Rund 4,6 Millionen HonduranerInnen wurden am Sonntag, den 29. November, unter großer Militär- und Polizeipräsenz zur Wahlurne gebeten. Zur Auswahl standen Porfirio (Pepe) Lobo von der Nationalen Partei (PN) und Elvin Santos von der Liberalen Partei (PL), Kandidaten der beiden traditionellen politischen Parteien des Landes, die sich seit dem Übergang zur Demokratie in den 1980er Jahren die Türklinke zur Regierung in die Hand geben. Die drei anderen Bewerber um das höchste Staatsamt gehören kleinen Parteien wie den Christdemokraten, den Sozialdemokraten und der linken Partei der demokratischen Einheit (Unificación Democrática) an.
Die Legitimität der Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen ist jedoch nicht nur in Honduras höchst umstritten, da die Wahlen von der De-facto-Regierung unter Roberto Micheletti (PL) durchgeführt wurden und im Land unter diesen Umständen keine demokratischen Bedingungen gewährleistet sind. Aus Protest gegen die Putschwahlen haben zahlreiche BewerberInnen für diverse Ämter wie Bürgermeisterposten oder Parlamentssitze ihre Kandidatur zurückgezogen. Der bekannteste von ihnen ist der unabhängige Kandidat Carlos H. Reyes, der erste in Honduras jemals zu einer Wahl zugelassene parteiunabhängige Präsidentschaftskandidat, der bei einer der friedlichen Demonstrationen gegen das De-facto-Regime von Polizisten niedergeschlagen und schwer verletzt wurde.
Die HonduranerInnen hatten lange keinen wesentlichen Unterschied zwischen den Parteiprogrammen der liberalen und nationalen Partei gemacht. Die Parteizugehörigkeit ist eher historisch bedingt und zieht sich als vererbte Tradition durch ganze Familien. Doch im Grunde bekräftigt ein Großteil der HonduranerInnen, dass beide Parteien „derselben korrupten politisch-ökonomischen Klasse“ angehören. Das ganze Land ist von Klientelismus und Korruption durchsetzt. Alle wichtigen Positionen und insbesondere Führungsspitzen im öffentlichen Dienst werden nach parteipolitischen Kriterien besetzt, so dass bislang keine wahre Gewaltenteilung in Honduras verwirklicht werden kann. Selbst das Oberste Gericht und die Wahlbehörde sind Zwei-Parteien-Gremien, die von derselben politisch-wirtschaftlichen Oberschicht besetzt sind.
Vor den Wahlen lag über der Hauptstadt Tegucigalpa eine unheimliche Ruhe und Spannung in der Luft. Die Straßen waren bis auf die zahlreichen Polizei- und Militärkonvois wie leergefegt, jeder Stadtteil wurde überwacht, Kampfflieger und Helikopter sind dicht über die Dächer der Wohnhäuser geflogen, um die Widersacher des Staatsstreichs einzuschüchtern. Nichtsdestotrotz rief die Widerstandsbewegung das Volk zum Wahlboykott und friedlichen Protesten auf, wobei jedoch öffentliche Kundgebungen seit Wochen nicht mehr möglich sind. Die Gegner der Wahl wurden systematisch verfolgt. Die Armee wurde mit der logistischen Organisation des Wahlprozesses und dem unmittelbaren Schutz der Wahlurnen beauftragt. Das sind alles unrechtmäßige Zustände. Unter diesen Bedingungen können gar keine demokratischen Wahlen stattfinden. Die Menschen haben Angst, sind maßlos enttäuscht und traurig, aber auch sehr wütend. „Wann wird der Moment kommen, in dem auch dem Volk bei der politischen Führung unseres Landes ein Mitspracherecht eingeräumt wird“, sagt ein Bauer, der sich seit über fünf Monaten den friedlichen Demonstrationen der Widerstandsbewegung angeschlossen hat. „In unserem Land hat die wohlhabende Oberschicht bereits seit der Unabhängigkeit Honduras’ die Macht in der Hand – und es scheint uns bisher nicht möglich, diesen Status quo zu brechen“, erzählt eine Frau. „Stellen Sie sich einmal vor, so viele Millionen die in unser Land geflossen sind und die Armut ist weiter angestiegen. Wo ist das ganze Geld geblieben?“
