Der Dokumentarfilm Teatro de guerra/Der Krieg in ihren Köpfen nähert sich der Malvinas/Falklands-Frage aus der Sicht seiner Protagonisten an der Front: Kriegsveteranen beider Länder, die Mitte 1982 in eine Schlacht im Südatlantik gegeneinander geworfen wurden, wurden aufgefordert, ihre Erinnerungen an den Krieg und die Nachkriegszeit zu teilen. Es ist bezeichnend, dass es gut 35 Jahren gedauert hat, um ein solches Projekt zu verwirklichen – vor Jahren noch undenkbar, als selbst ein Treffen der Fußballmannschaften beider Länder zumindest unter Argentiniern als Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln empfunden wurde.
Auch wenn die Inseln nach der Unabhängigkeitserklärung 1816 von den Vereinigten Provinzen des Río de la Plata (aus denen sich 1820 Argentinien ergab) geerbt worden waren, wurden sie bereits 1833 von der britischen Krone gewaltsam besetzt – und die argentinische Siedlung entsprechend geräumt. Seitdem war die Malvinas-Frage den ArgentinierInnen ein Stachel im Fleisch, und besonders seit Mitte der 1960er Jahren erhob der argentinische Staat regelmäßig Ansprüche bei der Versammlung der Vereinten Nationen. Diese Situation wurde von einer Militärjunta, die sich nach Jahren der Unterdrückung und der gewaltsamen Verschwindenlassen-Politik im Niedergang befand, ausgenutzt. Der Erfolg dieses Manövers ließ sich sofort zeigen und ist auf Aufnahmen vor dem Regierungspalast in Buenos Aires deutlich zu erkennen, als damals der De-Facto-Präsident Leopoldo Galtieri in offensichtlich betrunkenem Zustand einer jubelnden Menge die Wiedererlangung der Souveränität über die Inseln verkündete.
Die Landung argentinischer Truppen in Port Stanley/Puerto Argentino am 2. April 1982 löste einen bewaffneten Konflikt aus, der nach zehn Wochen mit der Unterzeichnung der Kapitulation Argentiniens vor den Streitkräften der Regierung Thatcher endete. Den kriegerischen Auseinandersetzungen fielen 649 argentinische und 255 britische Soldaten sowie drei zivile Inselbewohner zum Opfer. Für viele der argentinischen Ex-Kämpfer, zumeist Wehrpflichtige im Alter von 18-19 Jahren, lieferte die Rückkehr auf den Kontinent eine harte Realitätsprüfung. Aufgrund der Unsichtbarkeit und der Vernachlässigung zunächst durch die Diktatur und anschließend durch den demokratischen Staat, ohne einen Job, mit ernsthaften Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in das soziale Leben und in vielen Fällen nicht in der Lage, offen über die Traumata des Krieges zu sprechen – darunter über Folterungen durch ihre eigenen Vorgesetzten –, war die Selbstmordrate unter ihnen doppelt so hoch wie die Zahl derjenigen, die auf den Inseln gefallen waren. Erst 2016 verabschiedete das argentinische Parlament ein Gesetzt, das den verbliebenen Kriegsveteranen eine Ehrenrente gewährt.
Der Krieg in ihren Köpfen ist der erste Langspielfilm der Regisseurin Lola Arias (Buenos Aires, 1976), die jedoch ein reiches Werk nicht nur als Filmemacherin, sondern auch als Autorin und Bühnenautorin geschaffen hat. Der Film wurde 2018 auf der 68. Berlinale und auf dem renommierten Buenos Aires Independent Film Festival ausgezeichnet und krönt eine Reihe von Projekten über den argentinischen-britischen Konflikt in verschiedenen Formaten, die Arias in den letzten Jahren erfolgreich ins Leben gerufen hat – darunter die Videoinstallation Veterans (2014), das Theaterstück Minefeld (2016) und das zweisprachige Buch Campo minado/Minefeld (2017).
Das Filmprojekt dokumentiert das soziale Experiment, ein künstlerisches Treffen ehemaliger Kriegsgegner mit unterschiedlichem Werdegang zu verwirklichen. Zu diesem Zweck nutzt die Regisseurin verschiedene Szenarien, in denen die Rekonstruktion von Erinnerungen stattfindet (u.a. eine Baustelle, die zugleich eine Ruine ist, ein Schwimmbad und eine argentinische Kaserne), und greift auf verschiedene Strategien zurück (u.a. Theater, Performance, Dialog, Ich-Erzählung, Interaktion mit Schauspielern). Auf diese Weise wechselt der Film zwischen Realität und Fiktion, Spontaneität und Drehbuch. Teilweise nimmt er sogar die Form einer Reality-Show an, beispielsweise als die Protagonisten (offen und so, als würden sie nicht gehört bzw. aufgenommen) darüber sprechen, wie sie sich während der Dreharbeiten fühlen; oder in Szenen wie denen, die in der Kaserne abspielen, in der die Intimität des Kasernenlebens es ermöglicht, Erfahrungen, Körpermerkmale (Narben, Tätowierungen), Wissen, Perspektiven und Erinnerungen quasi auf natürliche Weise auszutauschen.
