Konflikte um Gold und Wasser
In Peru ist der Krieg zwischen der Regierung und dem maoistischen Leuchtendem Pfad (Sendero Luminoso) seit 1992 weitgehend [2] beendet. Allerdings gibt es in dem Land in den letzten Jahren immer wieder Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und der lokalen Bevölkerung. Diese finden zumeist in Regionen statt, in denen Rohstoffe abgebaut werden. Gegen die schädlichen Folgen der Bergbauaktivitäten wehren sich vielerorts die ansässigen Bauern und Indigenen mit Blockaden und Demonstrationen.
Peru hat in den letzten Jahren ein beachtliches Wirtschaftswachstum zu verzeichnen. Dieser Boom ist vor allem auf die Rohstoffexporte des Landes zurückzuführen. Eisen, Zink, Kupfer, Silber und Gold werden in großen Mengen ausgeführt. Das Land gehört damit zu den wichtigsten Rohstoffexporteuren der Region, was sich in der Zuteilung von Land an die Konzerne niederschlägt. „In Peru sind 20 – 22% des Landes an Bergbaufirmen und zwei Drittel des Amazonasgebietes an Erdölfirmen konzessioniert. Daneben gibt es weitere Konzessionen zum Holzeinschlag und Monokulturplantagen für die Palmölgewinnung“, so beschreibt Sandi El Berr, die seit vier Jahren für das Instituto de Defensa Legal in Lima arbeitet, die Lage in den ländlichen Gebieten Perus.
Die Zuteilung von Territorien für den Ressourcenabbau erfolgt ohne die vorherige Konsultation der ansässigen Bevölkerung, wie dies in der Deklaration 169 der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von 1989 festgeschrieben wurde. In Peru gilt diese Deklaration seit 1995. Allerdings werden die gesetzlichen Bestimmungen über die Rechte der Indigenen kaum beachtet, genauso wie Bestimmungen zum Umweltschutz. Dies gilt auch in der Region Amazonas am Rio Cenepa im Gebiet der Cordillera del Condor, um das 1995 noch ein Krieg zwischen Ecuador und Peru ausgebrochen war. Hier erklärte die ODECOFROC (Organización de Desarrollo de las Comunidades Nativas Fronterizas del Cenepa), der Dachverband der Awajun und Wampis, ihr Territorium zu einem Naturschutzgebiet, um es vor dem Holzeinschlag zu schützen.
„Der Park wurde leider nur auf der Hälfte des vorgesehenen Territoriums gegründet, auf der anderen Hälfte wurden bereits Bergbaukonzessionen vergeben, und es haben auch bereits erste Explorationen begonnen“, führt El Berr aus.
Die Indigenen wehren sich gegen die Bergbaukonzerne nach Kräften. Vertreter der Minenbetreiber werden festgesetzt und aus dem von Indigenen beanspruchten Gebiet ausgewiesen. Darüber hinaus versuchen die Indigenen, durch die Arbeit auf politischer und juristischer Ebene, ihr Territorium zu verteidigen. Auch die Öffentlichkeitsarbeit ist Teil ihres Engagements gegen den Ressourcenabbau auf ihrem Gebiet. Straßenblockaden oder Massenproteste – von anderen indigenen Organisationen als Protestform oft genutzt – werden von der ODECOFROC kaum angewandt. Dafür ist die Region zu dünn besiedelt, und die Hauptverkehrswege sind Flüsse und Wanderwege.
Ein Teilerfolg in den Anden
Auch im andinen Hochland werden seit Jahrhunderten Ressourcen ausgebeutet. Der Reichtum der Inka machte Städte wie Cuzco oder das im heutigen Bolivien gelegene Potosí über die Grenzen der Region hinweg berühmt. Die lokale Bevölkerung profitierte jedoch kaum von den geförderten Reichtümern.
Aktuell beuten zumeist nordamerikanische Konzerne die Ressourcen der Region aus. In den 1990er Jahren wurde in der Provinz Cajamarca, die im Norden des Landes liegt, die Mine Yanacocha eröffnet, die größte Goldmine in Lateinamerika, die sich in Besitz von Newmont (USA) und Buenaventura (Peru) befindet. Sie wird demnächst ihren Betrieb einstellen, denn die dortigen Goldvorkommen sind erschöpft. Eben aus diesem Grund versuchen die Betreiber, eine zweite Mine, Minas Conga, in Betrieb zu nehmen.