Während ausländische – darunter auch deutsche – Medien berichten, dass die Krise in Honduras vorbei zu sein scheint, da der konservative Oppositionskandidat Pepe Lobo der Nationalpartei die Präsidentenwahl mit nahezu 56 Prozent gewonnen habe, klagt die breite Widerstandsbewegung die Wahlfarce an. Nach ersten Angaben des Obersten Wahlgerichts lag die Wahlbeteiligung bei 61 Prozent, während die honduranische Organisation ‘Hagamos Democracia’ (ein aus den USA unterstütztes Wahlinstitut, das aus honduranischen Nichtregierungsorganisationen besteht) von einer Wahlbeteiligung in Höhe von rund 47 Prozent ausgeht. Die Widerstandsbewegung und unabhängige Medien konstatieren eine massive Wahlabstinenz. Die offiziellen Angaben der putschistischen Wahlbehörde können unmöglich stimmen, da die Wahlbeteiligung damit rund 12 Prozent höher gelegen hätte als bei den letzten Wahlen im Jahr 2005“, berichtet Gilberto Ríos, einer der führenden Aktivisten der Widerstandsbewegung. „Bei den vorherigen Wahlen haben sich nach Angaben des Bloque Popular (soziale Bewegung der Gewerkschaften und Bauern) rund 49 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung an den Wahlen beteiligt. Nach Daten der Obersten Wahlbehörde lag die damalige Wahlbeteiligung hingegen bei 55 Prozent. Die Widerstandsfront schätzt, dass die Wahlbeteiligung bei den jetzigen Wahlen bei höchstens 30 Prozent lag. Das bedeutet, dass die Beteiligung an den diesjährigen Wahlen die niedrigste seit 1982, seit dem Bestehen des demokratischen Rechtsstaates, ist“, meint Gilberto Rios. Der Aktivisit Alfonso Lacayo kritisiert: „Wer kann diesen Wahlergebnissen schon Glauben schenken, wenn der gesunde Menschenverstand uns sagt, dass die Wahlen unter der Leitung eines Wahlgerichts durchgeführt worden sind, dessen Richter am Putsch beteiligt gewesen sind. Und diejenigen, die für die Sicherheit der Bevölkerung während des Urnenganges gesorgt haben, sind dieselben, die das Volk gewaltsam unterdrücken. Hinzu kommt, dass die Beobachter der Wahlen aus den Kreisen der Unión Cívica Democrática (Veranstalter der von der De-facto Regierung organisierten Demonstrationen für „Frieden und Demokratie“) stammen, die ebenfalls Teil der Putschisten sind.
Der CNN-Korrespondent und politische Analyst Daniel Altschuler berichtet aus der Hauptstadt Tegucigalpa, dass die „Wahlbeteiligung die niedrigste seit der demokratischen Geschichte Honduras“ sei. Insofern sei das von der Putschregierung veröffentlichte Wahlergebnis als „höchst polemisch“ zu bezeichnen. Weiterhin verweist Daniel Altschuler darauf, dass bei den Wahlen „keine neutralen Wahlbeobachter“ anwesend waren, da die eingesetzten BeobachterInnen den Staatsstreich ausnahmslos befürworten. Daher sei es „sehr schwierig, die tatsächlichen Ergebnisse der Wahlen zu verifizieren“.
