Das Leben war immer schwierig und schön gewesen, nicht zu ersetzen, und der Fürst Orsini hatte die fünfhundert Peso nicht. Das Ganze ist ein einziges Scheitern, nicht nur für den Fürsten Orsini. Dieser Orsini unbestimmbarer Herkunft und möglicherweise Fürst, ist nichts weiter als ein Impresario, der mit einem Ringer – dem Weltmeister – durch die Welt und nunmehr auch durch Lateinamerika tingelt und diesen Schaukämpfe gegen Herausforderer bestehen lässt. Die Kämpfe mit dem trinkenden und bereits leicht verfetteten „unbesiegbaren Riesen“ sind von Orsini arrangiert, jeder mutige Herausforderer wird letztlich dafür bezahlt, dass er vom Champion in kürzester Zeit buchstäblich aufs Kreuz gelegt wird. Doch dann zerstört ein Herausforderer die Routine und lässt sich nicht bestechen. D.h., es ist nicht der Herausforderer selbst, sondern dessen unerbittliche Braut, die ihren künftigen Ehemann in den Kampf schickt, weil das Paar die 500 Pesos für seine Hochzeit gut gebrauchen kann. Orsini befürchtet die Niederlage seines Schützlings und bereitet die Abreise noch vor dem Kampf vor; doch der Champion, von seiner überragenden Form überzeugt, will den Kampf auf jeden Fall bestreiten. Er wird diesen gewinnen und ganz Santa María gegen sich aufbringen. Die Braut aber, die den Kampf herausgefordert hat, taucht unvermutet an der Seite ihres schwerverletzten Verlobten auf und begann den Mann, der verloren hatte, den anderen, mit Füßen zu traktieren und anzuspucken.
Die Erzählung „Jacob und der andere“ mutet absurd an, irgendwie auch surreal. Aber bei diesem Begriff sollte man vorsichtig sein, wenn es sich um lateinamerikanische Literatur handelt, er wird leicht missverstanden. Kann eine Geschichte eigentlich fesseln und gleichzeitig „kalt“ lassen? Onettis Sprache wirkt fast distanziert, unbeteiligt und doch hat er den Leser sofort am Haken. Mir geht es jedenfalls so, und nicht nur bei diesen Erzählungen.
Die Geschichten des Bandes „Die so gefürchtete Hölle“ sind, nicht überraschend, bevölkert von Onettis üblichen Verdächtigen: Betrügern, gescheiterten und/oder unglücklichen Liebenden, Verzweifelten, Glücksrittern. Da ist der nicht mehr junge Mann in „Das Gesicht des Unglücks“ mit seiner zum Scheitern verurteilten Liebe zu einem jungen Mädchen. Oder der Journalist Rossi in der Titelgeschichte, der von seiner rachsüchtigen geschiedenen Frau gestalkt wird. Sie schickt ihm und anderen, ihm nahe stehenden, Personen, pornografische Bilder, womit sie ihn im wahrsten Sinne des Wortes zur Verzweiflung und schließlich in den Selbstmord treibt. Und da ist natürlich auch Santa María, die imaginäre Stadt, die man aus Romanen des Uruguayers kennt und die, wie sein Protagonist Larsen einmal behauptet, eine Erfindung von Brausen aus „Das kurze Leben“ sei. Selbst diesem Brausen begegnet man in einer Erzählung, wenn auch nur als Denkmal.
Erschienen sind die Erzählungen des vorliegenden Bandes zwischen 1946 und 1961. Die Bezüge zur Santa-María-Trilogie in einigen dieser Geschichten ist also nicht verwunderlich. Man kann wohl sagen, dass Erzählungen wie „Jacob und der andere“ oder „Die so gefürchtete Hölle“ Illustrationen zu den Romanen des Zyklus liefern, das Bild der Protagonisten und vor allem auch das des Ortes Santa María vervollständigen und bereichern.
Apropos bereichern: Der Band „Die so gefürchtete Hölle“ wurde um einen umfangreichen Anhang ergänzt: eine Zusammenstellung der spanischsprachigen Ausgaben der Erzählungen Onettis, Bücher über den Autor, biografische Angaben. Alles in allem eine gute Zusammenstellung um den großen Unbekannten der lateinamerikanischen Literatur den deutschen Lesern nahe zu bringen.
Juan Carlos Onetti
Die so gefürchtete Hölle
Suhrkamp Taschenbuch Verlag. Berlin 2018