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Der Erzabbau in Peru (Teil 1)

Sven Schaller | | Artikel drucken
Lesedauer: 11 Minuten
Peru - Der Erzabbau in Peru1 (774 Downloads )

Eine Analyse aus Akteursperspektive

Rohstoffexporte in Form von Öl (Venezuela), Gas (Venezuela, Bolivien) und Mineralien (Peru, Bolivien) stellen eine bedeutende, in vielen Ländern Lateinamerikas sogar die wichtigste Devisen-Einkommensquelle dar. In Peru betrug beispielsweise im Jahr 2004 der Anteil der Einkommen aus dem Export von Mineralien mit 6.953,1 Millionen mehr als 50 Prozent der Gesamtexporteinkommen in Höhe von 12.616,9 Millionen US-Dollar.[1]

Oft wird angesichts dieser Tatsache postuliert, die Entwicklung der peruanischen Wirtschaft hänge weitestgehend von diesen Exporten und von der Entwicklung der Preise der Rohstoffe auf dem Weltmarkt ab. Da aber nur ein kleiner Teil der aktiven Erwerbsbevölkerung in den Rohstoff-Exportsektoren beschäftigt ist[2], scheint es angebrachter zu sein, von der fiskalischen Entwicklung des Landes zu sprechen, auch wenn die sich aus dem Export der Rohstoffe ergebenden makroökonomischen Phänomene wie dutch disease und terms-of-trade[3] nicht völlig ignoriert werden dürfen.

Da der Staat Peru auf die Devisen aus dem Rohstoffexport zur fiskalischen und nach Umverteilungen der Einnahmen zur sozialen Entwicklung angewiesen ist, wird in diesem Aufsatz untersucht, inwieweit er als Nutzniesser der Ausbeutung der im Land vorhandenen Ressourcen angesehen werden kann. Das Kernargument lautet, dass paradoxerweise nicht der Staat (in institutioneller Form die Zentralregierung) und damit der Souverän, entgegen den Verlautbarungen der Unternehmen nicht einmal die Bevölkerung im Fördergebiet der Rohstoffe, vom Abbau und Export der Erze profitieren. Wie einige empirische Daten zeigen, sind es vielmehr die großen internationalen Bergbauunternehmen, die Profite aus dem peruanischen Boden ziehen – und eine fiskalische Entwicklung des Landes behindern.

Um den Handlungsspielraum der Zentralregierung und die Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebenssituation der armen Bevölkerungsteile zu erhöhen, scheinen als wichtigste Konsequenz der Analyse Neuverhandlungen der Kontrakte zur Ausbeutung der Ressourcen wie zuletzt in Bolivien im Gassektor dringend geboten zu sein.

Der Aufsatz ist wie folgt gegliedert: Im ersten Teil werden empirische Daten zur Produktion und zum Export von mineralischen Rohstoffen in Peru gegeben und in einem zweiten Unterkapitel die Einnahmen aus der Produktion und dem Handel der Rohstoffe auf dem Weltmarkt für die wichtigsten Unternehmen in diesem Sektor widergegeben.

Der zweite Teil beginnt mit einer Analyse der Einnahmen aus der Erzproduktion der privatwirtschaftlichen Unternehmen für die Zentralregierung (Förderzinsen/regalías). Im anschließenden Abschnitt werden die Folgen der Extraktion der Ressourcen auf die lokale Bevölkerung anhand eines Beispiels aufgezeigt. Das letzte Unterkapitel fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen und nennt mögliche politische Implikationen.

Produktion und Export von Erzen in Peru

Peru ist einer der bedeutendsten Produzenten von mineralischen Rohstoffen weltweit. Beispielsweise liegt das Land an erster Stelle bei der globalen Silberproduktion, jeweils an dritter Stelle bei der Zink- und Zinnproduktion, jeweils an vierter Stelle bei der Kupfer- und Bleiproduktion, an fünfter Stelle bei der Goldproduktion und an 17. Stelle bei Eisenerz.[4]

Wie die Tabelle 1 zeigt, wurden im Jahr 2004 mehr als 173 Tonnen Gold, 3000 Tonnen Silber, 300.000 Tonnen Blei, jeweils mehr als eine Million Tonnen Zink und Kupfer sowie fast 4,5 Millionen Tonnen Eisenerz gefördert.

