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Tegucigolpe – Honduras vier Jahre nach dem Putsch

Peter Gärtner | | Artikel drucken
Lesedauer: 7 Minuten

Honduras: Kommunalradios leisten wichtigen Widerstand gegen Ausverkauf und Repression in Honduras, riskieren dabei aber auch ihr Leben - Foto: Quetzal-Redaktion, Axel AnlaufVor vier Jahren, am 28. Juni 2009, fand in Honduras ein Putsch mit unerwarteten Nebenwirkungen statt. Der 2006 gewählte Präsident der Landes, Manuel (Mel) Zelaya, wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von Angehörigen der Armee per Flugzeug ins Nachbarland Nicaragua verfrachtet. Zuvor hatte ihn das Parlament in einem verfassungswidrigen Verfahren auf der Grundlage ungerechtfertigter Anschuldigungen seines Amtes enthoben. Die Drahtzieher des Putsches hatten sich jedoch verrechnet. Zelaya beharrte auf seinem Status als rechtmäßiger Präsident und versuchte hartnäckig, in sein Land zurückzukehren, die internationale Gemeinschaft verweigerte den Putschisten die Anerkennung, Honduras wurden wichtige Auslandshilfen gesperrt, und im Volk formierte sich ein breiter Widerstand.

Vier Jahre nach dem Putsch ist die Situation in Honduras sehr widersprüchlich und hoch brisant. Auf der einen Seite ist es den Putschisten gelungen, durch eine Reihe von geschickten politischen Manövern – die Abhaltung von Wahlen im November 2009 und der Abschluss eines Abkommens mit Zelaya im April 2011, das dessen Rückkehr nach Honduras und die legale Betätigung der Putschgegner einschloss, – ihre diplomatische Isolierung aufzubrechen. Sie haben die vergangenen vier Jahre vor allem dafür genutzt, um den Ausverkauf des Landes voranzutreiben und versucht, den Widerstand gegen diese Politik mit brutalen Mitteln zu brechen.

Auf der anderen Seite hat sich eine Widerstandsfront formiert, die in ihrer Breite, Mobilisierungskraft und Programmatik ein Novum in der Geschichte des Landes darstellt. Die Früchte ihres Wirkens sind vielfältig und zugleich widersprüchlich. Sie beharrt nachdrücklich auf ihrer Hauptforderung nach der Neugründung von Honduras. Zwei Parteien (LIBER und FAPER), die aus ihr hervorgegangen sind, versuchen dieses Ziel durch ihre Beteiligung an den allgemeinen Wahlen, die für den 24. November 2013 angesetzt sind, zu erreichen. Die Basisorganisationen widersetzen sich nach wie vor dem Ausverkauf des Landes und kämpfen gegen die verkrusteten oligarchischen Strukturen in Honduras an. Zugleich haben die unterschiedlichen Positionen zum Wahlprozess zur Aufsplitterung der Kräfte geführt, und die Zukunft des Landes bleibt höchst ungewiss. Viele befürchten Wahlfälschungen oder einen neuen Putsch.

Honduras: Kommunalradios leisten wichtigen Widerstand gegen Ausverkauf und Repression in Honduras, riskieren dabei aber auch ihr Leben - Foto: Quetzal-Redaktion, Axel AnlaufDer vierte Jahrestag des Putsches von 2009 war der Anlass für eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen am 27. Juni 2013, auf der in Zusammenarbeit mit dem Leipziger Lateinamerika-Verein QUETZAL die Situation in Honduras analysiert und diskutiert wurde. Inhaltlich wurde sie von Axel Anlauf, Mitglied der Hondurasdelegation, Marco Peña, honduranischer Anthropologe, und Peter Gärtner, Politikwissenschaftler an der Universität Leipzig, bestritten. Die unterschiedlichen Blickwinkel, aus denen die drei Referenten die Ereignisse in Honduras beleuchteten, boten die Möglichkeit einer vielfältigen Darstellung und schufen die Grundlage für eine intensive Diskussion mit dem Publikum. Nach einer Einführung über die historische Einordnung, die Hintergründe und Folgen des Putsches (Peter Gärtner) berichtete Axel Anlauf von der Arbeit der Hondurasdelegation und von den schwierigen Bedingungen, unter denen die Honduraner gegen Ausverkauf und Repression Widerstand leisten. Sehr anschaulich und informativ zeigte der Dokumentarfilm „No tenemos miedo“ / „Wir haben keine Angst“ (als Video nach diesem Absatz eingebunden) über die Arbeit kommunaler Radios in Honduras, den er mit anderen Mitgliedern der JournalistInnen-Delegation 2012 gerade fertig gestellt hatte, warum Jugendliche, Journalisten, Aktivisten sozialer Bewegungen und Gemeindemitglieder es auf sich nehmen, die gefährliche Medienarbeit, die sie das Leben kosten kann, zu betreiben. Immerhin sind zwischen Februar 2010 und November 2011 etwa 30 Journalisten und Journalistinnen ermordet worden. Insgesamt sind seit dem Putsch von 2009 mehr als 200 Menschen dem Terror zum Opfer gefallen. Fast alle Morde sind bisher straffrei geblieben. Marco Peña ergänzte die beiden ersten Beiträge durch seine persönlichen Erfahrungen, wobei er auch den Bogen zu den 1980er und 1990er Jahren schlug.

