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Söhne der Sonne. Die Inka – Eine Dokumentation aus der Reihe Terra X

Gabi Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 7 Minuten

Drei Filme über lateinamerikanische Hochkulturen, das klingt interessant und weckt a priori großes Interesse. Söhne der Sonne heißen diese Dokumentationen und beschäftigen sich mit den Maya, Inka und Azteken. Aber wie das nicht selten so ist, sehr schnell mischt sich ein Wermutstropfen in die Quetzal-Vorfreude: Die Dokumentationen gehören zur Reihe Terra X. Und diese hat einen unübersehbaren Hang zum Reenactment und zur Boulevardisierung. Doch die Vorbehalte sollen bei diesen neuen Dokumentationen kurzerhand ignoriert und die Filme in drei Folgen vorgestellt werden.

Warum haben die Menschen seinerzeit all diese Anstrengungen auf sich genommen, um den Kölner Dom zu bauen? Oder auch Athos, Skellig Michael oder San Colombano. Letztgenannte befinden sich schließlich an sehr abgeschiedenen, schwer zugänglichen Orten. Diese Erbauer waren irgendwie doch höchst geheimnisvoll und fremdartig. Und warum baut man überhaupt Sakralbauten?

rezensiert_Söhne_der_Sonne_Inka_Architektur_SnapshotZugegeben, diese Frage gehört nicht gerade zu den klügsten und hat eigentlich auch nichts mit den Inka zu tun. Und um diese soll es ja hier gehen. Doch niemand würde in Bezug auf den Kölner Dom oder die genannten europäischen Klöster auf die Idee kommen, die Frage zu stellen, warum sich die Erbauer dieser Anstrengung unterwarfen. Aus welchem Grund also fragten die MacherInnen des Films Söhne der Sonne. Die Inka, warum die Inka sich so viel Mühe machten, in den entlegensten Gegenden Tempel zu bauen? Wieso ist der Bau von Gotteshäusern, Tempeln, oder wie man diese auch nennen mag, bei den einen normal, bei den anderen aber höchst geheimnisvoll, fremdartig und geradezu erstaunlich?

Sei’s drum… Wenn man bereits am Anfang ein Fazit ziehen will, dann wohl dieses: Dieser Terra-X-Film bewegt sich über weite Strecken auf einem nicht eben anspruchsvollen Niveau. Der ansehenswerte Maya-Film aus der Trilogie konnte den Hang zur Sensation nicht immer unterdrücken, bei Die Inka ist ein solcher Versuch wohl gar nicht erst unternommen worden. Man muss dem Streifen von Gabriele Wengler bescheinigen, vieles aufzugreifen oder besser gesagt anzureißen. Doch konzentriert er sich dabei auf die m.E. marginalen, eher zum Boulevard passenden Themen und behandelte all das, was Aufschluss über die Lebensweise der Inka hätte gebe können, eher stiefmütterlich. Paradoxerweise können daran auch die immer wieder eingestreuten Statements von Wissenschaftlern nichts ändern. Die wurden offensichtlich zu sehr auf die grundlegenden Aussagen des Films zurechtgestutzt.

Ich weiß jetzt, dass die Inkaherrscher als Götter verehrt wurden, sie jedes Gewand nur einmal trugen und dass man ihnen nicht in die Augen blicken durfte. Das hätte ich vermutlich auch in der „Gala“ oder in „Adel heute“ erfahren können (oder wie diese Blätter auch immer heißen). Über das Alltagsleben erfahre ich indes so viel wie nichts, wenn es sich nicht gerade um religiöse Rituale oder Opferungen bzw. die erwähnten Kleidervorschriften handelt. Wie war dieses Reich organisiert? Gab es ein Bildungswesen wie bei den Maya? Wie lebten die Menschen zusammen? Wie ernährten sie sich? Welche Berufe gab es? Wie sah es denn aus mit Architektur, Landwirtschaft, Kommunikation, Kunst, Kultur?

Greifen wir also drei dieser Themen heraus, die ja auch im Film behandelt wurden: Architektur, Landwirtschaft, Kommunikation.

Im Film wird auf die gewaltigen, fest gefügten Bauten der Inka hingewiesen, wobei man sich weitgehend auf die Erwähnung von Kultbauten und Befestigungsanlagen beschränkt. Wie diese beeindruckenden Bauwerke errichtet wurden, ohne Verwendung von Mörtel, bleibt allerdings im Dunkeln. Dabei wird im Film wiederholt darauf hingewiesen, dass die Inka weder Metallwerkzeuge noch Räder noch Zugtiere kannten. Eigentlich weiß man doch recht viel über die Techniken dieses altamerikanischen Volkes und hätte diese also darstellen können. Wie bearbeitet man eigentlich Steine, damit nach ihrem (mörtellosen) Zusammenfügen keine Messerklinge mehr dazwischen passt? Zugegeben, diese Information stammt jetzt nicht aus dem Film, für diesen war sie wohl einfach zu uninteressant.