Eingangs hatten die Vereinigten Staaten die Anerkennung der Wahl an die vorherige Wiedereinsetzung des rechtmäßigen Präsidenten Mel Zelaya in das Präsidentenamt gebunden. Ende Oktober einigten sich das Micheletti- und das Zelaya-Lager in einem Abkommen darauf, das Parlament über die Wiedereinsetzung von Mel Zelaya entscheiden zu lassen. Dabei wurde jedoch keine Frist gesetzt. Auf Wunsch der De-facto-Regierung hat sich der Kongress erst nach den Wahlen versammelt, um über die Wiedereinsetzung Mel Zelayas zu entscheiden. Der Beschluss wurde von einer großen Mehrheit im Parlament abgelehnt. Derweil hat sich auch die Haltung der Vereinigten Staaten dahin gehend geändert, die Wahlen trotz der Nicht-Wiedereinsetzung des rechtmäßigen Präsidenten anzuerkennen. Politische Analysten führen die Änderung deren Haltung auf innenpolitische Faktoren in den USA zurück. Demnach sollen republikanische Senatoren erheblichen Druck auf das US State Department ausgeübt haben.
Weder die Organisation Amerikanischer Staaten OAS noch die südamerikanische Staatengemeinschaft UNASUR haben Wahlbeobachtungsmissionen nach Honduras entsandt, da sie die von den Putschisten veranstalteten Wahlen nicht mit Observation legitimieren wollen. Die OAS spricht der Wahl jegliche Legitimität ab. Brasilien, Argentinien, Venezuela, Ecuador, Bolivien, Chile, Kuba, Uruguay und Spanien haben bereits erklärt, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl nicht anzuerkennen, da die Wahlen nicht unter den notwendigen demokratischen Bedingungen stattfanden. Alle neun Länder halten die Rückkehr Mel Zelayas in sein verfassungsmäßiges Amt für unverzichtbar. Demgegenüber haben die Vereinigten Staaten den Wahlprozess unterstützt und wollen das Wahlergebnis in jedem Fall anerkennen, obwohl der rechtmäßige Präsident Mel Zelaya nicht vorher wieder eingesetzt wurde. Kolumbien, Peru, Panama, Costa Rica und Kanada vertreten dieselbe Position. Die Europäische Union hält sich bislang noch bedeckt.
In Deutschland mehrt sich die Kritik an dem unbestimmten Kurs der Bundesregierung gegenüber der politischen Krise in Honduras. Oppositionsparteien und Nichtregierungsorganisationen beanstanden die schleichende Anerkennung der von der De-facto-Regierung veranstalteten Wahlen. Dies liegt wohl unter anderem auch an dem haarsträubenden Agieren der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung vor Ort, die den Putsch verharmlost und gerechtfertigt hat. Die Naumann-Stiftung vertritt die Ansicht, dass der Putsch in Honduras gar kein Putsch gewesen sei, sondern die notwendige Verteidigung der Demokratie gegen einen Präsidenten, der einen Verfassungsbruch geplant habe. Der Repräsentant der Naumann-Stiftung in Honduras hat Putschisten nach Deutschland eingeladen und damit die internationalen Demokratiebemühungen konterkariert.
Wahlen unter zweifelhaften Rahmenbedingungen
Die traditionelle politisch-wirtschaftliche Oligarchie hält die Fäden seit dem Putsch wieder fest in der Hand. Grundlegende Rechte wie Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit werden seitdem außer Kraft gesetzt. Die Durchführung der Wahlen wurde durch die landesweite Mobilisierung und Präsenz der Polizei und Militärs auf den Straßen gewährleistet. Obwohl sich Honduras nicht im Kriegszustand befindet, wurden zwischen 10.000 und 15.000 Militärreservisten zum „Schutz des Wahlprozesses“ einberufen. Es gab keinen Oppositionskandidaten und die Schlüsselpositionen in den entscheidenden Ministerien sowie Massenmedien werden weiterhin von der wohlhabenden Oberschicht besetzt.
