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Die verhängnisvolle „vida loca“

Sven Schaller | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Zwei Jahre nach der Ermordung von Christian Póveda durch die Mara 18

Der Film: Am 02. September jährt sich zum zweiten Mal der Mord an dem französisch-spanischen Filmregisseur Christian Póveda in einem Außenbezirk von San Salvador. Der Direktor des Filmes „La vida loca“ über die Mara 18 in El Salvador wurde von Mitgliedern eben jener Jugendbande mit vier Schüssen ins Gesicht hingerichtet. Es ist immer noch schwierig, ein Resumée über den langen Weg der Aufklärung der Tat zu ziehen. Denn obwohl sich die Polizei beeilte, einen Tatverdächtigen der internationalen Gemeinschaft zu präsentieren, wurden erst im März 2011 die Urteile über die Täter gefällt. Dennoch sind die Umstände des Mordes bis heute noch nicht restlos aufgeklärt.

Für die bis zu 170 Polizisten der Mordkommission (División de Investigación de Homicidios) erwies sich die Suche nach den Tätern von Anfang an als sehr schwierig. Wie die Nadel im Heuhaufen suchten sie nach Anhaltspunkten im Milieu der Maras. Entsprechend entpuppten sich zahlreiche Ermittlungsergebnisse im Nachhinein als Flops. Vieles an dem Fall blieb widersprüchlich und nebelös.

Das begann schon sieben Tage nach dem Mord an Póveda auf der alten Landstraße nach Soyapango im Bezirk Tonacatepeque. Denn unter den festgenommenen fünf Tatverdächtigen befand sich auch ein Polizist, der angeblich den Maras geflüstert haben soll, der Journalist wäre Informant der Polizei, was diese jedoch kategorisch zurückwies. Zugleich wurde bekannt gegeben, dass Nelson Lazo Rivera (genannt La Molleja oder Fantasma), einer der Führer der Mara 18, aus dem Gefängnis heraus die Ermordung von Póveda angeordnet hätte.

Nach und nach gelang die Festnahme weiterer Mitglieder der Mara 18 – darunter mutmaßlicher Helfer und Helfeshelfer im Mordfall Póveda. Bis Dezember 2009 landeten 25 Gangmitglieder, denen eine Beteiligung an dem Mord vorgeworfen wird, vorläufig hinter Gittern. Im Februar 2010 ermittelte die salvadorianische Polizei drei weitere Maras, die angeblich im Gebiet der Exekution Schmiere standen.

Trotz dieser 28 Festnahmen waren bis zu diesem Zeitpunkt einige Fragen noch völlig unbeantwortet: Welcher der Verdächtigten hat welche Taten zu verantworten? Was ist das Motiv? Wer ist der Drahtzieher? Die Polizei präsentierte schließlich im April 2010 mit Daniel Cabrera Flores alias El Black eine zweite Führungsperson der Mara 18, die angeblich hinter dem Mord steht. Aufgrund einer Zeugenaussage wurde einen Monat später mit Iván Antonio Leiva, der sich in den Außenbezirken von San Salvador versteckt hielt, ein möglicher Haupttäter benannt. Allerdings gab es auch ein Jahr nach dem Mord noch keinen in einem Gerichtsprozess verurteilten Täter.

Es dauerte bis März 2011, bis die Urteile in dem Fall gesprochen wurden. Von den mutmaßlich 30 Beteiligten an der Ermordung landeten elf hinter Gittern. Für das Gericht galt es als erwiesen, dass nicht die drei bisher präsentierten Anführer der Mara 18, sondern José Alejandro Melara alias Puma der Drahtzieher des Mordes war. Für die Planung des Komplotts gegen Póveda wurde er zu 30 Jahren Haft verurteilt. Ebenfalls für 30 Jahre ins Gefängnis muss Luis Roberto Melara. Er hat nach Ansicht der Richter den Mord verübt. Wegen Beihilfe zu Mord lautete das Strafmaß für Keyri Mayorga Álvarez auf 20 Jahre Haft. Weitere acht Mitglieder der Mara 18 erhielten Haftstrafen von vier Jahren wegen Mitgliedschaft in einer illegalen Vereinigung. Darunter befand sich auch Napoleón Espinoza – ein Polizeiagent. 20 Tatverdächtige, die als Komplizen angeklagt waren, wurden frei gesprochen.

Das Motiv für die Tat ist allerdings bis heute unklar. Fest steht, dass der Film „La vida loca“ innerhalb der Mara 18 zu internen Zerwürfnissen geführt hat. Ob es sich bei den Streitigkeiten um die Forderung nach Teilhabe aus den Erlösen des Films handelte oder darum, dass bei einigen der Filmszenen die Gesichter von Bandenmitgliedern zu sehen sind, während sie Verbrechen begingen, bleibt im Dunkeln. Für Ärger sorgte gemäß einigen Zeugen auch, dass Póveda von ihnen ein falsches Bild gezeichnet hätte. Am hartnäckigsten hält sich allerdings das Gerücht, er hätte Bilder und Informationen des Films der Polizei übergeben. Für den 30. August 2009 sei der Journalist deshalb zu einem Treffen mit einigen der Anführer der Mara 18 nach La Campanera bestellt worden, um diese Anschuldigungen zu erklären. Als Póveda zu dieser Zusammenkunft nicht erschien, wurde dies als Bestätigung der Gerüchte angesehen. Das Todesurteil über ihn war gefällt: Am 02. September 2009 fuhr der ahnungslose Filmemacher zu seinem letzten Treffen mit den Maras. Er wurde exekutiert. Doch so plausibel diese Version auch klingt, sie ist bis heute nicht bestätigt.

Christian Póveda, der mit seinem Film auf das „verrückte Leben“ der Gewalt in El Salvador (und anderen zentralamerikanischen Ländern) aufmerksam machen wollte, bezahlte für seine Dokumentation einen zu hohen Preis. Die Verurteilung der Täter mag als Erfolg der staatlichen Behörden im Kampf gegen die Jugendbanden angesehen werden. Doch eine Lösung für die Spirale aus Gewalt, zerrüttetem Familienleben, Drogen, Armut und Vernachlässigung durch den Staat ist weiterhin nicht in Sicht. Daran ändert weder Póvedas Dokumentarfilm „La vida loca“ etwas noch die seit 2007 praktizierte Politik der „harten Hand“ (mano dura).

Bildquelle: [1] Offizielles Filmplakat.

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