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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Kollektive in Aktion (Hg.): Die Welt sind wir. Buen Vivir und die Verteidigung von Lebensräumen in Mesoamerika

Peter Gärtner | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Buchcover: Kollektive in Aktion (Hrsg.) Die Welt sind wir- Buen Vivir...

Vom Mai 2015 bis Juli 2016 war die Karawane Mesoamerika für das Buen Vivir der Menschen im Widerstand in der Region unterwegs und besuchte dort Gemeinschaften, die ihre Lebensräume gegen den Zugriff des Extraktivismus verteidigen. Aus den Erfahrungen und Eindrücken dieser Reise ist ein Buch entstanden, das auf lebendige und authentische Weise davon berichtet, mit welchem Mut und mit welcher Kreativität sich die lokale Bevölkerung den Projekten von Konzernen und Regierungen widersetzt.

Nach dem einführenden Abschnitt, der dem Kampf für ein geeintes Mesoamerika, der Erklärung zentraler Konzepte (Buen Vivir, sieben zapatistische Prinzipien sowie vier Toltekischen Vereinbarungen) und der Vorstellung des Projektes gewidmet ist, werden 13 „Flammen des Widerstandes“ vorgestellt. Diese reichen von Amilcingo, Cruztón, Paso de la Reina und San Mateo del Mar in Mexiko bis zur Finca Chánguina und El Sitio y las Flores in Costa Rica. Ebenso gehören La Puya und Monte Olivo in Guatemala, La Nueva Esperanza und Rio Blanco in Honduras, Santa Rita in El Salvador sowie Rancho Grande und La Fonseca in Nicaragua dazu. Diese „Kämpfe zur Verteidigung des Territoriums“ (S. 50-189) sind den vier Lebenselementen Feuer, Erde, Wasser und Luft zugeordnet, wodurch die Gemeinsamkeiten des Widerstandes gut zu erkennen sind, ohne dass es dazu großartiger Erklärungen bedarf. Im Anschluss (S. 192-263) werden Geschichten erzählt, bei denen sowohl die Menschen vor Ort als auch die Teilnehmer der Karawane zu Wort kommen.

Eingestreut finden sich eine Reihe praktischer Tipps, die von Anregungen zum energiesparenden Kochen über traditionelle Medizin bis zur Herstellung einer manuellen Wasserpumpe reichen. Die im Buch vereinten Recherchen, Interviews, Grafiken, Illustrationen und Erlebnisberichte, zu denen auch die Beschreibung der kurzzeitigen Verhaftung in Nicaragua (S. 209-212) gehört, bieten eine gute Kombination von ernsthafter Darstellung, selbstironisch präsentierten Episoden, die die Mühen und Freuden der Karawane schildern, und persönlichen Einblicken in das Leben der Menschen, mit denen die Kollektive in Aktion in Mesoamerika zusammengetroffen sind.

Neben den Erlebnissen und Erfahrungen rund um die 13 Gemeinschaften im Widerstand kommen auch wichtige Einzelthemen zur Sprache: die Rolle der Frauen (S. 84, 204/205), der Kampf von Berta Cáceres, die ihr Engagement für die Rechte der Lenca mit ihrem Leben bezahlt hat (S. 26, 139, 142, 205-209), der grüne Kolonialismus und der CO²-Handel auf Kosten der Wälder Zentralamerikas (171-176), Prinzipien der freie Medien-Arbeit (176-189) sowie die gefährliche Rolle der NGOs (S. 148-150). Glossar (S. 268-274) und Literaturverzeichnis (S. 275-278) runden den Sammelband ab.

Den Herausgebern ist es gelungen, wichtige und ernste Themen in einer Weise anzusprechen, die nicht nur Mut macht, sondern an der einen oder anderen Stelle den Leser oder die Leserin schmunzeln lässt. So fällt es auch leichter, sich in die Umstände und Akteure der Verteidigung der Lebensräume hineinzuversetzen. Es sind sehr persönliche Schilderungen, die mit vielen Details und Skizzen ausgeschmückt werden. Kennern der Materie mag dies überflüssig, unvollständig und manchmal auch etwas schematisch scheinen. Nimmt der Leser oder die Leserin jedoch das Buch so wie es gedacht und gestaltet ist, dann kommt er oder sie in den Genuss einer vielleicht ungewohnten, aber gerade deshalb nachdenkenswerten Lektüre. Wer präzise Analysen struktureller Zusammenhänge oder gesellschaftlicher Alternativen erwartet, kommt bei den Kollektiven in Aktion kaum auf seine oder ihre Kosten. Dafür erschließt sich beim Lesen eine Perspektive, die Empathie mit den Protagonisten eines (Über-)Lebenskampfes weckt bzw. befördert, dessen Dimensionen, Facetten und Folgen hierzulande den meisten unbekannt sind. In diesem Sinne liefert das hier rezensierte Buch eine wichtige Ergänzung sowohl für neugierige Interessenten wie auch für fachlich Orientierte. Der Rezensent, der sich letzteren zurechnet, hat den Sammelband jedenfalls mit Gewinn – manchmal mit einem kleinen Schmunzeln verbunden – gelesen.

Kollektive in Aktion (Hg.):

Die Welt sind wir. Buen Vivir und die Verteidigung von Lebensräumen in Mesoamerika.

Unrast-Verlag, Münster 2019

278 Seiten, 16 Euro

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