Lateinamerika gehört nach wie vor zu denjenigen Weltregionen, die ihre Einnahmen mehrheitlich aus dem Export von Rohstoffen bestreiten. Werden in Ländern wie Ecuador alternative Wege der Ressourcennutzung zumindest erwogen, gehört Peru zu der Achse der Staaten, die die traditionelle – also auf Ressourcenabbau fixierte – Wirtschaftspolitik unbeirrt fortsetzen. Zu den in verschiedenen Regionen des Hochlandes abgebauten Rohstoffen gehören vor allem Silber, Zinn, Zink, Blei, Kupfer und Gold. Ein weiteres wichtiges Exportgut ist das Erdöl, das in der östlich gelegenen Amazonasregion gefördert wird.
Hier kam es 2009 zu massiven Protesten indigener Gruppen, die sich gegen die Enteignung und Kontamination ihrer Territorien wehrten. Im Laufe der Blockaden und ihrer Auflösung durch die Polizei gab es seinerzeit Dutzende von Toten. Aber nicht nur im Tiefland trifft die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen auf Widerstand. Auch in den anderen Regionen sind in den letzten Jahren viele Organisationen mit dem Ziel des Schutzes lokaler Lebensräume entstanden. Insgesamt 19 Gruppen haben sich 2003 im Dachverband Red Muqi, benannt nach einem Kobold, der dem lokalen Glauben nach den Zugang zu den Bergwerken kontrolliert, zusammengeschlossen. Im Rahmen einer Informationsreise der Kampagne „Bergwerk Peru: Reichtum geht, Armut bleibt“ besuchten drei Vertreterinnen des Netzwerkes verschiedene deutsche Städte und berichteten über ihre Arbeit.
Eine von ihnen ist die Rechtsanwältin Ana Leyva, die über die Auswirkungen des Bergbaus auf die sozialen, ökonomischen und ökologischen Bedingungen spricht. „Der Muqui ist ein Kobold, der den Bergleuten Bedingungen für den Eintritt in die Mine auferlegt. Das wollten wir mit dem Namen symbolisieren, dass es Bedingungen für den Abbau in den Bergwerken geben muss. Standards, Regeln und Rechte müssen bei den Aktivitäten eingehalten werden“, erklärt Ana Leyva.
Elena Muguruza von der Informationsstelle Peru aus Freiburg äußert sich in einem Interview ausführlich zur Kampagne: „Red Muqui arbeitet mit betroffenen Gemeinden. Die Arbeit ist vielfältig, sie umfasst logistische und technische Hilfestellungen. Auch versuchen wir, auf die Meinungsbildung in der nationalen Öffentlichkeit einzuwirken.“
Red Muqui hat sich darüber hinaus zur Aufgabe gemacht, die Regierung mittels der Lobby-Arbeit zum Handeln zu drängen. Dabei arbeitet das Netzwerk jedoch nicht eigenmächtig: „Es ist wichtig zu betonen, dass sich die betroffenen Gemeinden an uns wenden. Sie stellen fest, dass sie in negativer Weise vom Bergbau betroffen sind und beginnen, organisatorische Prozesse innerhalb der jeweiligen Strukturen anzustoßen.“
So konnten in der Frage der Steuererhebung bereits erste Erfolge erzielt werden. Die Steuern auf den Ressourcenabbau wurden erhöht und ein größerer Anteil der Abgaben verbleibt in den Gebieten selbst. Ein weiteres Thema ist der Kampf um die vorhergehende Konsultierung indigener Gemeinden im Falle einer etwaigen Ressourcenausbeutung auf ihren Territorien, wie es die Resolution 169 der Internationalen Arbeitsorganisation ILO vorsieht: „Das Red Muqui arbeitet mit den Gemeinden an der Kanalisierung ihrer Forderungen. Die repräsentative Demokratie soll auf diese Weise durch eine partizipative Demokratie verbessert werden“, meint Elena Muguruza.
Minen im Hochland
Die wichtigsten Fördergebiete für die Naturressourcen befinden sich in Peru im andinen Hochland. Hier verlaufen auch die Täler der wichtigsten Flüsse des Landes, die das Bergmassiv durchschneiden. Jedoch ist die natürliche Wasserverteilung sehr ungleich zwischen dem amazonischen Tiefland und der Andenregion auf der einen Seite sowie der Küste auf der anderen Seite. Während das Wasser in den erst genannten Regionen in großer Menge vorkommt, leidet die Küstenregion an Wasserknappheit, die sich in den nächsten Jahren noch verschärfen wird.
Die Gemeinden in den wasserreichen Gebieten sehen sich durch die Aktivität der Minengesellschaften in Mitleidenschaft gezogen: „Die Gemeinde von Cerro de Pasco muss mit dem offenen Tagebau leben. Die Kinder haben hohe Bleiwerte im Blut, die Situation ist wirklich skandalös“, konstatiert Elena Muguruza.
Die sozialen und ökologischen Standards werden nicht respektiert, ein Mangel, der von Red Muqui angeprangert wird: „Es ist wichtig zu betonen, dass wir nicht grundsätzlich gegen den Bergbau sind. Unter bestimmten Bedingungen kann er zur Entwicklung beitragen. Diese Bedingungen werden bis jetzt jedoch nicht eingehalten“, fährt die Koordinatorin der Kampagne fort. Sie unterstreicht die Priorität der Landwirtschaft und der Ernährung der Gemeinden. Diese müsse Vorrang vor der Ausbeutung der Ressourcen haben.
