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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Krutak, Lars: Spiritual Skin – MAGICAL TATTOOS AND SCARIFICATION. Wisdom. Healing. Shamanic Power. Protection.

Stefanie Hülsmann | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Die indigene Tattoo-Kunst Lateinamerikas

Gelesen: Krutak, Lars: Spiritual SkinDas monumentale Werk Lars Krutaks mit dem Titel Spiritual Skin: MAGICAL TATTOOS AND SCARIFICATION. Wisdom. Healing. Shamanic Power. Protection. möchte ich hier meine Aufmerksamkeit und meinen Respekt widmen.

Lars Krutak ist Kulturanthropologe und trägt mit einem Team an Fotografen weltweit Beispiele für die Tattookunst aus unterschiedlichen Kulturen in diesem Buch zusammen.

Dieser Bildband beinhaltet zwei Teile, die einerseits Tätowierungen und andererseits Skarifizierungen darstellen. Lars Krutak dokumentiert auf diese Weise die Einbettung der Körpermodifikationen sowie deren Träger in den jeweiligen sozio-ökonomischen als auch -ökologischen Kontext.

MAGICAL TATTOOS AND SCARIFICATION. Wisdom. Healing. Shamanic Power. Protection gibt auf 400 Seiten Einblicke in die Kunst des Tätowierens in Asien, Afrika, Nord- und Südamerika sowie Melanesien. Ich beschränke mich auf den Teil, der sich mit der indigenen Tattoo-Kunst in Lateinamerika beschäftigt.

Hierbei werden hochrelevante Themenfelder der Ethnologie skizziert. Gegenstand ist unter anderem die Initiation, der Schamanismus als auch der Komplex des Krieges und der Jagd. In diesem Kontext zeigt Lars Krutak die Verbindung des Menschen mit dem Agrarzyklus und die Verwandlung des Kriegers in transzendente, animalische Wesen auf.

Lateinamerika wird in Teil 1 ‚Tätowierung‘ zusammen mit Nordamerika behandelt. Die detaillierten und hochwertigen Abbildungen zeigen zwei unterschiedliche Gruppen aus dem südamerikanischen Amazonas-Raum.

Krutak thematisiert in diesem Kontext die festgehaltenen Tätowierungen als „Beschützer- und Helfer-Tätowierungen“ und ordnet sie der Kosmologie des Animismus (Vorstellung über eine beseelte Umwelt) zu. Wie die Begriffe bereits vermuten lassen, sollen die Tattoos ihren Träger beschützen sowie bei alltäglichen Aktivitäten unterstützend wirken. Tätowierungen können hier also eine positive Stimmung bei den Menschen übergeordneten Wesen zugunsten des Tätowierten begünstigen. Hierbei werden sowohl die positive als auch die negative Seite verdeutlicht, die einem solchen Bündnis inhärent ist. Komplikationen kann es bei dieser Verbindung dann geben, wenn der Tätowierte im Gegenzug die religiösen Pflichten gegenüber seinem Geistwesen vernachlässigt. Glück und Wohlstand steht dabei immer ambivalent zu Unglück und Krankheit.

Zur näheren Veranschaulichung dieser Zusammenhänge werden zwei Gesellschaften vorgestellt, die Matis und die Kayabi. Beide Gemeinschaften leben in den Wäldern Amazonien.

Gelesen: Krutak, Lars: Spiritual SkinAnhand der Matis und der Kayabi zeigt Krutak, welchen Einfluss die internen Tätowierungen für die Konstitution und Reflektion der eigenen Gruppenidentität sowie Körperkonzeptionen und damit einhergehenden Idealvorstellungen sowie die Abgrenzung zu Gruppen außerhalb der dörflichen Gemeinschaft haben können.

Also schlussendlich, wie neben vielen anderen Faktoren auch, die Tätowierung eine nicht unerhebliche Rolle dabei spielt, aus einer Generation Heranwachsender vollwertige Mitglieder der jeweiligen Gesellschaft zu generieren.

Die Tattoos kompensieren, unterstützen oder verstärken dabei die individuellen Eigenschaften des Trägers und festigen seine Position in der Gemeinschaft.

Die Matis als auch die Kayabi glauben, dieser Reifeprozess werde einerseits durch die Symbolik der Tattoos, andererseits durch die immense Schmerzerfahrung, die jede Tattoo-Sitzung inhärent ist, gestützt.

Neben gesellschaftlichen und kosmologischen, aber auch manuellen (also wie die Tattoos gemacht werden) Aspekten geht Krutak ebenfalls auf gegenwärtige Probleme ein, mit denen sich die Matis und die Kayabi in den letzten Jahren konfrontiert sehen und die eine Bedrohung des kulturellen Erbes der Tattookunst bedeuten könnten.

Krutak bringt dem Leser den soziokosmischen Komplex nahe, in den diese Tätowierungen eingebunden sind. Tattoos fungieren so (nicht nur in Lateinamerika) als Brücke zwischen Sakralem und Irdischem, dem Göttlichen und dem Profanen.

Wie Bernhard Streck bereits treffend formulierte: „Die Grenze [der Körperveränderungen] scheint erst dort gezogen, wo das Leben oder die organischen Funktionen gefährdet sind (..)“, da der „(…) Zusammenhang von Schmerz und Erinnerung ihren Grund haben (…) als Hilfsmittel, mit denen zentrale Wahrheiten in der Überlieferung unterstrichen werden.“ (Streck, Hauptwerke der Ethnologie, S.107).

Die Abbildungen untermauern dies. Sie zeigen in absoluter Hochglanz-Qualität Aufnahmen von Tätowierten und den Tattoo-Meistern. Es sind intime Momentaufnahmen, die die freundschaftliche Beziehung zwischen Anthropologen und seinen Informanten verdeutlichen.

Gelesen: Krutak, Lars: Spiritual SkinDem Leser wird so ein einzigartiger Blick ‚hinter die Kulissen‘ gewährt, als Fenster zu einer doch so fernen und fremden Welt.

Schlussendlich ist dieser Bildband ein außergewöhnliches und beispielloses Exemplar auf dem deutschen Buchmarkt und sowohl für Laien als auch Profis interessant!

Darüber hinaus sei auf die Homepage von Lars Krutak (http://larskrutak.com) hingewiesen, die sehr viele lesenswerte Hintergrundinformationen zu den Beiträgen im Buch bietet.

MAGICAL TATTOOS AND SCARIFICATION. Wisdom. Healing. Shamanic Power. Protection, erschienen im Edition Reuss Verlag, hat einen festen Platz in der Ethnologie sowie der Social Anthropology verdient!

Krutak, Lars
Spiritual Skin: MAGICAL TATTOOS AND SCARIFICATION.
Wisdom. Healing. Shamanic Power. Protecton.
Deutsch/ Englisch
Edition Reuss Verlag
400 S., 2012

Bildquellen: [1] Buch-Cover; [2] Abbildung, S. 83; [3] Abbildung, S.128

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