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In der sich anschließenden Diskussion ging es zunächst um die Bedingungen und Motive des Widerstandes gegen die Putschisten und den Ausverkauf des Landes. Axel Anlauf und Marco Peña verwiesen besonders darauf, dass die Entstehung und das Wirken der Widerstandsfront FNRP (Nationale Front des Volkswiderstandes) eine völlig neue Qualität in der honduranischen Politik darstellen. Bis zum Putsch hatten sich die beiden traditionellen Parteien, die Liberalen (gegründet 1891) und die Nationale Partei (gegründet 1902) in Zusammenwirken mit den Militärs und ausländischen Unternehmen die Macht geteilt. Damit schien Honduras dazu verurteilt, weiter seine Existenz als Bananenrepublik fristen zu müssen. Reformistische Militärs und die vergleichsweise starke Bauernbewegung hatten zwar in den 1970er Jahren mit einer Agrarreform versucht, dem Alternativen entgegenzusetzen, waren aber letztlich an den verkrusteten Strukturen gescheitert. Stattdessen wurde Honduras in den 1980er Jahre zum Aufmarschgebiet gegen die revolutionären Bewegungen in den Nachbarländern Nicaragua, El Salvador und Guatemala ausgebaut. Der parallel dazu gestartete Demokratisierungsprozess blieb oberflächlich und rührte nicht an den traditionellen Machtverhältnissen. Zelaya versuchte, durch den Eintritt von Honduras in die von Hugo Chávez und Fidel Castro ins Leben gerufene ALBA und verschiedene Sozialmaßnahmen (Anhebung des Mindestlohnes, vorsichtige Wiederaufnahme der Landvergabe an arme Bauern), die partielle Einschränkung der Zugriffsmöglichkeiten des Auslandskapitals und die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung das Blatt zu wenden, wurde aber vom traditionellen Machtblock aus dem Amt geputscht.

Aus dem Publikum wurden zum einen Fragen nach den Erfolgen und den Aussichten der Widerstandsfront gestellt, zum anderen interessierten sich die Zuhörer dafür, welche Chancen die kommenden Wahlen im November 2013 für wirkliche Alternativen bieten. Axel Anlauf war bei seinem Aufenthalt in Honduras besonders davon beeindruckt, dass immer mehr Honduraner ihre Angst vor Gewalt und Repression verlieren. Schon dies stelle einen Erfolg dar. Außerdem sei es verschiedentlich gelungen, bestimmte Projekte zu stoppen und gegen weitere den Widerstand aufrechtzuerhalten. Es sei ein neues Selbstbewusstsein gewachsen und die Einsicht, dass Widerstand notwendig ist und erfolgreich sein kann. 15 Familienclans kontrollieren in Zusammenarbeit mit ausländischen Gesellschaften nicht nur die Wirtschaft des Landes, sondern zugleich die beiden großen Parteien und die Medien. Deshalb – so die Mehrzahl der sozialen Bewegungen – ist die Zerschlagung dieses Machtkartells die Voraussetzung für die angestrebte Neugründung des Landes.

Vor allem ehemalige Liberale, die sich der Widerstandsfront gegen den Putsch angeschlossen haben, setzen hingegen auf die Teilnahme an den Wahlen am 24. November. Die Präsidentschaftskandidatin der neugegründeten Partei LIBER, Xiomara Castro, die Ehefrau von Mel Zelaya, liegt in den Umfragen vorn, was bei Befürchtungen laut werden lässt, dass der traditionelle Machtblock ihren Wahlsieg entweder per Fälschung oder per Putsch verhindern wird. Selbst das Präsidentenamt – so Argumente aus der Widerstandsfront – bietet keine ausreichenden Garantien für die angestrebte Neugründung des Landes, da der traditionelle Machtblock intakt bleibt und alles unternehmen wird, um einen Kurswechsel zu verhindern. In diesem Zusammenhang wurde von der Teilnehmern der Veranstaltung die Möglichkeit diskutiert, dass sich eine erfolgreiche Wahlbeteiligung und die Fortsetzung des Widerstandes von unten durch die sozialen Bewegungen sinnvoll ergänzen könnten. Die Zeit bis zu den Wahlen im November wird zeigen, welche Chancen Xiomara Castro hat. Einig waren sich die Teilnehmer, dass im Falle ihres Sieges der eigentliche Kampf gegen das bisherige Schicksal von Honduras als Bananenrepublik erst beginnt.

Wer mehr über die gegenwärtige Situation in Honduras erfahren möchte, dem sei „Honduras: Stimmen gegen den Ausverkauf des Landes“ empfohlen, eine Broschüre von 90 Seiten, die druckfrisch vorliegt und über den Verein QUETZAL e.V. bestellt werden kann. (Preis: 5 € plus Porto)

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Bildquelle: Quetzal-Redaktion, Axel Anlauf

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