98 Prozent der Medien in Honduras befinden sich in der Hand von drei der reichsten Familien des Landes, die allesamt den Putsch unterstützen. Diese Tatsache ermöglicht es den Putschisten, das Menschenrecht auf Presse- und Meinungsfreiheit nach Belieben außer Kraft zu setzen. Lediglich vier Medien, nämlich Radio Globo, der Fernsehsender Canal 36, Radio Progreso und Radio Gualcho haben den Putsch als illegal verurteilt und stehen der De-facto-Regierung kritisch gegenüber. Diese Medien versuchen, die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen im Land zu denunzieren und über die Aktionen der Widerstandsbewegung zu berichten, erklärt Gilberto Rios. Der Preis für die Opposition gegen das Regime ist hoch, die Repressionen sind vielschichtig. Die Leiterin der Menschenrechtsorganisation CIPRODEH (Centro de Investigación y Promoción de los Derechos Humanos) Reina Rivera berichtet: Die technische Ausstattung dieser Medien wurde mehrmals von Militärs und Polizei beschlagnahmt und somit das Gesetz gebrochen, da die Verfassung vorsieht, dass selbst bei kriminellen Machenschaften der Medien deren Ausstattungen nicht einfach so konfisziert werden können. Die Oppositionsmedien werden nach Lust und Laune abgeschaltet, während die große Mehrheit der regimetreuen Medien Nachrichten manipuliert, verschweigt oder verfälscht. Auf diese Art und Weise hat die Bevölkerung nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, sich über die tatsächlichen Ereignisse zu informieren. Die Angriffe auf die Oppositionsmedien gehen sogar so weit, dass auf der Frequenz des Fernsehsenders Canal 36 durch mutwillig verursachte Interferenzen Pornografie und Wildwestfilme ausgestrahlt wurden. Die Sender von Canal 36 und Radio Globo wurden mit dem Einsatz von chemischen Flüssigkeiten zeitweilig vollständig außer Betrieb gesetzt. Die ‘Grupo de Sociedad Civil’ (GSC; ein Zusammenschluss der Zivilgesellschaft, der im Rahmen der Armutsbekämpfungsstrategie gegründet wurde) schreibt in einem Plakat über die “eiserne Medienkontrolle der Oligarchie, die das Recht auf Information und freie Meinungsäußerung untergräbt”. Die Reporter ohne Grenzen kritisieren, dass ohne eine freie Berichterstattung und Medienvielfalt das demokratische Prinzip freier Wahlen nicht eingehalten werden kann. Die Beschneidung der Pressefreiheit und die Angriffe auf zahlreiche JournalistInnen lassen weder offene Diskussionen noch Demokratie zu. Die Meinungsfreiheit und die Entfaltung des bürgerlichen Engagements werden auf diese Weise zwangsläufig erstickt.
Adelay Carías, die für die Frauenrechtsorganisation ‘Centro de Derechos de las Mujeres’ (CDM) tätig und Mitglied der ‘Feministinnen im Widerstand’ ist, berichtet: Der Oberste Gerichtshof hat alle Aktionen des Putschregimes gerechtfertigt und legitimiert. Die Verfassung wird nach deren Gutdünken ausgelegt und verdreht. Wir führen Protokoll über mindestens 70 Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Verfassungsbeschwerden, die beim Obersten Gerichtshof eingereicht wurden. Davon wurde nicht ein einziger Fall bearbeitet. Das Parlament und der Oberste Gerichtshof befinden sich in den Händen der Putschisten. Reina Rivera ergänzt: “Das Handeln des Oberstes Gerichtshofes zeichnet sich durch ungleichen Umgang aus. Vier Tage vor dem Putsch, als der Präsident Zelaya in einer Pressekonferenz angekündigt hatte, den obersten Kommandant der Militärs, Romeo Vásquez Velázquez, aus seinem Amt zu entheben, hat ein Sektor der nationalen Partei dagegen eine Verfassungsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof eingelegt, der nach zwei Stunden prompt stattgegeben wurde. Als CIPRODEH hingegen eine Verfassungsbeschwerde zugunsten von Radio Globo und Canal 36 eingereicht hat, sind 25 Tage vergangen, ohne dass der Oberste Gerichtshof dazu Stellung genommen hat.