Tabelle 1: Erzproduktion in Peru (2004)

Erz Produktion Wert Platz in der Welt
(in t) (in Mio. $)
Kupfer 1.035.575,0 2446,0 4
Gold 173,2 2383,1 5
Silber 3.059,8 260,2 1
Blei 306.211,0 389,1 4
Zink 1.209.006,0 576,8 3
Zinn 41.613,0 350,7 3
Eisen 4.315.129,0 128,4 17

Quelle: INEI (2005)

 

Obwohl vereinzelt über zunehmende Aktivitäten von freien Bergleuten, vor allem bei der Goldsuche, berichtet wird, spielt der Kleinbergbau dennoch nur eine untergeordnete Rolle. Bei Gold macht er zum Beispiel weniger als zehn Prozent der Gesamtproduktion aus, bei Silber gar nur zwei Produzent. Trotz der unbekannten Dunkelziffer bei der Schürfung dieser beiden Minerale deutet dennoch alles darauf hin, dass der Bergbau in Peru von großen Unternehmen dominiert wird. Denn die anderen genannten Erze werden fast vollständig durch große Bergbauunternehmen mit mehr als 2000 Hektar Ausdehnung gefördert.[5]
Der Wert der Exporte der Erze belief sich im Jahr 2004 auf 6.953,1 Millionen US-Dollar. Kupfer mit 35,2 Prozent und Gold mit 34,3 Prozent am Gesamtwert der Bergbauprodukte stellen mit Abstand die beiden wichtigsten Minerale dar. Der Anteil des Wertes von Zink (8,3 Prozent), Blei (5,6 Prozent) und Zinn (5,0 Prozent) bleibt dagegen marginal. Auch Eisen ist gemessen am Wertanteil mit 1,8 Prozent eher unwichtig.[6]

Einkommen aus der Erzproduktion für den Privatsektor

Im Folgenden wird untersucht, wie sich der Wert der Exporte zwischen den Akteuren aufteilt und wie unterschiedlich ausländische Firmen und der peruanische Staat von der Erzförderung und den Rohstoffexporten profitieren. Aus Platzgründen sollen in die Analyse nur die zehn wichtigsten Firmen eingehen.

Grafik 1: Die größten Kupfer-Unternehmen in Peru (gemessen an deren Produktion)

Die größten Kupfer-Unternehmen Perus - Grafik: Ministerio de Energía y Minas

Quelle: Ministerio de Energía y Minas (2004), S. 16.

 

Aufgrund des hohen Anteils am Gesamtwert der Erzproduktion kommt der Kupferförderung eine herausragende Rolle zu. Eine der bedeutendsten Firmen Perus und eines der zehn größten privaten Kupfer-Bergbau-Unternehmen der Welt ist die Southern Peru Copper Corporation (SPCC) mit Sitz in Delaware/USA. Der Betriebsgewinn aus dem Kupfer- und Molibden-Abbau in Peru betrug im Jahre 2004 916 Millionen US-Dollar, der Nettogewinn 597 Millionen US-Dollar.[7]

Die drittgrößte Kupfer-Mine weltweit und der Weltmarktführer im kombinierten Kupfer-Zink-Abbau ist im Besitz der bedeutendsten Bergbau-Unternehmung Perus, der Companía Minera Antamina S.A. Sie gehört zu je 33,75 Prozent der schweizerischen Xstrata und der australischen BHP Billiton, zu 22,5 Prozent der kanadischen Teck-Cominco und zu zehn Prozent der Mitsubishi-Corporation. Der Betriebsgewinn von Antamina, in den neben der Kupfer- und Zinkproduktion auch bedeutende Nebeneinkommen aus dem Silber- und Molibden-Abbau einflossen, belief sich 2004 auf zirka 818 Mio Dollar.[8]

Die drittgrößte Kupfer-Mine Perus, Tintaya, war im Jahr 2004 ebenfalls im Besitz der australischen BHP Billiton. Obwohl der größte Kupferproduzent weltweit den Gewinn für das Projekt Tintaya in der Bilanz der Muttergesellschaft nicht einzeln ausgewies, läßt er sich näherungsweise kalkulieren. Bei durchschnittlichen Produktionskosten von 0,45 US-Dollar per Pfund für alle Kupfer-Produktionsstätten von BHP und einem Weltmarktpreis von Kupfer von im Durchschnitt 1,06 US-Dollar pro Pfund [9] ergibt sich für Tintaya ein Gewinn von ungefähr 160 Millionen US-Dollar. 2006 wurde die Mina für 750 Millionen US-Dollar an den schweizerischen Konkurrenten Xstrata verkauft.

