Am 11. Juli 2013 fand in Leipzig eine Veranstaltung mit der Publizistin und Filmemacherin Andrea Lammers statt, auf der sie einen neuen Dokumentarfilm über die aktuelle Situation in Honduras vorstellte. Nach dem Diskussionsabend mit Giorgio Trucchi am 12. Mai 2013 und der Veranstaltung anlässlich des vierten Jahrestages des Putsches vom 28. Juni 2009 bot sich der interessierten Öffentlichkeit nunmehr die dritte Möglichkeit, sich aus erster Hand über die jüngsten Entwicklungen in dem zentralamerikanischen Land zu informieren. Wie bereits im Mai kooperierten auch diesmal wieder „Arbeit und Leben Sachsen e. V.“ und der Leipziger Lateinamerika-Verein „QUETZAL“.
Nach einer kurzen Einführung über Honduras und die Entstehungsbedingungen der Dokumentation zog der Film das Publikum in seinen Bann. Abseits der großen Städte, Wirtschafts- und Touristikzonen leben die Lenca, ein indigenes Volk, im westlichen Hochland von Honduras. Inzwischen wurde aber auch ihr Siedlungsgebiet vom allgemeinen Ausverkauf des Landes, der nach dem Putsch von 2009 noch einmal deutlich intensiviert wurde, erfasst. Dagegen wehren sich die Lenca zusammen mit anderen indigenen Völkern und sozialen Bewegungen. Organisiert wird dieser Widerstand von COPINH (Consejo Cívico de Organizaciones Populares e Indigenas de Honduras – Ziviler Rat der sozialen und indigenen Organisationen von Honduras).
Am Anfang des Films klärt COPINH-Frontfrau Berta Cáceres in einer Versammlung die Lenca über ihre Landrechte auf und empfiehlt, sich auf keinen Deal einzulassen. Sie hat den Verdacht, dass es um weit mehr als den Besitz von ein paar Maisfeldern geht: In der Umgebung sind schließlich schon etliche Minenkonzessionen vergeben worden. Die meisten für den Goldtagebau, der nicht nur den Bauern Anbau- und Erntemöglichkeit nimmt, sondern auch die umliegenden Trinkwasserquellen und Fischgewässer mit krebsverursachenden Chemikalien vergiftet.
Die Regierung bewirbt Honduras weltweit als Investitionsparadies: Über ein Drittel des Landes soll an private Konzessionäre verkauft werden. Diese bekommen so freie Hand für ihre gewinnbringenden Projekte in Gebirgswäldern oder an karibischen Traumstränden. 75 neue Lizenzen wurden allein in der Grenzregion zu El Salvador für Wasserkraftwerke vergeben. Wo der Baubeginn bereits bevorsteht, gibt es oft Tote: Ein 25-jähriger COPINH-Aktivist, der sich gegen den Bau eines großen Kraftwerks eingesetzt hatte, wurde neben seinem Elternhaus erschossen – von Angehörigen der Nationalpolizei. Seine Mutter fordert Gerechtigkeit. Im Film beschreibt sie noch einmal den Mord an ihrem Sohn. Ihr Schmerz und ihre Trauer schlagen eine Brücke zu den Lenca, zu den einfachen Honduranern, die sich mit einfachsten Mitteln gegen die übermächtige Koalition aus korrupten Politikern, staatlichen und privaten Sicherheitskräften, Drogenbossen, traditioneller Oligarchie und transnational agierenden Großinvestoren zur Wehr setzen und dabei ihr Leben riskieren – und es in diesem ungleichen Kampf auch oftmals verlieren.
Teil des indigenen Widerstandes sind die beiden kommunitären Radiostationen La Voz Lenca und Radio Guarajambala. Andrea Lammers, die 2012 mehr als zwei Monate die Lenca in ihrem Kampf um Gerechtigkeit begleitete, beschreibt in der sich anschließenden Diskussion die schwierigen Bedingungen, unter denen die beiden Radiostationen betrieben werden. Zu der allgegenwärtigen Repression gesellen sich die äußerst prekären finanziellen und technischen Probleme. Ähnliches gilt auch für die Arbeit von COPINH. Schweren Herzens musste sich die Organisation von einem beschädigten Fahrzeug trennen, um durch dessen Versteigerung wenigstens die nötigsten Kosten decken zu können. Ein anderes Fahrzeug war zuvor von der Polizei beschlagnahmt worden. Für Berta Cáceres wird es damit immer schwerer, die weiten Strecken zwischen den mehr als 600 Lenca-Gemeinden zu bewältigen, um den Widerstand zu koordinieren. In einem Interview beschreibt sie ihr Heimatland als eine „Gesellschaft des Todes“. Überall drohen Gewalt, Militarisierung und Repression, die gezielt eingesetzt werden, um den Ausverkauf des Landes zu forcieren.
In der Diskussion, in der Axel Anlauf, ein anderes Mitglied der Honduras-JournalistInnen-Delegation von 2012, seine Erfahrungen von der honduranischen Atlantikküste einbrachte, spielte dieses Thema wiederholt eine Rolle. Dabei kam auch zur Sprache, dass Repression und Ausverkauf in Honduras Teil eines Prozesses sind, der die gesamte Region von Mexiko bis Kolumbien erfasst hat. Die treibende Kraft dieser neoliberalen Landnahme sind die USA und transnationale Großinvestoren, die sich damit die Kontrolle über strategische Ressourcen wie Land, Naturschätze, Energiequellen und Infrastrukturen sichern wollen. Für Washington steht der geostrategische Wert der Landbrücke, die Nord- und Südamerika miteinander verbindet, an oberster Stelle. Angesichts dieser Plünderungsoffensive bleibt den Lenca wie allen anderen betroffenen Völkern und Gemeinschaften gar nichts anderes übrig, als sich zu wehren: „Auch wenn wir in Lebensgefahr schweben, es gibt keine andere Möglichkeit als die Naturgüter und die Rechte der indigenen Bevölkerung zu verteidigen“ – so Berta Cáceres.
Wo der Tod Teil der Landschaft ist (La Voz Lenca no se calla)
Ziviler und indigener Widerstand in Honduras
Zwei Monate mit der Menschenrechtsorganisation COPINH
(Ziviler Rat der sozialen und indigenen Organisationen von Honduras)
Ein Film von Nina Kreuzinger & Andrea Lammers
Wien 2013
37 min., Farbe, digital HD, 16:9
OV Spanisch mit deutschen Untertiteln
Die nächste Veranstaltung zum genannten Film findet am 30.07.2013, 19:30 Uhr in Berlin statt.
Ort: New Yorck 59, Bethanien, Mariannenplatz 2, linker Seitenflügel
Veranstalter: Lateinamerika Nachrichten, FDCL, CADEHO
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Bildquellen: [1] Nina Kreuzinger_; [2] Snapshot