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Dieses schöne Scheißleben: Ein Film von Doris Dörrie über weibliche Mariachis

Gabi Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

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Der Filmtitel klingt irgendwie sehr gewollt. Aber was soll‘s, „Dieses schöne Scheißleben“ ist einem dieser schwer sentimentalen und pathetischen Lieder entlehnt, wie sie die mexikanischen Mariachikapellen zu spielen pflegen. Die Plaza Garibaldi ist das Zentrum dieser Kapellen in der mexikanischen Hauptstadt. Der Touristenmagnet ist auch immer wieder Handlungsort dieses Films. Regisseurin Doris Dörrie vermeidet in ihrer Dokumentation aus dem Jahr 2014 insofern das „Mariachi-Klischee“, als sie ausschließlich weibliche Musiker vorstellt. Frauen sind unter den Mariachis nicht gerade die Regel, reine Frauenensembles sowieso. Der Film vermittelt mitunter den Eindruck, als seien sie in diesen Formationen absolute Exoten. Aber das ist nicht ganz richtig, weibliche Mariachis gibt es schon lange, und sie haben sich etabliert. Das beweisen nicht zuletzt die Heldinnen dieses Films, die sehr selbstverständlich und selbstbewusst von ihrer Arbeit berichten.

Der Film stellt zwei Musikerinnen und eine Banda vor: die Geigerin Guadelupe Aguilar (Lupita) von den Estrellas de Jalisco, die Sängerin María del Carmen und Las Pioneras de México. Das kann man zumindest dem Abspann entnehmen, im Film selbst bleiben die Frauen leider anonym, sie werden nicht vorgestellt. Die Damen von Las Pioneras de México sind im Übrigen weibliche Pioniere des Mariachi, sie stehen seit 50 Jahren auf der Bühne und sind offensichtlich bis heute sehr populär.

So unterschiedlich die Protagonistinnen in Alter und sozialer Stellung auch sein mögen, sie eint ihr Selbstbewusstsein und der Stolz auf ihren Beruf. Das Mariachi-Leben ist hart, nicht nur für Frauen. Die Kapellen spielen – mit viel Glück – auf Hochzeiten, Quinceañeras, Beerdigungen, und sie bieten ihre Musik wie Straßenhändler auf der Plaza Garibaldi an. „Die Fiesta ist vorbei, die Plaza wartet auf uns“, heißt es einmal im Film. Frauen müssen sich zusätzlich noch gegen übergriffige Männer verteidigen oder gegen dümmliche Vorwürfe, dass sie in einer Mariachi-Kapelle nichts zu suchen hätten. Und sie haben sich natürlich um ihre Familien zu kümmern, weshalb es nicht ungewöhnlich ist, dass sie nach ihrer Heirat aus dem Beruf aussteigen oder ihn zumindest einschränken. Vollzeit-Mariachi können eigentlich nur die Männer sein. Aber dergleichen ist zweifelsohne kein genuin mexikanisches Problem.

So schwer der Beruf auch ist, die weiblichen Mariachis brauchen ihn nicht nur des Gelderwerbs wegen. Er ist „eigentlich eine Therapie, aber ohne Psychologen“, er gibt  ihnen Momente, die sie nicht missen möchten. Dieser Beruf gibt ihnen Bestätigung. Und selbst die mit ihrem Leben offensichtlich nur wenig zufriedene María del Carmen bereut nicht ihre Berufswahl, sie meint wohl eher, dass sie ihr Talent auf der Plaza Garibaldi vergeudet. Vor allem bei ihr und Lupita hätte ich mir ein gezielteres Nachfragen gewünscht, wieso dieses „Scheißleben“, in das die Musikerinnen vor der Kamera Einblick gewähren, für sie trotzdem schön ist.

In der letzten Viertelstunde droht der Film, dann doch noch im Klischee zu versinken. Da geht es um den Día de los muertos, den berühmten Tag der Toten. Für Mariachis ist dieser Tag ein wichtiger Arbeitstag, die Bandas spielen auch auf den Friedhöfen. Der Film vermittelt allerdings nur ansatzweise, welch harte Arbeit das ist. Denn auch wenn uns der Tag der Toten als ein fröhliches Fest erscheint, so ist es sicherlich alles andere als lustig, am Grab eines Kindes zu spielen. Leider vermengt der Film den Día de los muertos und den recht neuen Kult um La Santisima Muerte miteinander und erweckt so den Eindruck, als gehöre das eine zum anderen. Selbst Enriqueta Romero, die „Erfinderin“ des Kults, bekommt ihren Auftritt im Film, wenn auch – wie alle auftretenden Personen – ohne Namensnennung. Der Sinn dieser Passagen erschließt sich mir nicht, vielleicht ist ja Doris Dörrie einfach dem scheinbar so lockeren Umgang der Mexikaner mit dem Tod erlegen.

Aber davon abgesehen: „Dieses schöne Scheißleben“ zeigt emanzipierte Frauen, die wissen, was sie können und es für selbstverständlich halten, das auch unter Beweis zu stellen. Und man kann der selbstbewussten alten Dame von den Pioneras nur zustimmen: Frauen können alles erreichen.

 

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Dieses schöne Scheißleben

Deutschland 2014

Regie: Doris Dörrie

Der WDR zeigt den Film am 15. Februar 2017, 23.25 Uhr

 

Bildquelle: schnapshot

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