Ein Buch über Serienmörder in Lateinamerika
Totmacher. Das erinnert doch stark an einen Film aus den 1990er Jahren. Aber auf jeden Fall macht der Titel unmissverständlich klar, worum es in diesem Buch geht – um Mörder. Oder um genau zu sein: um Serienmörder. Und da das Buch Totmacher 6 heißt, ist ebenso klar, dass auch dieses Buch Teil einer Serie ist. Gerd Frank hat im Verlag Kirchschlager Arnstadt bereits fünf Bücher über Serienmörder in verschiedenen Regionen bzw. Ländern der Welt veröffentlicht. Die Nummer 6 widmet sich Lateinamerika. Das ist an sich bemerkenswert; denn obwohl Serienmörder gerade sehr „en vogue“ sind, findet sich unter der Vielzahl der mehr oder weniger seriösen Darstellungen keines über Lateinamerika.
In diesem Band also werden auf ca. 150 Textseiten 26 Fälle aus 11 Ländern Mittel- und Südamerikas geschildert. Allzu viel Platz bleibt da nicht pro Fall, zumal der Text sehr großzügig gedruckt wurde. Dazu kommt ein Nachwort des Herausgebers Michael Kirchschlager. Dieses Nachwort halte ich für sehr wichtig, auch wenn es leider nur vier Seiten umfasst. Kirchschlager macht das, was bei Gerd Frank weitgehend fehlt: Er versucht, Analyse zu liefern, das Thema Kriminalität in den gesellschaftlichen Kontext einzuordnen. Bei Frank entsteht zumeist der Eindruck, als fänden die Verbrechen im luftleeren Raum statt. Lateinamerika trägt bis heute das Erbe von Diktaturen und Bürgerkriegen. Das spielt kaum eine Rolle in dem Buch. Es wird kaum hinterfragt, kaum eingeordnet. Und wenn doch einmal ein Ausflug in die Theorie unternommen wird, dann beschränkt sich diese weitgehend auf das Zitieren von Texten, ohne einen engeren Bezug zum untersuchten Fall herzustellen. Stattdessen gibt der Autor Kommentare und Urteile ab, die man bestenfalls als naiv bezeichnen kann. Da ist von schlechten Genen (Alkoholismus) die Rede und von genetischen Defekten in der Familie (Depression). Oder es wird völlig distanzlos über die Anwendung der kriminalbiologischen Theorien Lombrosos durch Ermittler berichtet und darauf verwiesen, dass diese ja sogar teilweise Recht hatten, schließlich sei der Täter wirklich ein Mestize gewesen. Was bei einem Land wie Mexiko mit ca. drei Vierteln mestizischer Bevölkerung ja schon überrascht. Aber Gerd Frank scheint das nicht zu wissen. So bietet „Totmacher 6“ leider über weite Strecken lediglich eine Aufzählung von Verbrechen. Das geht so weit, dass der Autor einfach die Namen der Opfer auflistet; was schon einmal über 15 Zeilen gehen kann, bei gerade einmal drei Textseiten. Das ist pure Zeilenschinderei.
Das Ärgerlichste an diesem Buch ist jedoch sein Stil. Pitavals, oder wie man die Sammlungen von Kriminalfällen auch nennen mag, zeichnen sich nach meiner Erfahrung häufig dadurch aus, dass sie sichtlich nicht von Schriftstellern geschrieben wurden. „Totmacher 6“ bildet da keine Ausnahme. Die Lektüre dieses Bändchens gestaltet sich zunehmend zu einem Ärgernis. Zum einen liegt das an der nicht sonderlich stringenten Darstellung. Der Autor springt häufig – sowohl zeitlich als auch logisch. Das macht es nicht immer einfach, den roten Faden zu finden. Häufig werden Schlüsse gezogen, die man aus dem Text heraus nicht nachvollziehen kann. Pérez befindet sich seit 2011 in einem Flügel des Hochsicherheitstraktes „Colina 1“, im vierten Stock des Gefängnisses von Santiago de Chile. Dies bedeutet, das 14 Zellen neben ihm unbesetzt sind.(S. 118) Zum anderen wimmelt es in diesem Buch geradezu von falschen Bezügen, die die Interpretation mitunter abenteuerlich werden lassen. Immer wieder wurden (…) Mädchenleichen (…) gefunden. Die meisten von ihnen waren erst acht oder neun Jahre alt gewesen. (S. 81) Sind da jetzt die Leichen gemeint?
Hinzu kommt eine Neigung zu Adjektiven wie schaurig oder grausig, die sehr an Boulevard erinnern. Der Autor findet generell nicht selten zu recht eigenen Formulierungen. So ist z.B. von zweifelhaftem Erfolg die Rede, als einem Täter ein Mord schließlich gelingt. (S. 119) Was will uns der Autor mit dieser Formulierung verdeutlichen? Und was bitte sind primitivste Speisen? Hin und wieder erwischt Frank auch einfach nur den falschen Begriff. Das kann schon unfreiwillig komisch sein, etwa wenn davon die Rede ist, dass die Mutter eines der Protagonisten unverhofft gestorben ist. Und so weiter, und so fort…
Wer also Fakten über lateinamerikanische Mörder haben möchte und zudem recht drastische Abbildungen sucht, liegt mit „Totmacher 6“ genau richtig. Mehr erwarten sollte er allerdings nicht.
Gerd Frank
Totmacher 6
Verlag Kirchschlager. Arnstadt: 2016