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Kuba: Ein prosperierender und nachhaltiger Sozialismus als Ziel
Die Wirtschaft der Karibikinsel drei Jahre nach dem 6. Parteitag

Jörg Rückmann | | Artikel drucken
Lesedauer: 8 Minuten

Kuba: Havanna mit Flagge - Foto: Aidutxi18Kuba aktualisiert sein sozialistisches Wirtschaftsmodell – und das mit einigem Erfolg. Fast täglich liest man Neues, und in manch geschriebenem Text fehlt durch den Fluch des Drucktermins die aktuellste Meldung. Die ökonomischen Ergebnisse, die Kuba heute vorweisen kann, beruhen zum einen auf den Maßnahmen des Wirtschaftsparteitages 2011 und zum anderen auf langfristigen Orientierungen in den 1980er und 1990er Jahren.

Für Kubabesucher zeigt sich die positive ökonomische Entwicklung vor allem in den sanierten Stadtzentren. Auch immer mehr private Häuser und Wohnungen werden durch ihre Bewohner auf Vordermann gebracht. Dafür hat der kubanische Staat über 145 000 Kleinkredite im Wert von 36 Mio. US-Dollar zu günstigen Konditionen ausgereicht sowie mit 22 Mio. US-Dollar Baumaterial subventioniert. Ein System von Versorgungsläden für Werkzeug und Material ist im Entstehen, auch wenn der steigende Bedarf nicht immer gedeckt werden kann.

Auffallend ist auch die Zunahme kleiner privater Läden, Cafés und Restaurants. Das Angebot in den Geschäften und auf den Bauernmärkten hat sich verbessert. Mehr als 440.000 Lizenzen wurden bisher für die derzeit 201 zugelassenen freien Berufe vergeben. Zählt man die Angestellten im privaten Sektor hinzu, arbeiten heute rund eine Million Menschen in diesem Bereich. Der Staat fördert die neuen Selbständigen und die Kooperativen.

Für Einzelbauern wurden 2012 mit dem Gesetz Nr. 300 die Landvergabe erweitert (bis 65 ha) und auch die Pachtzeit verlängert (bis 25 Jahre). Ungenutzte Flächen staatlicher Betriebe können in Genossenschaftsland umgewandelt oder an Einzelbauern vergeben werden. Diese dürfen nunmehr auf dem Land, das sie bewirtschaften, ihr Wohnhaus errichten. Das ist angesichts der schwierigen Wohnungssituation ein großer Anreiz, eine Tätigkeit in der Landwirtschaft aufzunehmen.

Im Juli 2013 starteten nach einer mehrmonatigen Experimentierphase 96 Genossenschaften im nichtlandwirtschaftlichen Bereich (Bauwesen, Transport, Dienstleistungen, Verkaufsstellen), die es vorher in Kuba so nicht gab. Heute sind es bereits über 270 solcher Genossenschaften. Allerdings dominieren hierbei immer noch die nichtproduktiven Bereiche.

Die tragenden Säulen des neuen Wirtschaftsmodells werden aber der staatliche Betrieb, das gesellschaftliche Eigentum an Produktionsmitteln und die Planung bleiben. Der Staat wird sich vornehmlich auf den makroökonomischen Bereich konzentrieren und wieder mehr langfristige Ziele festlegen. Ökonomische Sektoren und Projekte, mit denen Devisen erwirtschaftet werden können, genießen Vorrang in der Planung: so auch die Sonderwirtschaftszone Mariel. Dort entsteht mit brasilianischer Hilfe (Investitionssumme 950 Mio. US-Dollar) der größte Containerhafen der Region, dazu ein Industriepark, Forschungs- und Dienstleistungseinrichtungen sowie eine technische Universität. Der erste Bauabschnitt wurde Anfang 2014 in Betrieb genommen. In Mariel werden die riesigen Frachter der Super-Postpanamax – und perspektivisch auch der Triple-E-Klasse – einlaufen können. Investoren werden mit Steuererleichterungen und geringen Zöllen gelockt.

