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Honduras: Der verzweifelte Kampf um sozialen Wandel

Luna | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Kampf um sozialen Wandel (Foto: Quetzal-Redaktion, Luna)Honduras wird seit dem offiziellen Beginn der „Demokratie” Anfang der 1980er Jahre nach wie vor von den einflussreichsten und mächtigsten Unternehmern des Landes regiert. Diese haben zwei Lager gebildet: Die Liberalen und die Nationalisten. Inhaltlich unterscheiden sie sich kaum voneinander. Die Parteimitglieder stammen aus den reichsten Familien, die das Land seit seiner Unabhängigkeit regieren. Die Gewaltenteilung wird durch deren Besetzung der Schlüsselpositionen in der Judikative, Legislative und Exekutive ausgehebelt. Das Volk kämpft ums nackte Überleben. Die Verteilung von Vermögen, Einkommen und Landbesitz ist derart ungleich, dass ein Großteil der ländlichen Bevölkerung auf externe Unterstützung wie beispielsweise Nahrungsmittelhilfe angewiesen ist. Doch trotz der umfangreichen Entwicklungshilfe, die bereits seit Jahren nach Honduras fließt, ist die Armut landesweit gestiegen. Die staatlichen Institutionen sind von Korruption, Miss- und Vetternwirtschaft durchdrungen. Das Bildungssystem droht schon lange zu kollabieren, vor allem auch, weil die LehrerInnen ihre lang erkämpften Rechte immer wieder erneut verteidigen müssen. Das niedrige Bildungsniveau der Bevölkerung kommt der Oberschicht zugute, die das Land so ungehemmt ausbeuten und nach eigenem Gutdünken regieren kann.

Der Widerstand des Volkes hat sich seit dem Putsch vom 28. Juni 2009 gegen die Regierung von Mel Zelaya in der „Breiten Front des Volkswiderstands” (FARP) organisiert. Obgleich der Staatsstreich von der internationalen Staatengemeinschaft verurteilt wurde, konnte Zelaya erst zwei Jahre später in sein Heimatland zurückkehren. Trotz des unterzeichneten Abkommens von Cartagena, das die Beendigung der Verfolgung Zelayas und seiner politischen Anhänger gewährleisten soll, wurde der ehemalige Präsidialamtsminister Enrique Flores Lanza auf Grund von Korruptionsvorwürfen zu Hausarrest verurteilt. AktivistInnen der FARP werden bedroht, verfolgt und ermordet. Demonstrationen werden von der Polizei und dem Militär blutig niedergeschlagen. Seit dem Putsch verloren nach Aussagen des FARP-Koordinators über 200 Mitglieder der Widerstandsfront ihr Leben. Am Mittwoch Nachmittag wurde Emo Sadloo, Symbolfigur des nationalen Widerstandes, in seinem Geschäft in der Hauptstadt Tegucigalpa erschossen. Nachdem die Mörder sechs Schüsse abgefeuert hatten, verließen sie den Tatort unbehelligt zu Fuß. Erst vor zwei Monaten wurde Héctor Daniel Gonzáles Andino alias „Jerónimo”, ein bekannter Liedermacher, der sich nach dem Putsch der Widerstandsbewegung angeschlossen hatte, auf offener Straße überfahren. Wie alle anderen Morde an Mitgliedern und SympathisantInnen der Widerstandsfront werden diese Straftaten vermutlich niemals aufgeklärt.

Die gezielten und systematischen Hinrichtungen von politischen AktivistInnen werden im Zuge der sehr hohen Kriminalitätsrate im Land gerechtfertigt und verschleiert. Die allgemein verbreitete Straflosigkeit hat zur hemmungslosen Ausbreitung der Gewaltkriminalität und einer damit einhergehenden tief sitzenden Angst in der Bevölkerung geführt. Daher schauen die Menschen bei einer Straftat lieber weg als einzugreifen. Zivilcourage muss oft mit dem eigenen Leben bezahlt werden. Ebenso riskant sind politisches Engagement, das Eintreten für seine Rechte und die Teilnahme an Demonstrationen. Dies wird der Bevölkerung durch die zahlreichen mysteriösen Todesfälle politisch aktiver Menschen immer wieder vor Augen geführt.

Die Ermordung von Emo Sadloo, einem der bekanntesten und beliebtesten Aktivisten, löst bei vielen Honduranern nicht nur tiefe Trauer, Schmerz und Wut aus, sondern provoziert auch die Mitglieder der Widerstandsfront. Sadloo war ein überzeugter Pazifist, der stets bereit war, sein letztes Hemd zu geben. Der Kampf für einen sozialen Wandel spitzt sich zu: Immer mehr Menschen fordern lauthals Gerechtigkeit und Freiheit. Das Motto lautet: „Sie (die Oligarchie und die von ihr beherrschten Staatsorgane) haben Angst vor uns, weil wir keine Angst vor ihnen haben”. Sadloo ging mit gutem Beispiel voran. Er war eine charismatische Persönlichkeit, die an allen Demonstrationen teilgenommen hat, in der vordersten Reihe. Doch scheinbar war sein Kampf nicht radikal genug. Die unbewaffneten Mitglieder der Widerstandsbewegung stehen den systematischen Morden wehrlos gegenüber, doch ist höchste Vorsicht geboten. Ein bewaffneter Kampf der Mitglieder der Widerstandsfront würde der Oligarchie den Weg ebnen, den institutionalisierten Widerstand zu zerschlagen. Mel Zelaya meint deshalb, „Nur Feiglinge kämpfen mit Waffen” und ruft die Regierung von Porfirio Lobo zur Aufklärung der Verbrechen und die internationale Gemeinschaft zur Entsendung einer Menschenrechtskommission auf.

Bildquelle: Quetzal-Redaktion, Luna.

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