Die US-amerikanische Firma Phelps Dodge, einer der wichtigsten Kupferförderer in der Welt, ist ebenfalls in Peru vertreten. Sie kontrollierte 2004 82,5 Prozent der Aktien an der Sociedad Minera Cerro Verde S.A.A. 9,2 Prozent der Aktien waren im Besitz der Minas Buenaventura S.A.[10] Die Ausbeutung der Mine Verde ergab für Phelps Dodge einen operativen Gewinn von 130 Millionen US-Dollar.[11] Der Gesamtgewinn für die Minera Verde S.A.A., unter Beachtung von 17,5 Prozent Fremdanteilen, läge somit bei schätzungsweise 152,8 Millionen US-Dollar.

Grafik 2: Die größten Gold-Unternehmen in Peru (gemessen an deren Produktion)

Die größten Gold-Unternehmen Perus - Grafik: Ministerio de Energía y Minas

Quelle: Ministerio de Energía y Minas (2004), S. 18.

 

Als zweiter überaus bedeutender Rohstoff nach Kupfer gilt Gold. Der Abbau dieses Minerals wird zu über 50 Prozent von der Minera Yanacocha S.R.I dominiert. Sie ist zu 51,35 Prozent im Besitz des weltweit größten Goldproduzenten, der Newmont Mining Corporation mit Sitz in Denver/USA. 43,65 Prozent werden von der Compañía de Minas Buenaventura kontrolliert (siehe unten). Die restlichen fünf Prozent der Anteile hält die International Finance Corporation (IFC), ein Ableger der Weltbank.[12] Die Mine Yanacocha produzierte jährlich fast drei Millionen Unzen Gold. Wird der durchschnittliche Weltmarktpreis von 410 US-Dollar pro Unze[13] zugrunde gelegt und Amortisationen eingeschlossen, die die Gesamtproduktionskosten auf 210,6 US-Dollar pro Unze erhöhen[14], dann läge der Profit bei etwa 580 Millionen US-Dollar.

Der zweitgrößte Goldproduzent in Peru ist die Companía Barrick Misquichilca S.A., eine Tochtergesellschaft der kanadischen Barrick Gold Corporation. Die Pierina-Mine (Misquichilca) produzierte 646.000 Unzen zu einem Gesamtgestehungspreis von durchschnittlich 271 US-Dollar pro Unze.[15] Auch wenn von der Barrick Gold Corporation der Gewinn für die Peru-Tochter nicht separat ausgewiesen wurde, ergibt sich anhand der Produktionskosten und einem durchschnittlichen realisierten Goldpreis von 391 US-Dollar pro Unze[16] ein Gewinn von zirka 77,5 Millionen US-Dollar.

Grafik 3: Die größten Silber-Unternehmen in Peru (gemessen an deren Produktion)

Die größten Silber-Unternehmen Perus - Grafik: Ministerio de Energía y Minas

Quelle: Ministerio de Energía y Minas (2004), S. 22.

 

Die Compañía Minera Ares S.A.C. (Arcata), die im Ranking der bedeutendsten Gold- und Silberproduzenten Perus jeweils an dritter Stelle steht, gehört zur Gruppe Hochschild, eine der reichsten Familien Perus. Dieses auf die Produktion von Edelmetallen spezialisierte Unternehmen (im Untertagebau) verzeichnete für 2004 einen Gewinn vor Steuern und Zinsen von 54,2 Millionen US-Dollar.[17]

Ein weiteres wichtiges Bergbauunternehmen im Gold-, aber auch im Zink-, Blei- und Silber-und Kupfer-Sektor, ist die bereits erwähnte Compañía de Minas Buenaventura S.A.A. Sie befindet sich zu 27,28 Prozent im Besitz der Familie Benavides. 20,43 Prozent kontrollieren die Direktoren und Geschaftsführer als Gruppe, 6,3 Prozent Merrill Lynch Investment Managers Ltd. und 3,64 Prozent Merrill Lynch IIF – World Gold Fund. Das ausgewiesene operative Einkommen betrug 2004 170,7 Millionen Nuevos Soles (50,1 US-Dollar). Unter Beachtung von Beteiligungen an angeschlossenen Unternehmen belaufen sich die Gesamt-Nettoeinkommen auf 680,1 Millionen Nuevos Soles[18] (199,5 Millionen US-Dollar).