Zu einem erfolgreichen Exportzweig hat sich die Pharmaindustrie entwickelt, in der heute bereits 74.000 Beschäftigte in 217 Zentren arbeiten. Die Betriebe können „ohne Einmischung anderer Instanzen“, wie es in den Bestimmungen heißt, Verträge aushandeln, Personal einstellen, Investitionen tätigen und Firmengruppen bilden. Im November 2012 schlossen sich 38 Unternehmen der Biotechnologie, der Pharmazie, des Handels und des Dienstleistungsbereiches zum Firmenverbund BioCubaFarma zusammen, der in dieser Konstellation auch selbstständig den Vertrieb seiner Produkte organisieren kann.

Kuba produziert heute 583 Medikamente selbst (Generika und Eigenentwicklungen) und exportiert diese Produkte. In den letzten Jahren konnte das Land mit Eigenentwicklungen gegen Diabetes, Krebs, Meningitis B und C, Hepatitis B sowie gegen Tierseuchen aufwarten. Aufmerksamkeit erregte die Firmengruppe Labiofam im September 2013 mit der Präsentation eines neuen Krebspräparates, das nur die Tumorzellen bekämpft.

Der gesamte Bereich Medizin – einschließlich des Einsatzes von Ärzten im Ausland – erwirtschaftet mittlerweile die meisten Devisen für den kubanischen Staatshaushalt. Erst im Sommer 2013 hatte Brasilien 5 000 kubanische Ärzte angefordert; 2014 wird diese Zahl noch einmal aufgestockt.

Kuba: Frisches Gemüse aus der Landwirtschaft - Foto: MontunoKuba entwickelt ebenfalls eigene IT-Lösungen für die Betriebe und Institutionen des Landes. Das ist notwendig, denn die internationale IT-Branche entwickelt sich rasant – und die USA halten an der Blockade gegen die Insel fest. Kuba setzt dabei auch auf sogenannte freie Software, z. B. beim Betriebssystem Nova – einer kubanischen Software-Distribution auf Basis von GNU/Linux, welche an der Universität der Informatikwissenschaften (Universidad de las Ciencias Informáticas) in Havanna entwickelt wurde. Aber Kuba exportiert auch Software: Venezuela und Kuba haben bereits 2009 ein Computerprogramm für Erdölunternehmen mit dem Namen Guardian del Alba vorgestellt, das heute in Venezuela im Einsatz ist. In Ecuador (Software zur Verarbeitung von medizinischen Bildern), in Venezuela (Identifikation von Reisepässen), in Mexiko (digitale Reisepässe), in Spanien (Krankenhäuser), in Ecuador und Bolivien (Programme für Menschen mit Behinderungen) findet ebenfalls Software made in Cuba Verwendung.

Den Anteil an regenerativen Energien will Kuba bis 2020 auf 16,5 Prozent steigern (derzeit 3,8 Prozent). In der Stadt Guantánamo ist gerade eine neue Solarstromanlage (2,5 MW) fertiggestellt worden, es gibt 20 neue Biomassegeneratoren, und bis 2015 sollen 6 neue Biogaskraftwerke in Betrieb gehen. Im Elektrobetrieb „Ernesto Che Guevara“ (Provinz Pinar del Río) werden Photovoltaikmodule (185 und 240 Watt) – 40 000 Stück im Jahr 2013 – produziert.

Die Modernisierung der traditionellen Zuckerindustrie soll bis 2015 abgeschlossen sein. 2012 hat Kuba 63 Prozent seiner Deviseneinnahmen aus diesem Bereich in neue Erntemaschinen und technische Ausrüstung investiert. Die Investitionssumme beträgt gegenwärtig 10 Mio. US-Dollar pro Jahr.

Auch der Tourismus wird in den kommenden Jahren weiterentwickelt. Fast drei Millionen Gäste registriert Kuba jedes Jahr. Die Insel wird von 36 internationalen Fluglinien angesteuert. Die kubanische Regierung möchte aber mehr und mehr den negativen Auswirkungen des Massentourismus entgegenwirken. Gefördert werden sollen z. B. der Natur- und Gesundheitstourismus sowie der hochpreisige Bereich.

Derzeit erreicht Kuba stabile Steigerungen des BIP zwischen zwei und drei Prozent (2013: 2,7 Prozent), was allerdings unter den gesteckten Zielen liegt. Parallel zu den Wirtschaftsmaßnahmen treten neue rechtliche Bestimmungen in Kraft, so (erstmals) ein Steuersystem sowie ein neues Arbeitsgesetz. Der kubanische Staat achtet streng darauf, dass diese Gesetze eingehalten werden und führt einen harten Kampf gegen Korruption.

