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Der Herr von Sipán

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 3 Minuten
Rezension - Der Herr von Sipán (318 Downloads )

Moche-Krieger,Quelle: Dößel 2008Also, ich sage es gleich zu Beginn: Ich mag diese ewigen Spielszenen in Dokumentationen mit historischer Thematik nicht. Sie nerven und sind meist höchst albern. In dem Film “Der Herr von Sipán” über das Volk der Mochica im vorinkaischen Peru beschwört besagter Herr von Sipán – in welcher Sprache auch immer – den Gott Ai-Apaiec, werfen sich seine Untertanen ehrfurchtsvoll in den Sand und wagen es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Und junge Mädchen, von einem Halluzinogen berauscht, springen freudig und stolz dem Opfertod entgegen.

Nun hatten aber die Mochica, auch Moche genannt, keine Schrift, Aufzeichnungen von ihrer Hand gibt es nicht. Alles, was man von ihnen weiß, wurde anhand archäologischer Artefakte rekonstruiert. In vielem ist man auf Vermutungen angewiesen. Die Entdeckung der Gräber von Sipán in Nordperu im Jahre 1987 stellte einen Meilenstein in der Mochica-Forschung dar, ermöglichen die zahlreichen Fundstücke doch Rückschlüsse auf das kultische und (wenn auch eingeschränkt) auf das Alltagsleben dieses Volkes. (vgl. auch: Vor 17000 Jahren… Quetzal. Heft 30/ Frühjahr 2001) Und so kennt man heute das Aussehen des Hauptgottes der Moche von Darstellungen auf zahlreichen Gefäßen und Wandmalereien, aber nicht seinen tatsächlichen Namen. In der Forschung heißt er Kopfabschneider, Ai-Apaiec.

Doch im Film werden wissenschaftliche Vermutungen über das soziale und religiöse Leben der Moche zu Tatsachen und in phantasievollen Spielszenen ausgeschmückt. Nur ganz zum Schluss wird die Begräbniszeremonie für einen Herrscher gezeigt, wie sie gewesen sein könnte. Und damit ist die vom “Märchenspiel” genervte Rezensentin wieder versöhnt. Denn abgesehen von der schlichten Visualisierung des Lebens der Mochica hat sie eine gute und höchst informative Dokumentation über dieses altperuanische Volk gesehen. “Der Herr von Sipán” quillt über von Informationen, beleuchtet viele Facetten des Lebens dieser alten Peruaner.

Der Film würdigt angemessen die wirtschaftlichen und technischen Leistungen der Mochica. Da wäre das höchst effektive Bewässerungssystem zu nennen. Oder der Häuserbau mit flexiblen Verbindungen, die den häufigen Erdbeben in dieser Region standhalten konnten. Und nicht zu vergessen ihre Goldschmiede- und Töpferkunst, deren Meisterschaft bis heute verblüfft.

Der Zuschauer erfährt auch von den Schwierigkeiten bei der Freilegung der berühmten Gräber, den Auseinandersetzungen mit Grabräubern, die das Archäologenteam zeitweise regelrecht belagerten. Zu diesen Schwierigkeiten zählt nicht zuletzt der Geldmangel, der eine siebenjährige Pause der Ausgrabungen erzwang. Erst im Jahre 2007 konnte die Arbeit wieder aufgenommen werden. Bei dieser Grabungsphase, in der ein weiteres Grab freigelegt wurde, war der Spanier José Manuel Novoa mit der Kamera dabei. Und so erhält der Zuschauer die Möglichkeit, bei der Entdeckung eines weiteren Herrschers von Sipán live dabei zu sein.

Hätte Novoa seine Zeit nicht mit der Inszenierung von theatralischen Szenen “vergeudet”, dann hätte er noch so manche interessante Frage klären können. Zum Beispiel die nach der besonderen Ernährung für die Männer der Oberschicht, mit der Grabungsleiter Walter Alva den guten Zustand der Zähne des Señor erklärt. Das legt nahe, dass die anderen – nicht hoch herrschaftlichen oder weiblichen – Toten keine so guten Zähne hatten. Alva hatte das sicher näher erläutert, nur leider war dafür im Film keine Zeit. Doch davon und von den Fantasy-Szenen einmal abgesehen, ist diese Dokumentation wirklich informativ und sehenswert.

Der Herr von Sipán (Spanien 2008). arte 31. 05. 2009

Bildquelle:
Foto von Karin Wieckhorst. Aus “Kunstwerke der Welt. Die Amerikas”. GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig. Dößel 2008. (Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung)

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