Gilberto Rios weist darauf hin, dass der Oberste Gerichtshof in unserem Land schon immer Besitzer gehabt hat. Das ist vox populi, jeder weiß, dass der Oberste Gerichtshof in den Händen von der Oligarchie ist und sich zugunsten der Interessen dieser wohlhabenden Minderheit ausspricht. Daher kann der Oberste Gerichtshof unmöglich eine unparteiische Rolle gegenüber der politischen Krise einnehmen. So weist ein Angestellter des Obersten Gerichtshofes in einem Fernsehinterview darauf hin, dass dem Obersten Gerichtshof und der Staatsanwaltschaft seit dem Putsch unzählige Verfassungsbeschwerden und Anzeigen wegen Menschenrechtsverletzungen vorliegen, die bislang noch nicht bearbeitet werden konnten. Angesichts dieser Tatsache verwandelt sich die faktische Straflosigkeit der Verursacher dieser Menschenrechtsverletzungen, die allen voran den Hütern der Sicherheit der Zivilbevölkerung zuzuschreiben sind, in einen festen Bestandteil des Justizsystems.
Ein weiteres Beispiel für das willkürliche Vorgehen der Justiz ist laut Reina Rivera, dass gegen fast das gesamte Kabinett der Regierung Zelaya Haftbefehle auf Grund der Unterzeichnung von ‚administrativen Verträgen’ ausgestellt worden sind. Im Falle des Ex-Präsidenten Callejas hingegen hatte der Oberste Gerichtshof damals entschieden, dass ein Ex-Präsident nicht wegen der Unterschrift von administrativen Verträgen verfolgt werden könne. Ein anderes Beispiel der Willkür des Regimes ist die Ausweisung und Expatriierung des Pfarrers Andrés Tamayo, der seit 21 Jahren in Honduras gelebt und sich vor allem für den Umweltschutz und gegen das illegale Abholzen der Wälder eingesetzt hat. Pfarrer Tamayo war einer der beliebtesten und charismatischsten Persönlichkeiten des Landes, der sich der Widerstandsbewegung angeschlossen und zum Protest gegen die De-facto-Regierung aufgerufen hat. Als Pfarrer Tamayo sich für die Nichtanerkennung der Wahlen eingesetzt hat, wurde ihm kurzerhand seine honduranische Staatsbürgerschaft entzogen. CIPRODEH hat eine diesbezügliche Verfassungsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof eingelegt, die unverzüglich abgelehnt wurde. Es gibt zahlreiche Beispiele, die aufzeigen, wie unser Justizsystem sich zum Helfershelfer macht, um die verfassungsmäßigen Rechte bestimmter Personen eben gerade nicht zu schützen, meint Reina Rivera.
