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Olga Benario, Luiz Carlos Prestes: Die Unbeugsamen.

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Der Briefwechsel von Olga Benario und Luiz Carlos Prestes

Benario, Olga  und Prestes, Luiz Carlos: Die Unbeugsamen.Warum jetzt dieser Briefwechsel? Zumindest in Deutschland sind die beiden nur Wenigen ein Begriff. Wer kennt denn noch Jorge Amados „Ritter der Hoffnung“ oder Ruth Werners (nicht sehr lesenswertes) Buch über Olga Benario? Man erinnert sich hier nicht gern an jemanden, der das Etikett „Kommunist“ trägt. Aber dieses Buch könnte die beiden etwas bekannter machen.

Olga Benario wurde 1908 in München in einer jüdischen Mittelstandsfamilie geboren. Sie schloss sich früh den Kommunisten an, heute würde man die Jugendliche wohl als militant oder sogar fanatisch bezeichnen. Ende der zwanziger Jahre ging sie ins Exil in die Sowjetunion, wo sie eine Ausbildung beim Geheimdienst absolvierte. 1934 wählte man sie dort für eine besondere Aufgabe aus: Sie sollte den Brasilianer Luiz Carlos Prestes als Leibwächterin in seine Heimat begleiten.

Prestes, zehn Jahre älter als Benario, war zu dieser Zeit bereits eine Legende. Der aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammende Hauptmann hatte 1924 eine Armeerevolte angeführt, seine Coluna Prestes (Kolonne Prestes) galt danach als unbesiegbar und ihr Anführer, der Ritter der Hoffnung, wurde zum Mythos. Anfang der 1930er Jahre war Prestes nach Moskau ins Exil gekommen, 1934 sollte er in seine Heimat zurückkehren, da man dort eine „revolutionäre Situation“ heranreifen sah.

Getarnt als Ehepaar reisten die beiden auf Umwegen nach Brasilien. Doch schon im März 1936 wurden sie in Rio de Janeiro verhaftet und in verschiedenen Gefängnissen inhaftiert. Ende September schob die Behörden die Deutsche in ihre Heimat ab; Juden will man in Brasilien nicht haben. Zu dieser Zeit war sie im 7. Monat schwanger, die beiden Revolutionäre waren tatsächlich ein Paar geworden. In Deutschland war O. Benario zunächst im Frauengefängnis in Berlin inhaftiert, später in den Konzentrationslagern Lichtenburg und Ravensbrück. In Berlin kam im November 1936 ihre Tochter Anita Leocadia zur Welt, die man ihr im Januar 1938 wegnahm und ihrer Schwiegermutter übergab. Ende April 1943 wurde Olga Benario in der Gaskammer der Heil- und Pflegeanstalt Bernburg ermordet. Luiz Carlos Prestes hatte man in Brasilien in mehreren Verfahren angeklagt und schließlich zu lebenslanger Haft verurteilt. 1945 konnte er das Gefängnis nach neun Jahren Isolationshaft verlassen.

Die Briefe aus der Haft entstanden unter unvorstellbaren Bedingungen. Sie unterlagen der Zensur und erreichten ihre Adressaten oft verspätet. Und doch entsteht in ihnen immer wieder eine Anmutung von Alltäglichem, etwa wenn von Handarbeiten berichtet wird, von der Spatzenfamilie, die täglich zu Besuch kommt oder von der Lektüre, die man eigentlich lieber mit dem Partner diskutieren würde. Das Paar erinnert sich an sein (kurzes) Glück, spricht sich gegenseitig Mut zu, hofft auf ein Wiedersehen. Selbst über die Erziehung der Tochter versucht man sich auszutauschen. Es gibt immer wieder gegenseitige Ermahnungen, ordentlich zu essen und auf die Gesundheit zu achten. Doch wenn Olga Benario ihren Partner beruhigt, sie habe ausreichend Gesellschaft und arbeite viel an der frischen Luft, zeigt sich die schreckliche Realität. Man weiß, was das in Ravensbrück bedeutete. Doch das wichtigste Thema dieses Briefwechsels war die Tochter Anita, „die wohl beschrieben wird, wie nicht oft ein Baby“ (O. Benario). Für das Paar war sie ein Wechsel auf die Zukunft.

Diese 101 Briefe, Liebesbriefe möchte man sagen, machen mit zwei Menschen bekannt, die verzweifelt darum kämpften, Menschen zu bleiben. Frei von Pathos und aufgesetztem Heroismus zeugen sie von Menschlichkeit und Heldenmut. Eine berührende und zugleich fesselnde Lektüre.

Olga Benario, Luiz Carlos Prestes: Die Unbeugsamen.
Briefwechsel aus Gefängnis und KZ.
Hrsg. von Robert Cohen.
Wallstein Verlag Göttingen 2013.
ISBN:978-8353-1327-9

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