Unter anderem aufgrund der Tatsache, dass es sich bei Argentinien um die besiegte Seite handelt, dass ein großer Teil der argentinischen Wehrpflichtige ohne militärische Ausbildung, angemessene Bewaffnung, geeignete Kleidung und ausreichende Versorgung an die Front geschickt wurde – und nicht zuletzt aufgrund der geringeren Beteiligung des modernen argentinischen Staates an den Kriegen des 20. Jahrhunderts –, wird der Malvinas-Krieg in der Erinnerungspolitik des südamerikanischen Landes stark thematisiert. Der Film gelingt es dennoch, die Perspektive zu öffnen und zu zeigen, dass sich die Traumata des Krieges nicht auf die eine Seite beschränken. Im Gegenteil vermag die Euphorie, mit der die britische Flotte nach dem Krieg empfangen und von der Regierung Thatchers opportunistisch instrumentalisiert wurde, die posttraumatische Belastung britischer Kriegsteilnehmer nicht zu verdecken.
Während sich die literarische und audiovisuelle Produktion der unmittelbaren Nachkriegszeit eher auf die technischen Aspekte des bewaffneten Konflikts konzentrierte und Filme der 2000er Jahre, wie beispielsweise Tristán Bauers Vom Feuer erleuchtet (2005), persönliche Erlebnisse vor allem der argentinischen Seite aus thematisieren, gelingt es Der Krieg in ihren Köpfen einen Schritt weiter, indem es nicht nur die britische Seite einbezieht, sondern auch dazu beiträgt, einen Raum für den Dialog zu schaffen. In diesem Sinne zählt zu den interessantesten Beiträgen des Filmes, ehemalige Kämpfer beiden Seiten zusammenzubringen und zu ermutigen, ihre Erfahrungen vor und nach dem Krieg auszudrücken und miteinander zu teilen.
Sowohl die Verständigungsprobleme, die sich daraus ergeben, dass keiner der Ex-Kämpfer die Sprache des anderen spricht, als auch das Bemühen, trotzdem zu kommunizieren, liefern Metaphern für die Unvereinbarkeit der gegensätzlichen Sichtweisen auf die Souveränität über die Inseln und stellen gleichzeitig die Existenz persönlichen Hasses außerhalb des Schlachtfeldes in Frage. Der mögliche Wunsch Arias‘, dies zum Ausdruck zu bringen, zeigt sich plakativ in der endgültigen Entscheidung, ob sie in bestimmten Szenen den Dienst von Dolmetscher in Anspruch nahm oder nicht. In diesem Kontext zeigen auch Szenen, in denen die Musik eine führende Rolle spielt, ihre Macht als genuiner Raum für Interaktion. Dies wird besonders in zwei Szenen deutlich: zum einen in der Szene, die sich in einer Diskothek abspielt und die man eher als lustig bezeichnen könnte. Zum anderen in einer weiteren Szene, in der fünf der sechs Protagonisten einen kraftvollen Grunge à la manière d‘ Neil Young aufführen. Ungeachtet des flüchtigen Charakters dieser musikalischen Begegnung – welche nicht der Anspruch erhebt, etwa ein Projekt von der Größenordnung des aus israelischen und arabischen bestehendem West-Eastern Divan Orchestra zu sein –, gelingt es jedoch der Szene, gemeinsame Anknüpfungspunkte zu betonen – in diesem Fall das Nachkriegstrauma und das Bedürfnis, es auszudrücken.
Ein weiterer, mehr als interessanter Aspekt des Films hat mit dem Format zu tun, das nicht nur die Überwindung der durch die Logik des Krieges auferlegten Grenzen (zwei gegnerische Seiten) erreicht wird, sondern auch durch die Verwendung formaler Aspekte, die dieser Filmproduktion über die klassischen Dokumentarfilmformate hinausgehen lassen (personalisierte Interviews, Rückgriff auf Experten oder Archivbilder usw.) und sich somit nicht auf ein Fachpublikum beschränken. Neben eher technischen Aspekten wie der Positionierung der Kamera oder der Einbeziehung des Zufalls greift Arias auf theatralische und performative Strategien zurück, die die Erzählung dynamisieren und bevorzugte kommunikative Verbindungen zu den ZuschauerInnen herstellen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass – wenn man Teatro de guerra im Rahmen der historisch-künstlerischen Produktion über den Malvinas/Falklands-Krieg betrachtet – der Film von Lola Arias einen sehr originellen, gelungenen Beitrag darstellt, und einen Schritt weiter geht, indem er britische und argentinische Ex-Kämpfer zusammenbringt und auf Treffpunkte fokussiert – ohne jedoch die Existenz eines anderen Konflikts herunterzuspielen, der historische Wurzeln hat und auf diplomatischem Wege gelöst werden muss. Der Film beweist, wie es durch die Kunst – und nicht zuletzt dank dem Engagement und dem Mut seiner Protagonisten – möglich ist, die Malvinas/Falklands-Frage neue Gesichtspunkte zu entlocken, indem die Spreu vom Weizen getrennt wird. Am kommenden 2. April wird in Argentinien den 40. Jahrestag des Kriegsbeginns, der Tag der Veteranen und Gefallenen des Malvinas-Krieges, begangen.
Teatro de guerra – Der Krieg in ihren Köpfen
Regie: Lola Arias
Argentinien/Spanien 2018, 76 Min.
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Bildquelle: [1, 2] Snapshot-SWR