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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Diego Araujo: Feriado

Laura Wägerle | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

„Ist es die Stadt, die Kopf steht – oder ich?“ – Ecuadorianisches Stadt-Land-Melodram

Juan-Pi schaut drein, als hätte er den gesamten Geschlechterzirkus einfach satt. Er bleibt auf den Wunsch seiner Eltern hin über die Faschingswoche bei seinen Cousins und Cousinen auf dem Anwesen des Onkels. Keiner der Jugendlichen übersteigt die 17 Jahre, und so blubbern die Hormone fröhlich vor sich her. Und er, Juan-Pi, der eigentlich Juan Pablo heißt, ist anders. Auf der Karnevals-Feier wird getrunken, geraucht und geschäkert; „La Flaca“, die Freundin seiner Cousine, möchte ihn gerne verführen, doch Juan-Pi lehnt ab und raucht stattdessen seine erste Zigarette mit ihr.

gesehen_feriado1_snapshotSpätestens hier versteht der Zuschauer, dass Juan Pablo zumindest kein Interesse am anderen Geschlecht hat. Wie der hellhäutige, verträumt dreinschauende Junge sich schließlich während seiner Ferien in den wilden, im Dorf verwurzelten Juano verliebt, ist die Geschichte dieses Filmes. Wir befinden uns im Ecuador der frühen 2000er Jahre; die Jugendlichen sprechen Slang; die ortsansässige „Mama Rosa“ spricht Quichua, die dörfliche Welt am Fuße des Berges, auf der die Ferien-Hacienda liegt, ist mit der privilegierten Welt der weißen Oberschicht vor allem über einen Banken-Skandal verbunden. Juan-Pis Onkel hat den (mit?-)angezettelt. Insgesamt 700 000 Anleger verlieren im Laufe dieses Skandals ihr Geld – und der begüterte Onkel redet sich mit faden Entschuldigen heraus, während die snobistische Tante unbedingt zur Heiligen Messe gehen möchte, nachdem man gemeinsam von den schlechten Nachrichten (die Polizei sucht den Gatten) im Fernsehen überrascht wurde.

Ungehindert ausgeübte Gewalt

Juan-Pis Verhältnis zu seinen Cousins verschlechtert sich im Laufe des Filmes zusehends. Er ist sensibel, ruhig, gesehen_feriado2_snapshotblickt nahezu immer engelsgleich drein und – hier müssen die Filmemacher getrickst haben – seine Haare liegen stets perfekt auf. Für „La Flacas“ Affäre, die er schließlich unterstützt, damit er selbst seine Angehimmelten besuchen kann, hat er ein müdes Lächeln übrig. Er zeichnet und dichtet und ist so überhaupt niemals aggressiv. Cousin Jorge macht das noch aggressiver – und er kann seine Gewalt ungehindert ausüben, denn keiner in seiner Familie nimmt ihn ernst. Er wirft Juan-Pi ins Wasser; er erstickt ihn beinahe mit einem Kopfkissen. Es hat keine Folgen.

Homophobie und Sexismus sind in beiden Welten vertreten, zwischen denen Juan-Pi im Film pendelt. Der ihn so sehr faszinierende Juano kann zunächst gar nichts mit Juan-Pis zaghaften Annäherungsversuchen anfangen; er scheint sie noch nicht einmal bewusst wahrzunehmen. Auf einer Metall-Party, auf die er ihn mitnimmt, fordert er ihn auf, mit einer Frau zu tanzen; zu viert landen sie schließlich am Stadtrand auf einem Hügel. Als Juan-Pi ihn schließlich im Treppenhaus seines Wohnblocks küsst, rennt Juano verschreckt davon; der an dieser Stelle zu erwartende Fluch von seinen Lippen bleibt nicht aus. Am nächsten Tag trifft Juan-Pi Juano nicht mehr allein in seiner Wohnung an; plötzlich hat Juano Damenbegleitung.

Erleichterung und Sicherheit

gesehen_feriado3_snapshotWas am Ende bleibt, neben der Erleichterung, dass Juan-Pi sich nicht von Juanos Absage verunsichern lässt, ist die Frage, ob Homosexualität (oder jede andere Form der Sexualität, die von der heteronormativen abweicht) (in Ecuador?) in der Form, in der wir sie kennen, eine Lebensform der kultivierten, akkomodierten Oberschicht ist; im Umfeld des sensiblen Juan-Pi scheint sie aufblühen zu können, wenn er selbst auch oft Gewalt ausgesetzt ist. Juano hingegen verweigert sich Juan-Pi am Ende komplett und wendet sich sogar einer Frau zu – auch wenn er sich zuvor Juan-Pis Annäherungsversuchen immer mehr geöffnet hatte.

So ist „Feriado“ schließlich ein sehenswerter Film; voller sinnlicher Bilder und bedrückenden Situationen; doch die Angst, die Gewalt siegt nie. Juan-Pis Persönlichkeit schenkt Geborgenheit und Sicherheit, dass jeder sich so annehmen darf, wie er ist. Und dass das Leben weitergeht,auch wenn es mit der ersten (Ferien-) Liebe zunächst einmal nichts wird.

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Bildquellen: [1], [2], [3]: Snapshots

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