Der Putsch und der darauf folgende Wahlkampf wurden in einem Umfeld durchgeführt, das einem Großteil der Bevölkerung Angst einflößt. Die De-facto-Regierung hat die Repressionen gegen die Regime-Gegner mit Hilfe von juristischen Mitteln legalisiert. Verschiedene verfassungswidrige Dekrete wurden verabschiedet. So hatten die Putschisten während einiger Tage und sehr vielen Nächten den Ausnahmezustand im Land verhängt, durch den grundlegende Rechte wie die Meinungs-, Presse-, und Versammlungsfreiheit außer Kraft gesetzt wurden. Reina Rivera berichtet als der Präsident Zelaya nach Honduras eingereist ist und in der brasilianischen Botschaft Zuflucht gesucht hat, verabschiedete die De-facto-Regierung ein neues Dekret, dass Versammlungen von mehr als 20 Personen verbietet, die Schließung von nicht-regimetreuen Fernseh- und Radiosendern legalisiert sowie der Polizei und den Militärs die Autorität verleiht, Demonstrationen aufzulösen. Dieses Dekret war im Oktober während 25 Tagen in Kraft und wurde auf Grund des Bittgesuches von Hillary Clinton und der OEA annulliert. Aber daraufhin hat die De-facto-Regierung weitere Dekrete verhängt, die in der nationalen und internationalen Öffentlichkeit kaum bekannt gemacht wurden. Eines dieser Dekrete, das nach wie vor in Kraft ist, zielt auf unliebsame Medien ab, die nicht regimetreu berichten, und die damit jederzeit zensiert werden können. Außerdem hat die Polizei, die weder konstitutionelle noch legale Befugnis dazu hat, zwei Pressemitteilungen veröffentlicht, deren Inhalte bis heute umgesetzt werden. In einer dieser Pressemitteilungen wird die Organisation und Zusammenkunft von Personen, die Demonstrationen planen oder durchzuführen, verboten. Alle Versammlungen, die nicht von der Polizei genehmigt wurden, gelten als illegal. Dies ist aus drei Gründen verfassungswidrig: Erstens, weil die Polizei nicht die Befugnis hat, derartige Beschlüsse zu fassen. Zweitens, weil dies in einer Pressekonferenz mittels einer Pressemitteilung, die kein juristisches Dokument ist, bekannt gegeben wurde. Und drittens, weil das Verbot diskriminierend angewandt wird. Die De-facto-Regierung stellt den Wahlkampf, der offiziell von der Wahlbehörde einberufen wurde, als legalen Wahlkampf dar, in dem angebliche Chancengleichheit für alle politischen Lager herrscht. Aber dieses Dekret zielt ausschließlich auf den linksgerichteten Sektor und die Oppositionsparteien ab. Wenn also die Widerstandsbewegung oder linke Flügel der offiziellen Parteien eine Demonstration oder eine öffentliche Versammlung durchführen wollen, werden sie auf der Stelle unterdrückt. Im Gegensatz dazu benötigen weder Porfirio Lobo Sosa noch Elvin Santos eine Genehmigung der Polizei, um ihre Wahlkampagnen durchzuführen. Die zweite Pressemitteilung der Polizei bezieht sich auf das Verbot des Einsatzes von Lautsprechern ohne Genehmigung der Polizei. Auch dieses Verbot wird auf diskriminierende Weise angewandt und bezieht sich ausschließlich auf die Widerstandsbewegung.
Honduras wird in den traditionellen Medien und vor allem auch seitens der politisch-wirtschaftlichen Elite als „Land des Friedens und der Demokratie“ dargestellt. Kriminalitätsstatistiken über Gewaltverbrechen und Morde zeigen jedoch das Gegenteil auf. Nach Reina Rivera haben die Gewaltakte im Land nach dem Putsch drastisch zugenommen. Neben dem organisierten Verbrechen stehen nun auch politisch motivierte Morde auf der Tagesordnung, so dass Honduras mittlerweile zu den gewalttätigsten Ländern Lateinamerikas zählt. Alfonso Lacayo meint, dass uns hier ein Diskurs verkauft wird, der abseits jeglicher Realität liegt. Wir sind keine Nutznießer des Friedens, wir leben in Gewalt. Und die Gewalt ist seit dem Putsch massiv angestiegen, da nun auch aus politischen Motiven gemordet wird. Reina Rivera weist darauf hin, dass nach dem Staatsstreich mindestens über 30 Menschen von bezahlten Söldnern hingerichtet wurden. CIPRODEH hat Hinweise erhalten, meint Reina Rivera, dass sich in Kolumbien honduranische Unternehmer versammelt haben, um kolumbianische Paramilitärs unter Vertrag zu nehmen. Dies wurde auch in der kolumbianischen Zeitung El Tiempo veröffentlicht.
