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BANANAS!* – ein Nachtrag oder: In Kalifornien besteht kein Interesse, ein inländisches Unternehmen zu bestrafen

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 7 Minuten

Bananas_Juan_meeting_Foto: Frank_Pineda

Was wurde eigentlich aus BANANAS!*? Also, der Film des Schweden Frederik Gertten wird weiterhin weltweit gezeigt – Ende letzten Jahres z.B. auf einem Filmfestival in Simbabwe. Die Geschichte des Kampfes nicaraguanischer Bananenarbeiter gegen den Multi Dole ist leider nach wie vor hoch aktuell. Sie erinnern sich? In einem Schadenersatzprozess gegen den Bananenmulti Dole wegen des Einsatzes des gesundheitsschädlichen Pflanzenschutzmittels Dibromochloropropan (DBCP) in Nicaragua wurde der US-Konzern zu hohen Schadenersatzzahlungen an sechs Arbeiter aus Chinandega verurteilt. Das Gericht unter Leitung von Richterin Victoria Chaney schätzte in dem Verfahren Tellez vs. Dole ein, Dole habe „bösartig und betrügerisch“ gehandelt, wohl wissend, das DBCP gesundheitsschädlich sei.

Dieses Urteil muss man historisch nennen. Es war das erste Mal, dass von ausländischen Geschädigten gegen Dole eine Klage in den USA angestrengt wurde, und es stehen noch die Klagen von Tausenden Dole-Arbeitern aus. Da kann ein solcher Sieg der Kläger einen wahren Erdrutsch auslösen. Das ist wohl nicht nur den Geschädigten aufgefallen. Doles Versuch, eine Revision anzustrengen, blieb allerdings erfolglos. Zuvor war schon der Versuch gescheitert, den Film BANANAS!* zu stoppen. Stattdessen wurde der Multi zur Zahlung einer Erstattung von Prozesskosten an das Filmteams verurteilt. Und doch wurde das Urteil gegen Dole aus dem Jahre 2009 kassiert, weitere Klagen nicaraguanischer Arbeiter aus Chinandega wurden abgewiesen. Was war geschehen?

Die Anwälte der Dole Food Company hatten ihre Strategie geändert. Zum einen machten sie geltend, dass der Einsatz von DBCP auf das Konto der alten Dole aus dem Jahr 1977 ging. Die neue Dole sei ein völlig verändertes Unternehmen, das die Menschenrechte immer einhalte. Warum also solle die neue Dole für die Fehler der alten büßen? Zum anderen nutzten die Anwälte eine selten angewendete Regelung im angelsächsischen Recht: das coram vobis. Damit können Gerichte Urteile aufheben, wenn sich herausstellt, dass eine Seite betrogen wurde. Die Dole-Anwälte erhoben den Vorwurf, die nicaraguanischen Bananenarbeiter und ihre Anwälte hätten das Gericht systematisch belogen. Die Anwälte um Juan José Domínguez, der die Klage in den USA angestrengt hatte, sollen die Nicaraguaner zum Lügen animiert haben, sowohl hinsichtlich ihrer Tätigkeit auf Dole-Plantagen als auch in Bezug auf ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch DBCP. Ein Teil der Kläger sei nie bei Dole angestellt gewesen, und auch die medizinischen Tests seien gefälscht. Um diesen Vorwurf zu belegen, boten die Anwälte 17 nicaraguanische Plantagenarbeiter als Zeugen auf.

Und wie reagierte die Richterin, die Dole ursprünglich Bösartigkeit und Betrug attestiert hatte? Sie akzeptierte beide Vorwürfe und leitete ihrerseits Verfahren gegen die Plantagenarbeiter und ihre Anwälte ein. Ausgenommen von dem Betrugsvorwurf war lediglich Duane Miller, der Anwalt, der die Nicaraguaner in dem ersten Prozess erfolgreich vertreten hatte. Möglicherweise schien die Kanzlei Miller, Axline & Sawyer eine Nummer zu groß zu sein. Aber das ist nur eine Vermutung. Richterin Chaney untermauerte ihren juristischen Meinungswandel noch weiter. Doles nicaraguanischen Zeugen wurde Geheimhaltung zugesichert. Die Geheimhaltung wurde mit der Angst der Zeugen begründet, schließlich seien sie von Seiten der Kläger-Anwälte großem Druck und Gewalt ausgesetzt. Sie fungierten als sogenannte John-Doe-Zeugen und konnten somit von den beschuldigten Anwälten nicht vor Gericht befragt und ins Kreuzverhör genommen werden. Domínguez und Kollegen hatten ebenso wie die des Betrugs verdächtigten Kläger keine Chance, sich angemessen zu verteidigen. Ein ordentlicher Prozess war somit nicht mehr möglich, von einem fairen ganz zu schweigen. Richterin Chaney genügte die bloße Aussage der Zeugen, ihrer Meinung nach seien sie in jeder Hinsicht glaubhaft. Weitere Beweise für die Vorwürfe gab es nicht.