Der Abbau der Ressourcen ist problematisch, denn er wird mit Hilfe von giftigem Zyanid durchgeführt. Das Gold wird vom Gestein getrennt und abgebaut, zurück bleiben das kontaminierte Gestein und der Schwermetallschlamm. Das Zyanid belastet vor allem das Trinkwasser in der Region Cajamarca. Es ist knapp und zudem stark verseucht. Die Bevölkerung spürt seit Jahren die schädlichen Folgen des Ressourcenabbaus und setzt sich aus diesem Grund entsprechend stark gegen ihn zur Wehr.
Als die Proteste im November 2011 begannen, beteiligten sich allein in Cajamarca 50.000 Personen, in weiteren Orten wurde ebenfalls demonstriert. Die Proteste gingen u.a. von der Frente de Defensa Ambiental de Cajamarca sowie von der Frente de Defensa Regional aus. Diese vernetzten sich auf nationaler Ebene mit weiteren Organisationen, die sie ideell und materiell unterstützten.
Aber auch die in den 70er Jahren gegründeten Rondas Campesinas, die sich für Infrastrukturmaßnahmen und die öffentliche Sicherheit einsetzen, beteiligten sich. Diese Bewegung ist nicht mit den paramilitärischen Bürgerwehren in anderen Landesteilen zu verwechseln, die von der Regierung gebildet wurden, um gegen den Sendero Luminoso zu kämpfen, erklärt Jorge Rodríguez, Aktivist und Student der Agrarwissenschaften aus Cajamarca. Entscheidungen würden in Versammlungen gefällt, dabei werde viel Wert auf eine breite Beteiligung der Bevölkerung gelegt. Wichtigste Protestform der Bewegung seien Straßenblockaden oder Mobilisierungen. Das vorrangigste Ziel sei derzeit die Verhinderung der Expansion der Minenindustrie in der Region.
„Die Rondas waren bei den letzten Protesten und dem Rückzug der Minenbetreiber sehr wichtig“, unterstreicht er. Aber auch über die Provinz Cajamarca hinaus ist die Mobilisierung der Bauern auf Resonanz gestoßen. „Beispielsweise gab es in Lima im Februar 2012 einen Marsch für das Wasser, der als Solidaritätskundgebung mit den Menschen von Cajamarca gedacht war“, betont Rodríguez. In der ganzen Region zeichnet sich eine Solidarisierung mit den Protestierenden ab. Nicht nur die betroffenen Bauern gehen auf die Straße, sondern auch die Stadtbewohner beteiligen sich.
„Als 2012 der Ausnahmezustand ausgerufen wurde, versorgten die Stadtbewohner die Demonstranten, die in der Gegend von Conga die Bergseen vor dem Eindringen durch den Minenkonzern schützten, mit Decken, Zelten und Nahrung. Als die Region militarisiert wurde, weigerten sich viele Geschäfte, den Soldaten aus Protest gegen diese Regierungsmaßnahme Wasser zu verkaufen“, berichtet Anne Bernhardt, Ökologin und Aktivistin, die seit einem Jahr in Cajamarca arbeitet.
In der Hauptstadt reagierten Politiker und die Presse sehr negativ auf die Mobilisierung. „Sie bezeichneten die Demonstranten als Terroristen. Aber diese so genannten Terroristen waren Mönche, Kinder, Hausfrauen oder Studenten“, meint Bernhardt.
Eine Lange Geschichte des Protests
„Seit der Zeit der Kolonisierung durch die Spanier gibt es hier Gruppen, die bestimmte Rechte einfordern“, konstatiert Jorge Rodríguez. Seit Mitte des vorigen Jahrhunderts sind vor allem die Bauernbewegung sowie die Bewegung der Rondas Campesinas, die in den 70er Jahren entstand, zu nennen. In der Phase der 1970er, hebt er hervor, wurde eine Landreform durchgeführt, die die Bauern erstmals zu Staatsbürgern mit Rechten machte. „Im Zusammenhang mit der Landreform kann von einem ‚Davor‘ und einem ‚Danach‘ gesprochen werden. Nach der Landreform hatten die Bauern gewisse Rechte, während vorher Großgrundbesitzer ihr Leben bestimmten“, erklärt der Aktivist aus Cajamarca.