CIPRODEH hat in dem Bericht ‘Especial Demokratia’ vom November 2009 bekannt gegeben, dass die Streitkräfte die Bürgermeister landesweit in einem Schreiben angewiesen haben, alle Personen, die sich der Widerstandsbewegung angeschlossen haben, in einer Namensliste zu identifizieren. Gilberto Rios weist darauf hin, dass anonyme Namenslisten der AktivistInnen der Widerstandsbewegung veröffentlicht wurden, die teilweise Attentaten zum Opfer gefallen sind. Allen voran haben wir jedoch Drohungen, insbesondere Todesdrohungen, erhalten. In dem Bericht der Delegation der regionalen Menschenrechtsgruppe, die aus acht renommierten zentralamerikanischen Menschenrechtsorganisationen besteht, vom 24. November 2009 über die Lage der Menschenrechte vor den Wahlen wird darauf aufmerksam gemacht, dass Billy Joya, Ex-Oberst der honduranischen Streitkräfte, derzeitig als Berater in Sicherheitsfragen und rechte Hand des De-facto Präsidenten Roberto Micheletti fungiert. In den 1980er Jahren war Billy Joya einer der Hauptverantwortlichen der Todesschwadron ‘Batallón de Inteligencia 3-36’, die damals mit den Entführungen und dem Verschwinden der politischen Gegner beauftragt wurde. Billy Joya war einer der wichtigsten Vollstrecker von Entführungen, Folter und Mordtaten in der Dekade der 1980er Jahre in Honduras. Adelay Carías meint, dass die jetzigen Ereignisse die damals verübten Greueltaten widerspiegeln. Unter der Federführung von Billy Joya werden professionelle Taktiken der Einschüchterung, selektive Verfolgungen der AktivistInnen und Überwachungen von oppositionellen Organisationen und Wohnhäusern praktiziert.
Die Menschenrechtsorganisation ‘Comité de Familiares de Detenidos Desaparacedios’ en Honduras (COFADEH), hat unmittelbar vor den Wahlen einen weiteren Bericht herausgegeben, in dem die Machenschaften der repressiven Staatsorgane angeprangert werden. Demnach haben die Repressionen und die Jagd auf die Regimegegner massiv zugenommen. Einheiten der Polizei und des Militärs haben für einen reibungslosen Ablauf der Wahlen gesorgt, indem die Gegner des Staatsstreiches zum Schweigen gebracht wurden. Der Aufruf zum Wahlboykott wurde als Straftat geahndet. Die Stimmung in Honduras wird in diesem Bericht als „sehr unruhig und besorgniserregend“ beschrieben. Allen voran macht sich in einem Teil der Bevölkerung die Wut über die Ohnmacht breit, kaum etwas gegen den Staatsstreich und den unrechtmäßigen Wahlprozess ausrichten zu können.
Bildquellen: [1,3] Karikatur von David Soto, [2] Gilberto Ríos_.
Wirklich ein sensationell recherchiertes Dossier! Ich habe es leider erst heute „gefunden“. Auf meiner Homepage http://www.welt-im-blick.de habe ich auch einen Artikel über den Putsch in Honduras geschrieben. Es war leider ziemlich schwer an glaubwürdige News zu kommen, da die Mainstream-Medien ja so taten, als wäre alles halb so schlimm…
Wir haben bei der Bürgerbewegung „Neue Richtung“ zu deren Gründungsmitgliedern ich gehöre, uns bereits einen Tag nach dem Putsch getroffen und diesen ausdrücklich verurteilt (www.neuerichtung.de)
Honduras war das schwächste Glied in der „ALBA-Kette“ und das haben sich die USA und ihre lateinamerikanischen Verbündeten zu Nutze gemacht. Der nächste Kandidat zum Abschuß ist Lugo in Paraguay.
Weiter so!
Kay Hanisch
Döbeln, Sachsen