Anträge der Abgeordneten Christoph Matschie, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD:
A) Unterstützung der indigenen Völker bei der Verabschiedung der „Allgemeinen Erklärung über die Rechte eingeborener Völker“ in der 49. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen (Drucksache 12/5740)
Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Nach Angaben der Vereinten Nationen gibt es weltweit über 300 Millionen Menschen, die zu den Ureinwohnern und Stammesvölkern gezählt werden. Sie gehören fast überall zu den am meisten benachteiligten Gruppen. Untersuchungen der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) weisen darauf hin, daß die Zahl indigener Bevölkerungen abnimmt und stellen fest, daß sie in demselben Maße verschwinden, wie ihre geographische und kulturelle Umwelt zerstört wird.
Um dieser bedrückenden Entwicklung zu begegnen und die Rechtssituation der indigenen Völker zu verbessern, haben die Vereinten Nationen 1982 eine „Arbeitsgruppe über indigene Bevölkerungen“ eingesetzt. Diese hat im August 1993 den Entwurf einer „Deklaration über die Rechte indigener Völker“ vorgelegt, der nach weiteren Beratungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet werden soll.
Ziel der Deklaration ist es, die kollektiven und individuellen Rechte Indigener erstmals in einer eigenen Konvention einheitlich zusammenfassend zu regeln. Indigene Völker sollen die Möglichkeit erhalten, über ihre politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung selbst zu entscheiden. Diskriminierungen indigener Völker oder Angehöriger dieser Völker sollen ausgeschlossen werden.
Das Zustandekommen der genannten Deklaration wäre ein wichtiger Schritt, der zur Verbesserung des Minderheitenschutzes und der Menschenrechtssituation indigener Völker und Individuen ebenso beitragen kann, wie zu einem Fortschreiten von Demokratisierungsprozessen.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:
1. Sich an der Diskussion über die Verbesserung der Lebenssituation indigener Völker zu beteiligen und eine Stellungnahme zu dem jetzt vorliegenden Entwurf einer „Deklaration über die Rechte der indigenen Völker“ abzugeben.
2. Sich hi den Gremien der Vereinten Nationen dafür einzusetzen, daß, wie geplant, eine „Deklaration über die Rechte der indigenen Völker“ baldmöglichst verabschiedet wird.
B) Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland am ‚Fonds zur Entwicklung der eingeborenen Völker Lateinamerikas und der Karibik“ (Drucksache 12/5739)
Der Bundestag wolle beschließen:
A. Der Bundestag stellt fest:
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Jahr 1993 zum „internationalen Jahr der autochthonen Bevölkerungsgruppen der Welt“ erklärt. Dies geschah in der Absicht, auf internationaler Ebene sowohl auf die drängenden Probleme der indigenen Völker aufmerksam zu machen, als auch internationale Mechanismen zu deren Schutz zu etablieren. Weltweit gehören etwa 300 Millionen Menschen, davon etwa 40 Millionen in Lateinamerika, autochthonen Bevölkerungsgruppen an. Diese gehören zu den am meisten benachteiligten Gruppen der Welt.
Um die Benachteiligung indigener Bevölkerungsgruppen abzubauen, wurde beim ersten Iberoamerikanischen Gipfel im Juli 1991 in Guadalajara/ Mexiko ein „Fonds zur Entwicklung der indigenen Völker Lateinamerikas und der Karibik“ ins Leben gerufen. Während des zweiten Iberoamerikanischen Gipfels in Madrid unterzeichneten am 24. Juli 1992 17 Außenminister lateinamerikanischer Staaten sowie die Außenminister Spaniens und Portugals den Konstituierungsvertrag. Der Vertrag ist für weitere Staaten ausdrücklich offen. Einige der Unterzeichnerstaaten haben die Ratifizierung schon vollzogen.
Die Interamerikanische Entwicklungsbank sowie andere mit Entwicklungszusammenarbeit befaßte Institutionen der Vereinten Nationen haben die Gründung des Fonds von Beginn an finanziell und institutionell unterstützt. In La Paz/ Bolivien arbeitet bereits ein technisches Sekretariat des Fonds.