Aktivisten leben gefährlich
Die Entwicklungen gehen jedoch aktuell in eine andere Richtung. Nicht nur werden die Rechte der Gemeinden missachtet, indem die Umwelt verseucht wird, sondern es kommt auch zu einer Kriminalisierung der Proteste und zur Verfolgung einzelner Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten. Amnesty International hatte bereits im Jahre 2007 auf die Bedrohung von Javier Rodolfo Jahncke Benavente, Mitglied von Red Muqui, aufmerksam gemacht. Dieser Einschüchterungsaktion waren 2006 Drohungen gegen Dr. Mirtha Vasquez Chuquilin und Pater Marco Arana von der Organisation GRUFIDES (Grupo de Formación e Intervención para el Desarrollo Sostenible) vorausgegangen (vgl. Urgent Action vom 23.03.2007). An diesem Punkt sieht die Aktivistin Elena Muguruza eine wichtige Aufgabe der Kampagne auf internationaler Ebene: „Wir sind davon überzeugt, dass mit wachsender Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit für die Situation der Menschenrechtsverteidiger und sozialen Aktivisten die Drohungen zurückgehen. Ich glaube, dass durch die neuen Medien hier eine Änderung eingetreten ist. Wären diese Drohungen vor fünfzehn Jahren ausgesprochen worden, wären sie unbemerkt geblieben. Durch den internationalen Druck und die Solidarität ist die Kontrolle gestiegen, obwohl die Verfolgung (trotzdem) anhält.“
Bäuerliche Selbstorganisation
Im Departement Piura, maßgeblich vom Bergbau betroffen, gibt es eine Geschichte der bäuerlichen Selbstorganisation. Bereits in den 50er Jahren gab es die ersten bäuerlichen Organisationsversuche in den Provinzen Huancabamba und Ayabaca, die sich in der Folge ausweiteten. So entstanden in den 80er Jahren im ganzen Land die „Rondas Campesinas“, als Selbstverteidigung gegen den maoistischen Leuchtenden Pfad. Vor dem Hintergrund dieser Tradition der Selbstorganisation begannen sich die Bauern in den genannten Provinzen gegen ein Bergbauprojekt zur Wehr zu setzen. Dieses bedroht ihre nachhaltige Bodenbewirtschaftung und den Kaffeanbau. Der Widerstand der Bauern kann in einem solchen Fall vom Netzwerk unterstützt werden. „Tambo Grande war die erste Gemeinde, die sich erfolgreich gegen den Goldabbau auf ihrem Territorium gewehrt hat. Es reicht jedoch nicht, zu protestieren, es ist darüber hinaus nötig, Daten über die Umweltschäden zu erheben.“ Red Muqui kann hier eine Hilfestellung leisten. Ein weiterer Aspekt der Selbstorganisation sind die Nachbarschaftsräte, die sowohl in Tambo Grande als auch in Huancabamba und Ayabaca zum Thema des Bergbaus eine Volksbefragung durchgesetzt haben. „Peruanische Politologen sprechen in diesem Zusammenhang von einem ‚Fest der Demokratie’, da die Artikulation der Bevölkerung zu einer Bewusstseinsbildung führte und die Partizipation erhöhte“, stellt Elena Muguruza fest.
Red Muqui entstand zunächst im Departement Piura mit kirchlicher Unterstützung. Die Organisation beschäftigte sich mit den technischen Aspekten des Bergbaus, bis sich die Notwendigkeit eines nationalen Engagements ergab, das auch eine politische Artikulation beinhaltete. Der Kontakt zwischen den lokalen Bewegungen und dem Netzwerk ist direkt, so im Falle der Provinzen von Huancabamba und Ayabaca. „Es gibt eine enge Zusammenarbeit zwischen der Organisation GRUFIDES des Paters Marco Arana, der 2010 den Friedenspreis der Stadt Aachen erhalten wird, und dem Netzwerk. Unabhängig davon kann sich jede Organisation an Red Muqui wenden“, erklärt Muguruza.
Auch auf internationaler Ebene kommt es zur Zusammenarbeit und zum Austausch mit Gruppen aus den Nachbarländern, die ebenfalls vom Bergbau betroffen sind, zum Beispiel mit Bolivien. Hier besteht Handlungsbedarf, denn „auch wenn Evo Morales die Interessen der Betroffenen besser repräsentiert als andere, das Thema der Umwelt befindet sich nicht ganz oben auf der Agenda der Regierung.“
Der Kampf der Umweltorganisationen muss als Prozess begriffen werden, der einige Zeit in Anspruch nimmt. „Früher hat die Mehrheit der Peruaner gesagt, dass das Gold abgebaut werden müsste, weil es Geld brächte. Das Geld wiederum führe zu Entwicklung. Heutzutage wird dieser Gedankengang zunehmend in Frage gestellt, auch wenn es ein langwieriger Prozess ist.“ Red Muqui hat dieses Umdenken sicherlich maßgeblich mit angestoßen.
Internetquellen:
http://www.an-online.de/lokales/aachen-detail-an/1284853
http://www.amnesty.de/umleitung/2007/amr46/003?lang=de%26mimetype%3dtext%2fhtml
http://www.grufides.org/
http://www.kampagne-bergwerk-peru.de
http://www.muqui.org
Bildquelle: Quetzal-Redaktion, ssc