschen in den Anden sollten wieder so essen wie früher, korrespondiert sehr gut mit unserer (modernen?) Vorstellung von nachhaltiger Lebensmittelproduktion und natürlicher, sprich gesunder Ernährung – „auf dem Feld geerntet und in der Küche zubereitet“.

Die Andenvölker haben über Jahrhunderte Ackerbau in ihrer unwirtlichen Lebensregion betrieben, ohne den Boden – ihre Lebensgrundlage – zu zerstören. Jetzt müssen sie feststellen, dass der intensive Einsatz von Düngemitteln, wie er auch in den Anden üblich geworden ist, die Böden auslaugt. Auf diesen Feldern, so eine der Protagonistinnen, ist nur eine Ernte gut; der Einsatz von Chemikalien sei schlimmer als der Klimawandel, denn er zerstöre die Böden.

Die fünf Frauen in diesem Film setzen auf biologischen Anbau mit dem Ziel, die Ernährung in der Region auf Dauert zu sichern. Dabei folgen sie dem bewährten Prinzip der Felderwirtschaft mit regelmäßigem Fruchtwechsel – Bohnen oder Olluca nach Kartoffeln und danach Hafer, Gerste oder Weizen. Diesem Zyklus folgt eine siebenjährige Ruhephase. Die jahrhundertealte Tradition erhält die Böden und minimiert obendrein den Schädlingsbefall.

Ernährungssicherheit heißt für die Protagonistinnen, auch an kommende Generationen zu denken. Dazu gehören die traditionellen Opferrituale für die Pachamama ebenso wie die Pflege des Saatguts. Sie tauschen dieses regelmäßig, weil die Variabilität auf den Feldern die Erträge erhöht, züchten aber auch neu, um den verändernden Umweltbedingungen besser begegnen zu können. Gleichzeitig sind sie bemüht, ihr traditionelles Saatgut für kommende Generationen zu erhalten, ob nun im Centro Internacional de la Papa (CIP) in Peru oder im Global Seed Vault, dem Internationale Saatgut-Tresor in Spitzbergen/Norwegen.

Die Arbeit der Frauen (und Männer) in den Kooperativen hat neben der Gewährleistung von Ernährungssouveränität auch eine andere wichtige Bedeutung. Der Klimawandel zerstört in Peru alte Traditionen, indem er das traditionelle Wissen entwertet. In früheren Jahrhunderten hatten die Menschen gelernt, die Hinweise der Natur zu verstehen und zu nutzen. Gab es z.B. wenige Fische, Mütter_der_Erde_Ritual_snapshotdann wusste man, dass die Ernte schlecht sein wird, während viele Fische eine gute Ernte versprachen. Doch jetzt gibt es keine Fische mehr, was auch bedeutet, dass das Wetter nicht mehr wie früher vorhergesagt werden kann. Damit fehlen den Bauern wichtige Hinweise und Orientierungsmöglichkeiten.

Zum anderen wenden sich immer mehr Bauern von den traditionellen Anbaumethoden oder ihren Ernährungsgewohnheiten ab. Das heißt, sie setzen Düngemittel ein und/oder verkaufen Chuño, Kartoffeln, Mais oder Quinoa und essen selbst Reis und Nudeln. Das erschwert nicht nur das Bemühen um Ernährungssouveränität in der Region, sondern damit geht auch wertvolles Wissen verloren, das bei deren Erreichen von Bedeutung ist. Wenn sich, wie betont wird, ein Landwirt dadurch auszeichnet, dass er auf den Mond achtet, dann setzt das voraus, dass er auch versteht, was dieser zu sagen hat. Die Organisation der Arbeit auf den Feldern als eine „Wiederbegegnung mit unseren Großeltern“ hat damit eine sehr praktische und in die Zukunft weisende Bedeutung.

Sembradoras de vida, Säerinnen des Lebens, heißt der Film im Original und trifft die selbstgestellte Aufgabe der Frauen damit sehr gut. Der (deutsche) Titel mit seinem Bezug zur Pachamama, der Mutter Erde, bemüht sich etwas krampfhaft um Symbolträchtigkeit. Die vorgestellten indigenen Frauen sind keine Pachamamas, aber sie setzen sich dafür ein, dieser, die in der Kosmovision der Andenvölker Leben schenkt und schützt, gerecht zu werden.

Dieser Film enthält sich jeden Kommentars und lässt nur seine Protagonistinnen und die Bilder sprechen. Das ist insofern gut, als den ZuschauerInnen keine Sichtweise vorgeschlagen wird. Andererseits erschwert das aber auch die Orientierung, denn nicht in jedem Fall werden Namen und/oder Wohnort der Frauen vorgestellt; und da der Film immer wieder zwischen diesen wechselt, kann der Überblick schnell verloren gehen. Mir ist es jedenfalls so ergangen, weshalb ich z.B. nicht genau sagen kann, welche der Frauen nun eigentlich nach Norwegen gefahren sind. Und arbeiten die Frauen alle in derselben Kooperative? Urteilt man nach den genannten Ortschaften, dann ist das definitiv nicht der Fall, der Film selbst gibt darüber keine Auskunft. Aber letztlich ist das wohl weitgehend irrelevant, wichtig ist die gelungene Darstellung des Ringens dieser fünf Frauen und ihrer MitstreiterInnen um den Erhalt ihrer natürlichen Umwelt und ihrer Gemeinschaften sowie der Erkenntnis, „dass der Mensch sich ändern muss und nicht nur versuchen, den Klimawandel zu verstehen“.

 

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Bildquellen: [1-2] Snapshot

 

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