Dieser Fonds dient einerseits der Schaffung eines Mechanismus zur Unterstützung der Entwicklung der Völker, Gemeinschaften und indigenen Organisationen Lateinamerikas und der Karibik und andererseits als Instrument des Dialogs zur Herbeiführung einer einheitlichen Entwicklungspolitik sowie zur Koordination von Programmen, Projekten und Maßnahmen der technischen Hilfe im Interesse und zum Nutzen der eingeborenen Völker.
Der Konstituierungsvertrag des Fonds schreibt die gleichberechtigte Beteiligung von Delegierten der indigenen Völker neben den Vertretern der Regierungen der jeweiligen Länder sowie den Delegierten anderer Geberstaaten an der Arbeit des Fonds fest. Damit überwindet der Fonds die bisher übliche Beschränkung der traditionellen, oft auf paternalistischer Bevormundung basierenden Politik und trägt gleichzeitig zur Wahrung der indigenen Kultur und Identität bei. Das ist das eigentlich neue an dem Fonds. Allerdings werden die Vertreter der indigenen Völker von der Regierung des jeweiligen Staates beim Fonds akkreditiert – ein Verfahren, das bei den bisherigen Treffen des Fonds zu Auseinandesetzungen zwischen Regierungsvertretern und Vertretern der indigenen Völker über die Verfahrensweise bei den Akreditierungen führte.
Auch die Bundesrepublik Deutschland beeinflußt durch ihr außenpolitisches, wirtschaftliches und entwicklungspolitisches Handeln das Leben autochthoner Bevölkerungsgruppen. Sie würde mit einer Beteiligung am Fonds dazu beitragen, daß zukünftig eingeborene und in Stämmen lebende Völker besser in die Entwicklungszusammenarbeit einbezogen werden.
Die Bundesregierung hat das ILO-Übereinkommen 169 zwar nicht ratifiziert, jedoch die in Artikel 7 des Übereinkommens beschriebene entwicklungspolitische Verantwortung auf diesem Gebiet anerkannt. Der Fonds ist eine geeeignete Form, das Anliegen von Artikel 7 des ILO-Abkommens 169 umzusetzen.
Der Fonds ist auch ein wichtiger Schritt zur Umsetzung der Beschlüsse der „Konferenz für Entwicklung und Umwelt“ von Rio de Janeiro. In der „Erklärung von Rio“ wurde die wichtige Rolle der einheimischen und ortsansässigen Gemeinschaften bei Fragen der Umwelt und Entwicklung, aber auch der Schutz ihrer Identität, Kultur und Interessen anerkannt.
Die gleichberechtigte Mitarbeit der indigenen Völker am „Fonds zur Entwicklung der eingeborenen Völker Lateinamerikas und der Karibik“ stärkt die Anerkennung ihres Wissens im Umweltmanagement und Umweltschutz und dient damit dem verantwortlichen Umgang mit den natürlichen Ressourcen.
B. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– sich an dem „Fonds zur Entwicklung der eingeborenen Völker Lateinamerikas und der Karibik“ mit einem angemessenen finanziellen Beitrag zu beteiligen und bei den Beitrittsverhandlungen und in den Gremien darauf hinzuwirken, daß der Fonds die realen Interessen und Bedürfnisse der indigenen Völker Lateinamerikas und der Karibik berücksichtigt;
– insbesondere dafür einzutreten, daß
a) die Delegierten der indigenen Völker in den Entscheidungsgremien des „Fonds zur Entwicklung der indigenen Völker Lateinamerikas und der Karibik“ von den indigenen Völkern und ihren Organisationen selbst benannt werden können und nicht über das Akkreditierungsverfahren in frage gestellt werden,
b) die Planung, Durchführung und Nachbereitung der Projekte in Kooperation mit den indigenen Völkern selbst geschieht,
c) eine angemessene Beteiligung indigener Völker bei der Erarbeitung von sie betreffenden Richtlinien für die Entwicklungszusammenarbeit gewährleistet ist.