Beobachter merkten an, dass die Richterin eine Art Rosinenpickerei betrieb: Sie ließ nur Aussagen gelten, die ihre Auffassung bestätigten, alle anderen wies sie zurück. Juristische Gründe für ihre Auswahlkriterien waren offenbar nicht zu erkennen. Allerdings kann man der Richterin nicht vorwerfen, sie hätte keine Begründungen für ihre Kehrtwende in der Beurteilung von Dole gegeben. Sie folgte vorbehaltlos der Auffassung, die Kläger gegen Dole hätten ein Komplott geschmiedet, um das Unternehmen unrechtmäßig zu beschuldigen und die US-Justiz zu betrügen. Jedoch erweiterte sie diesen Vorwurf noch – nicht nur die prozessbeteiligten Nicaraguaner hätten systematisch betrogen, sondern die ganze Gemeinde Chinandega. In dieser herrsche ein starker Zusammenhalt, und deshalb habe sie sich geschlossen hinter die Kampagne gegen Dole gestellt. „Die kollektive Stimmung der Gemeinde“, so Richterin Chaney, funktioniert als „Schild, um die Wahrheit zu verschleiern und als Schwert, um Geld in eine sehr arme Region zu bringen“. Mit anderen Worten – die Einwohner Chinandegas sind per se verlogen, ausgenommen die 17 Zeugen für Dole, bei deren Aussagen es sich um „klare und überzeugende Beweise“ handele. Und aufgrund des hohen Zusammenhalts der Gemeinde sei ein Angriff gegen einen Kläger ein Angriff auf alle, weshalb im Ort ein großer Druck und ein Klima der Gewalt gegen diejenigen herrsche, die sich dem Komplott nicht anschlossen.

Das Verhalten der Bewohner von Chinandega sei im Übrigen nicht sehr überraschend, schließlich sei Nicaragua generell ein Land, in dem Recht und Gesetz nicht viel gelten und in dem es keine ordentlichen Gerichtsverfahren gäbe. Also schloss Chaney nicaraguanische Richter und Mediziner in den Betrugsvorwurf mit ein. Sie urteilte, Nicaragua hätte ein „besonders merkwürdiges Ökosystem“ und fügte mit – für einen Gerichtsaal ungewöhnlicher Formulierung – hinzu, die angebliche Kampagne gegen Dole sei eine mythische „Chimäre“, „ein feuerspuckendes Monster mit dem Kopf eines Löwen, dem Körper einer Ziege und dem Schwanz einer Schlange“. Es sei ihr Ziel, die nicaraguanische Korruption in die USA zu bringen, aber das werde Chaney verhindern.

Und so ließ sich Richterin Victoria Chaney nicht beirren; ihr (Vor)Urteil war durch nichts zu erschüttern. Als Steve Condie, der neue Anwalt der nicaraguanischen Kläger, Zweifel an den Aussagen zweier Dole-Zeugen anmeldete, wurde sein Antrag abgelehnt. Auch als sich herausstellte, dass zumindest zwei der beschuldigten Anwälte bei einem Meeting in Chinandega, auf dem im Jahr 2003 die Betrugsabsprachen getroffen worden sein sollten, trotz gegenteiliger Behauptung der Zeugen nachweislich nicht anwesend waren, erschütterte das die Glaubwürdigkeit der Zeugen nicht. Chaney nahm einfach die Beschuldigung gegen diese Anwälte zurück. Den Vorwurf, die Zeugen seien von Dole-Anwälten mit hohen Summen belohnt worden, wies die Richterin mit der Begründung zurück, die Zeugen aus Chinandega seien generell nicht glaubwürdig. Alle Belege gegen ein Komplott stufte die Richterin als irrelevant ein: Zeugenaussagen, wonach in Chinandega kein Klima der Angst herrsche und die Gemeinde bezüglich der Schadenersatzforderungen gegen Dole viel zu zerstritten sei, um ein gemeinschaftliches Komplott gegen das Unternehmen zu schmieden; die Ergebnisse medizinischer Untersuchungen der beschuldigten Plantagenarbeiter durch US-Ärzte, die die nicaraguanischen Tests bestätigten; die Feststellung des Appellationsgerichts der Vereinigten Staaten, die Vorwürfe gegen das nicaraguanische Rechtssystem seien nicht zutreffend; das Ergebnis der Untersuchungen des State Bar of California, das die Betrugsvorwürfe gegen den Anwalt Juan Domínguez verwarf.

Die Liste der Merkwürdigkeiten ließe sich fortsetzen. Beobachter des Prozesses befürchten, dass der Ausgang von Tellez vs. Dole ein Anlass sein könnte, um zusätzliche Barrieren für ausländische Kläger zu errichten und so Schadenersatzklagen gegen US-Unternehmen generell zu erschweren, wenn nicht zu verhindern. Richterin Victoria Chaney betonte denn auch, dass Kalifornien nicht daran interessiert sei, „ein inländisches Unternehmen für Vergehen zu bestrafen, die nur in einem fremden Land begangen wurden“.

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Literatur:

Boix, V./ Bohme, S.: Secrecy and justice in the ongoing saga of DBCP litigation. In: International Journal of Occupational an  Environmental Health. 18(2012)2. http://www.bananasthemovie.com/wp-content/uploads/resources/IJOEH_Boix_Bohme_2012.pdf
Court of Appeal Affirms Order Vacating Multi-Million Dollar Judgment Against Dole Food Company and Dismissing Case Due to Plaintiffs‘ Attorney-Driven Fraud. http://www.gibsondunn.com/publications/pages/Court-of-Appeal-Affirms-Order-Vacating-Multi-Million-Dollar-Judgment-AgainstDole-Food-Company.aspx
Deutsch, L.: Calif. judge orders Dole to pay filmmaker $200,000. 2.10.2010. http://archive.boston.com/business/articles/2010/12/02/la_judge_orders_dole_to_pay_filmmaker_200000/
Rosencranz, A./Roblin, S.: Tellez v. Dole: Nicaraguan Banana Workers Confront the U.S. Judicial System, 7 Golden Gate U. Envtl. L.J. 113 (2014). http://digitalcommons.law.ggu.edu/gguelj/vol7/iss2/4

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Bildrechte: [1] Frank Pineda

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