Grafik 4: Die größten Zink-Unternehmen in Peru (gemessen an deren Produktion)

Die größten Zink-Unternehmen in Peru - Grafik: Ministerio de Energía y Minas

Quelle: Ministerio de Energía y Minas (2004), S. 20.

 

Bedeutend niedriger fallen die Gewinne bei Unternehmen, die andere Minerale abbauen, aus. Die Volcán Compañía Minera S.A.A., beispielsweise, führender Produzent Perus bei Zink, Blei und Silber verzeichnete 2004 einen Gewinn von 71,7 Millionen Nuevos Soles[19] (21 Millionen US-Dollar). Die Minera Atacocha, zweitgrößter Bleiförderer und unter den zehn größten Firmen Perus bei der Förderung von Zink, Silber und Kupfer, erzielte Netto-Einkünfte in Höhe von 56,8 Millionen Nuevos Soles[20] (16,6 Millionen US-Dollar).

Die Eisenproduktion wurde bestimmt von der chinesischen Shougang Hierro Peru S.A.A. Sie produzierte im Jahr 2004 fast 4,5 Millionen Tonnen Eisen. Der Nettogewinn belief sich auf 70,2 Millionen Soles (21,6 Millionen US-Dollar).

Werden die in Peru generierten Gewinne der aufgelisteten Firmen akkumuliert, ergibt sich für 2004 ein Profit von mindestens 3000 Millionen US-Dollar. Die Frage ist nun, ob das Firmenmotto von Newmont Mining “Create Value With Every Ounce”[21] auch für die peruanische Volkswirtschaft gilt und inwiefern Peru vom Abbau seiner Erzressourcen profitiert.

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[1] Vgl. INEI (2005), S. 540; vgl. Ministerio de Energía y Minas (2004), S. 13 und S. 39.
[2] In der größten Kupfer-Zink-Mine der Welt, die sich im Besitz der Compañía Minera Antamina S.A. befindet, sind beispielsweise nur 1433 Arbeiter beschäftigt, die mehr als 370.000 Tonnen Kupfer (2004) produzieren [vgl. Compañía Minera Antamina S.A.].
[3] Vgl. Schuldt (2004a) und (2006).
[4] Vgl. U.S. Geological Survey.
[5] Vgl. dazu die offiziellen Daten zur Höhe der Produktion des Kleinbergbaus in INEI (2005), S. 533. Warum die Statistiker die flächenmäßige Ausdehnung der Unternehmung statt beispielsweise deren Produktion oder Umsatz wählten, bleibt unklar.
[6] Eigene Berechnungen nach INEI (2005), S. 540.
[7] Vgl. Southern Peru Copper Corp. (2004), S. 6 und S. 11.
[8] Eigene Berechnungen nach den Angaben der Teckcominco Corp.
[9] Vgl. BHP Billiton (2004), S.14-15.
[10] Vgl. Phelps Dodge (2004), S. 4. Phelps Dodge besaß zudem 14 Prozent der Aktien an der Southern Peru Copper Corporation.
[11] Vgl. Phelps Dodge (2004), S. 58.
[12] Vgl. Minera Yanacocha S.R.I.
[13] Vgl. Newmont Mining Corporation (2004a), S. 3.
[14] Vgl. ebd., S. 28.
[15] Vgl. Barrick Gold Corporation (2004), S. 24. Durch die kombinierte Silberförderung lagen die Kapi- talkosten mit 106 US-Dollar pro Unze um die Hälfte niedriger als der konzerninterne Durchschnitt. Allerdings erhöhen sich die Gesamtproduktionskosten wegen hohen Amortizationen von 165 US- Dollar pro Unze auf den ausgewiesenen Betrag [vgl. ebd. und S. 39].
[16] Vgl. ebd. (2004), S. 1.
[17] Vgl. Hochschild Mining PLC.
[18] Vgl. Compañía de Minas Buenaventura S.A.A. (2005), S. 62.[19] Vgl. Volcán Compañía Minera S.A.A. (2004), Executive Summary, S. 6.
[20] Vgl. Compañía Minera Atacocha (2004a).
[21] Vgl. Newmont Mining Corporation (2004), S. 11.

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Grafiken: Ministerio de Energía y Minas (2004)

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