Die Mobilisierungen der Gegenwart haben indes durchaus Wirkung gezeigt. So konnten die Demonstranten bis auf weiteres die Inbetriebnahme der Mine von Congas verhindern. Auch auf politischer Ebene hatte der Protest Konsequenzen: „Der damalige Premierminister Salomon Lerner weigerte sich, die Politik der Militarisierung und des Ausnahmezustandes mitzutragen und trat schließlich zurück. Sein Nachfolger, Oscar Valdez, schlug den Protestierenden gegenüber hingegen eine harte Gangart ein, scheiterte jedoch auch“, berichtet Anne Bernhard. Die Protestierenden haben also, über das Moratorium für die Ausbeutung der Mine Conga hinaus, in der Hauptstadt zwei Kabinette zu Fall gebracht.
Zur Sicherung ihres temporären Erfolgs haben die Rondas Campesinas so genannte Lagunenwächter (Guardianes de las Lagunas) gebildet, um ein illegales Vordringen der Minenkonzerne zu verhindern. Diese Lagunenwächter sind permanent an den Bergseen, die Teil der Mine werden sollen, positioniert. Sie melden jedes Eindringen seitens der Konzerne und organisieren in kurzer Zeit über das lokale Radio, Fernsehen und Internet eine Blockade. Die Minenbetreiber haben durch die Mobilisierung somit an Spielraum eingebüßt:
„Sie können nicht irgendwas heimlich machen. Das konnten sie früher, jetzt geht es nicht mehr. Die lokale Presse ist sehr gut vernetzt. Auch werden bei Straßenblockaden Informationen weitergegeben, so dass, wenn das Militär anrückt, die Demonstranten die Blockade kurzfristig räumen. Zieht das Militär dann unverrichteter Dinge wieder ab, wird die Straßenblockade wieder errichtet“, führt Bernhard aus.
Zwischen Druck und Teilerfolgen
Die beschriebenen sozialen Bewegungen handeln in sehr unterschiedlichen Szenarien. Die ACIN behauptet sich seit Jahrzehnten auf einem „Resguardo“ genannten Territorium gegen die Angriffe der kolumbianischen Guerilla, der Paramilitärs, der Drogenhändler und der staatlichen Sicherheitskräfte. Allzu oft geraten ihre Aktivistinnen und Aktivisten, die das von ihnen beanspruchte Land ohne Waffen und nur mit einem Stab [3] schützen, zwischen die Fronten. Die Bevölkerung hat für die Mobilisierung einen hohen Blutzoll entrichtet, setzt jedoch den Widerstand fort.
Auch in Peru sind die Bewegungen, die sozioökologische Forderungen formulieren, staatlicher Repression und nicht zuletzt einem gewissen Unverständnis seitens der Öffentlichkeit ausgesetzt. Peru hat in den letzten Jahren zweistellige Wachstumsraten zu verzeichnen, die maßgeblich durch den Ressourcenexport zustande kommen. Gegen diese Politik zu opponieren, stößt in der Öffentlichkeit z.T auf Unverständnis. Der ehemalige Präsident Alan García hat sich in diesem Zusammenhang sehr drastisch geäußert.
Trotz der verschiedenen Schwierigkeiten, die von physischer Bedrohung bis zur öffentlichen De-legitimierung reichen, ist nicht damit zu rechnen, dass die Bewegungen, die sich ökologische Themen auf die Agenda gesetzt haben, in näherer Zukunft einfach verschwinden werden. Die Konsequenzen des Ressourcenabbaus sind in den Abbaugebieten zu gravierend, um eine schnelle und geräuschlose Demobilisierung dieser Gruppen zu erwarten. Andererseits sind die Gewinnerwartungen aus dem Geschäft mit Rohstoffen nach wie vor sehr hoch. Somit werden in logischer Konsequenz die Konzerne und Regierungen die Forderungen der Bewegungen nicht erfüllen. Weitere Konflikte um Land, Wasser, Wälder und Berge sind deshalb in den meisten Ländern der Region zu erwarten.
————————————-
[2] Immer wieder wird aus dem Südosten Perus von Kämpfen zwischen Regierungstruppen und kleineren Einheiten der Gruppe berichtet, die sich dort reorganisiert haben und im Drogenhandel aktiv sein sollen.
[3] Die Nasa tragen den bastón de mando, der ihre herausgehobene Position innerhalb der Gemeinde verdeutlichen soll. Auf diese Autorität gestützt, reklamieren sie die Neutralität den Kriegsparteien gegenüber.
————————————-
Den ersten Teil des Beitrags finden Sie hier.
————————————-
Bildquellen: [1], [2] Quetzal-Redaktion, ssc; [3] Asociación Interétnica de Desarrollo de la Selva Peruana_