Problembereiche sind weiterhin das Bauwesen, die Landwirtschaft und der Transport. 2012 hat zum Beispiel Hurrikan Sandy 200.000 Häuser und Wohnungen beschädigt oder zerstört. Trotz Zuwachsraten in der Landwirtschaft muss Kuba immer noch einen Großteil seiner Lebensmittel importieren. Um die Transportsituation zu verbessern, investiert das Land derzeit große Summen in den öffentlichen Nahverkehr sowie in den Ausbau des Schienennetzes. Aus Russland hat Kuba neue Flugzeuge gekauft, um die Passagierkapazitäten im Inlands- und Regionalverkehr zu erhöhen.

Beschlossen ist die Abschaffung der Doppelwährung (kubanischer Peso – CUP und „konvertibler“ Peso – CUC), jedoch wird in jeder Verlautbarung darauf hingewiesen, dass dieser Schritt nur mit einer höheren und effektiveren Produktion, mit einer Belebung des Binnenmarktes und der Anhebung der Löhne einhergehen kann. Ein Zeitpunkt für die Währungszusammenführung wurde aber bisher noch nicht genannt.

In den letzten Jahren ist es Kuba durch Verhandlungen gelungen, seine Auslandsschulden zu reduzieren. Mit Mexiko wurde ein Schuldenerlass von 478 Mio. US-Dollar vereinbart, Japan hat Kuba Verbindlichkeiten von 1,4 Mrd. US-Dollar erlassen, und mit China wurde ein Umschuldungsprogramm über 6 Mrd. US-Dollar ausgehandelt. Im Dezember 2013 hat Russland Kuba 90 Prozent seiner Auslandsschulden (ca. 26 Mrd. US-Dollar) gestrichen.

Die Karibikinsel hat heute Handelspartner in 160 Ländern. Eine besonders interessante Zahl: Das Handelsvolumen mit den Ländern des amerikanischen Kontinents beträgt 55 Prozent (u. a. Venezuela: 32 Prozent, Kanada: 6 Prozent, Mexiko: 3 Prozent) des kubanischen Außenhandels. Bis 1989 waren es lediglich 5 Prozent. Europa liegt bei zirka 27 Prozent, Asien bei 14 Prozent (China: 11 Prozent). Gegenwärtig entdecken viele Länder Kuba als neuen Handelspartner oder beleben alte Kontakte neu. Auf der 31. Internationalen Industriemesse in Havanna (November 2013) präsentierten rund 1.400 Unternehmen aus 65 Ländern ihre Erzeugnisse – ein Rekordergebnis.

Die Ziele für 2014 hat Marino Murillo, Verantwortlicher für die Umsetzung der Leitlinien des 6. Parteitages, so formuliert: Es geht um einen „prosperierenden und nachhaltigen Sozialismus“. Dies sei nur durch höhere Produktivität und Effizienz vor allem in den Staatsbetrieben zu erreichen. Dafür würden diese mehr Autonomie erhalten und mit rund 500 Mio. Peso unterstützt. Einen Teil des erwirtschafteten Gewinns (auch in Devisen) könnten sie selbständig verwalten. Auch werde der Kauf und Verkauf von Maschinen zwischen staatlichen Betrieben direkt möglich sein. Besonderes Augenmerk, so Murillo, werde auf einen ausgeglichenen Staatshaushalt und eine positive Handelsbilanz gelegt. Bei Investitionen sollten kubanische Produkte bevorzugt werden, Auslandsinvestitionen würden vorrangig in die Sonderwirtschaftszonen fließen.

Bei diesem ökonomischen Umbau des Landes werde Kuba seine gute Sozialpolitik fortsetzen und spezifizieren, aber auch Maßnahmen ergreifen, um entstehende soziale Ungleichheiten zu mildern.

Kuba geht weiterhin seinen eigenen, souveränen Weg. Durch die Einbindung in die lateinamerikanische Staatengemeinschaft und die neuen Formen der Zusammenarbeit in Organisationen wie ALBA, Unasur, Mercosur, Petrocaribe, CARICOM und der CELAC hat sich Kuba zu einem selbstbewussten ökonomischen Partner und souveränen politischen Akteur in der Region entwickelt. Trotz US-Blockade und trotz der bisherigen EU-Politik.

Bildquelle: [1], Aidutxi18; [2] Antonio Montuno_

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