Mitte November fand in Havanna die neunte Iberoamerikanische Konferenz zum Thema: „Iberoamerika und die internationale finanzielle Situation in einer globalisierten Wirtschaft“ statt. Diese ist das jährliche Treffen der Staats- und Regierungschefs der ehemaligen Kolonialstaaten Spanien und Portugal und ihren ehemaligen Kolonien in Lateinamerika. Mehr als mit dem ursprünglichen Thema war die internationale Presse jedoch mit „Randthemen“ beschäftigt. Zum einen wäre dort das Verhältnis zwischen Kuba und seinem ehemaligen Mutterland Spanien zu nennen. Immerhin war es das erste Mal, dass ein spanischer König die Inselrepublik besuchte. Infolge des Bewusstseins vieler Kubaner als Mitglieder der spanischen Nation ist das Verhältnis zu Spanien immer ein besonderes gewesen. Ein Monarch noch dazu hat immer einen besonderen Mythos, den auch die kubanischen Bürger von einem „normalen“ Staatsoberhaupt zu unterscheiden wissen. Nachdem ein erster Staatsbesuch Juan Carlos‘ im Mai diesen Jahres an Unstimmigkeiten der spanischen Regierung und Fidel Castros wegen nicht erteilter Zusicherungen hinsichtlich der Freilassung politischer Gefangener aus Anlass des königlichen Besuches gescheitert war, bot die Konferenz einen geeigneten Anlass, diesen nachzuholen. Obwohl der spanische Ministerpräsident Aznar den König in seinem Sinne einspannen wollte, gelang es Castro, sich mit Juan Carlos zu schmücken. Am Ankunftstag ließ er Aznar am Flughafen zurück und fuhr mit dem König separat in die spanische Botschaft. Die kühle Behandlung und die Gefahr neuerlicher Spannungen im Verhältnis beider Länder hinderten die Spanier jedoch nicht daran, ihre Vorhaben zu verwirklichen.
In vorderster Front standen dabei die Förderung der Demokratie in Kuba und der Kontakt mit der politischen Opposition. Sie waren mit diesem Vorhaben nicht allein. Fast alle Delegationen suchten die Kommunikation mit den Kubanern abseits der offiziellen Treffen und Meinungen. Nur dem Präsidenten von Costa Rica wurde bereits im Vorfeld der Konferenz eine Absage für die Forderung nach Gesprächen mit Dissidenten erteilt. Dieser nahm diese Verweigerung zum Anlass, der Veranstaltung fern zu bleiben. Ihm schlössen sich die Präsidenten von Nicaragua und El Salvador aus ähnlichen Gründen an. Sie sandten stattdessen ihre Außenminister. Die fast 100 oppositionellen Gruppen fanden ein für sie außergewöhnliches Maß an Offenheit und Medienpräsenz. Nicht einmal beim Papstbesuch im letzten Jahr war es möglich gewesen, so viele Stimmen zu hören, die Veränderungen im kubanischen System forderten. Die Aufnahmebereitschaft und Unterstützung kam nicht nur von den anwesenden Delegationen und der internationalen Presse. Das Vorhandensein einer Opposition in Kuba ist nichts Neues. Doch eine freie Artikulation ihrer Vorstellungen für die Zukunft des Landes war bisher meist nur im Untergrund oder über den Umweg der exil-kubanischen Gruppen im Ausland möglich. Erstmals konnten sie nun in Kuba und unter Aufsicht der kubanischen Regierung ihre Meinungen äußern. Es stellt sich die Frage, warum Fidel Castro in seinem Land auf einmal ein solches Maß an Meinungsfreiheit zulässt. Glaubt er seine Macht ausreichend gesichert? Vertrauen die Menschen in Kuba der allgegenwärtigen Propaganda, glauben den Äußerungen über Kapitalismus, Demokratie und die Vereinigten Staaten und stellen deshalb die Herrschaft der kommunistischen Partei nicht in Frage? Oder kann sich der kubanische Revolutionsführer der öffentlichen internationalen Meinung nicht mehr entziehen und muss Konzessionen machen? Dies könnte angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage des Landes der Fall sein. Nicht umsonst verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einige Tage zuvor seine achte Deklaration, welche das amerikanische Embargo gegen Kuba verurteilte. Diese Unterstützung muss mit Zugeständnissen und Beweisen für die Freiheit des politischen Lebens auf Kuba vergolten werden. Welche Ergebnisse werden diese Gespräche mit den Dissidenten haben? Genügt es tatsächlich der Weltöffentlichkeit anhand von einigen Aussagen kubanischer Intellektueller zu zeigen, dass nicht alle von der Herrschaft Fidel Castros überzeugt sind?
Der Zwist um die Verurteilung Pinochets zwischen Spanien und Chile wurde nur schweigend behandelt. Es fand seinen Ausdruck nur in der Abwesenheit des chilenischen Präsidenten Eduardo Frei. Die mangelnde Demokratie in Kuba wurde in Punkt 2 der gemeinsamen Deklaration gerügt. Die Unterzeichnenden forderten Pluralismus, Menschenrechte und die Verwirklichung eines Rechtsstaates auf Kuba. Aber auch die Maßnahmen des nicht anwesenden Gegenpols, der Vereinigten Staaten, vor allem das Wirtschaftsembargo und der Helms-Burton-Act, wurden in Punkt 8 der Deklaration kritisiert. Insgesamt betrachtet, stellen die Ergebnisse des Gipfels weder einen herausragenden diplomatischen Erfolg dar noch wurden neue Ideen zum eigentlichen Thema der Konferenz formuliert. Man erschöpfte sich in Formulierungen wie einer verantwortlichen makroökonomischen Politik, sozialer und freiheitlicher Gerechtigkeit und dem Wohlergehen der Völker. Es bleibt zu hoffen, dass zumindest der Grad an Öffentlichkeit in Kuba erhalten bleibt. So wurden die abschließenden Reden im staatlichen Fernsehen live übertragen und mit ihnen Hinweise zu den Verfahrensweisen und Freiheiten der Demokratie. Eine Demokratisierung kann der kubanischen Bevölkerung von außen nicht aufgezwungen werden, sondern erfordert deren aktive Teilnahme.