Die Inka waren kundige und geschickte Bauern. Im Film wird berichtet, dass sie 3.500 Kartoffel- und 250 Getreide- und Gemüsesorten anbauten. Mit ihren Terrassenfeldern gelang es ihnen, ihre Bevölkerung ausreichend zu ernähren. Aber wie machten sie das? Wie konnten sie in einer so unwirtlichen Umgebung gute Ernteerträge erzielen? Warum züchteten sie 3.500 Kartoffelsorten? Also, ich hätte das schon gerne gewusst. Im Übrigen gelten die Inka vielen heute als Vorbild. Sie ernährten Millionen Menschen, ohne den Boden zu zerstören und auszulaugen. Ganz ohne Chemie. Aber diese Errungenschaft des Andenvolks, oder sollte man besser sagen – der Andenvölker, ist für die Darstellung einer Hochkultur offensichtlich von keinerlei Relevanz.

Die Inka hatten keine Schrift, heißt es im Film wiederholt, sie hatten lediglich von anderen Völkern die Quipus übernommen, Knotenschnüre, mit denen statistische Daten festgehalten werden konnten. Das war eine Überlebensnotwendigkeit, um das Leben in diesem Riesenreich organisieren zu können. Doch so ganz stimmt diese Information nicht, denn inzwischen fanden Wissenschaftler Belege dafür, dass Quipus nicht nur zur Übermittlung statistischer Daten, sondern auch für umfassendere Informationen wie Briefe oder Geschichten genutzt wurden. Dieses System ist offensichtlich aufwendiger als das der ‚Statistikknoten‘, dafür wurden auch andere Materialien sowie Farben genutzt. Zudem ist es bis heute nicht gelungen, dieses System zu entschlüsseln. Hatten die Inkas doch so etwas wie eine Silbenschrift? Aber diese Frage ist wohl doch zu belanglos, auf jeden Fall nicht sensationell genug. Dabei hätte man doch so schön spekulieren können, wie das in diesem Film ansonsten ausgiebig gemacht wird.

Dass die Kunst, Quipus zu knüpfen, nur einer kleinen Elite vorbehalten war, wie im Film behauptet wird, ist darüber hinaus nicht ganz nachzuvollziehen, auch wenn das Bild von den Quipu-Kundigen als eine zu den mächtigsten Männern im Reich gehörende Gruppe in diesem Film gut aufgehoben ist. Quipucamayocs, Hüter der Quipus, gab es auch im kleinsten Dorf, mussten doch bis in den letzten Winkel des Inkareichs die Bevölkerungszahl, Ernteerträge, der Viehbestand etc. aufs Genaueste festgehalten werden. Die Zahl dieser Beamten dürfte also nicht allzu klein gewesen sein.

rezensiert_Söhne_der_Sonne_Inka_Quipus_SnapshotÜberhaupt hätte ich mir eine umfassendere Darstellung der Quipus gewünscht, eine genauere Erklärung des Systems. Aber das bräuchte eine intensivere Auseinandersetzung der FilmemacherInnen mit dem Thema und außerdem gute Ideen, dies im Film angemessen und verständlich zu präsentieren. Knotenschnüre lassen sich schließlich nicht von kostümierten Laiendarstellern verkörpern.

Das Leben der Inka jenseits von Religion und Krieg, und das gab es ja wohl auch, interessiert im Film eigentlich nicht. Stattdessen wird vom geheimnisvollen Volk, von der Aura des Rätselhaften schwadroniert. Dabei sind die Inka gar nicht so rätselhaft wie behauptet. Es gibt zahlreiche Aufzeichnungen, die kurz nach ihrem Untergang entstanden sind und die das Leben im Inkareich schildern. Man denke nur an Reale Kommentare von Garcilaso de la Vega oder auch die Chroniken von Waman Poma de Ayola, die nicht zuletzt mit ihren Zeichnungen ein weitgehend realistisches Bild auch vom Alltag vermitteln. Vielleicht ist aber dieser Alltag einfach nicht geheimnisvoll genug. Deshalb beschäftigt man sich lieber ausgiebig mit dem Untergang des Inkareichs, der im Film wiederholt unvermittelt in unheilschwangerem Ton angekündigt wird (Doch auf das Unheil, das sich ankündigt, sind sie nicht vorbereitet.). Wobei selbst diese verhältnismäßig breite Darstellung oberflächlich bleibt, denn wie z.B. die zahlenmäßig unterlegenen Spanier das riesige Inkaheer besiegen konnten, wird letztlich nur konstatiert und nicht weiter beschrieben. Das lag zweifellos nicht allein an der erwähnten Hybris von Atahualpa.

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass die Oberflächlichkeit, man könnte fast meinen, das Desinteresse an dieser indigenen Hochkultur in jeder Hinsicht konsequent verfolgt wird. So werden Namen, ob nun von Personen oder Ortschaften, beharrlich falsch ausgesprochen. Das fängt bei Pitzarro an und hört mit Pachacuhtec, Chiemu und Sacsahuhaman noch lange nicht auf. Und wieso ist von Indios die Rede oder vom Band of holes, wenn man die Inka bzw. den Monte sierpe meint?

Belassen wir es dabei. Alles in allem kann Söhne der Sonne. Die Inka wirklich nicht empfohlen werden.

 

Söhne der Sonne. Die Inka

Regie: Gabriele Wengler

ca. 43 Minuten. 2020

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Bildquellen: [1; 2] Snapshots

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