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Drogen, Dollar und Demokratie in Mexiko

Kristin Seffer | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat für sich das Thema der Drogenkriminalität und Geldwäsche entdeckt und lud deshalb zu der zweitägigen Veranstaltung „Drogen, Dollar, Demokratie in Mexiko und Brasilien“ ein. Für den Abend zu Mexiko hatte die Stiftung einen Vertreter einer Menschenrechtsorganisation in Mexiko (Centro Pro DDHH), einen Vertreter des Institute for Policy Studies in Washington, D.C. sowie einen Wissenschaftler der Fundación para las Relaciones Internacionales y el Diálogo Exterior (FRIDE, Madrid) geladen.

José Marroquín Farrera vom Centro Pro DDHH in Mexiko Stadt gab zunächst eine überblicksartige Einführung zum Thema Drogenhandel und politische Verstrickungen in Mexiko in den vergangenen 30 Jahren. Er stellte die Drogenbekämpfungsstrategie der verschiedenen Regierungen in einem kurzen Abriss dar, um mit dem Fazit abzuschließen, dass die Strategie (bisher) erfolglos blieb. Eines der größten Probleme sei dabei die mangelhafte Ausstattung der mexikanischen Polizei, die eine Involvierung des Militärs nötig mache. Zunächst sei die Polizei zwar bürgernäher und werde vor allem da eingesetzt, wo die Gewalt nicht so hoch ist. Jedoch scheint die Polizei auch höchst anfällig für Korruption. Das Militär verstoße andererseits oft gegen Menschenrechte. Zwischen 2007 und 2008 deckten Journalisten insgesamt 86 Fälle des Missbrauchs von Angehörigen des Militärs an Straßensperren auf. Unter den Opfern befinden sich den Angaben zufolge am häufigsten Frauen und Kinder. Problematisch ist aus Sicht der Organisation, dass Militärs nie vor Zivilgerichten für ihre Taten zur Verantwortung gezogen würden. Zur derzeitigen Eskalation der Gewalt in Mexiko sagte Farrera, dass die Ermordungen, die in Verbindung mit dem Drogenhandel gebracht werden, mittlerweile als Zeichen der Schlechtigkeit (maldad) dieser Akteure interpretiert werden. Die Gesellschaft akzeptiere daher die hohe Zahl an Exekutierten. Eine Hypothese in den mexikanischen Medien für die Eskalation sei, dass Militärs bestimmte Organisationen des Drogenhandels bevorzugten, was konkurrierende cárteles auf den Plan rufe.

Leider schien der Referent davon auszugehen, dass diese Problematik in Deutschland nahezu unbekannt ist. Der Vortrag war relativ unstrukturiert und eher lückenhaft. Die von mir unterstellte Vermutung Farreras wurde durch die Nachfrage einer völlig unvorbereiteten Journalistin („Das Thema ist ganz neu für mich“), zudem bestätigt.

Manuel Pérez Rocha vom Institute for Policy Studies ging auf die Kooperation Mexikos mit den USA im Kampf gegen den Drogenhandel ein. Den Fokus legte er vor allem auf ASPAN (Allianz für Sicherheit und Wohlstand in Nordamerika). Diese Organisation sei, so Rocha, eine höchst undemokratische Institution, die auf höchster Ebene Einfluss ausübe. Mitglieder sind die jeweils zehn größten Wirtschaftskonsortien Kanadas, der USA und Mexikos. Gemeinsam mit den Regierungen versuchen sie, Sicherheit aufrechtzuerhalten oder zu schaffen, um in Ruhe den länderübergreifenden Handel zu ermöglichen. Das heißt, es gehe einerseits darum, größtmögliche Sicherheitsbedingungen zu schaffen (u.a. illegale Migration zu verhindern), um andererseits eine größtmögliche Deregulierung des Handels zu erreichen. Beschlüsse zu diesen Themen werden an den Parlamenten vorbei getroffen. In diesem Zusammenhang sei auch die Merida Initiative zu sehen, die die Unterstützung Mexikos bei der Bekämpfung des Drogenhandels vorsieht und in Anlehnung an den Plan Colombia auch als Plan Mexico bezeichnet wird. Rocha stellte die Stärkung des Militärs bei gleichzeitig schwach bleibenden Polizeistrukturen als besonders bedenklich heraus, womit er sich der Meinung seines Vorredners anschloss. Auch Rocha betonte, dass die Militärstrategie nicht zur Eindämmung des Drogenhandels geführt habe. Stattdessen resultieren aus den „Enthauptungen“ einzelner Kartelle Kämpfe um Gebietsansprüche, da andere Kartelle in das neu entstandene Machtvakuum drängen. Er sprach sich dafür aus, vor allem den Polizeisektor zu reformieren und zu stärken und in den USA den Verkauf von Waffen zu kontrollieren, die relativ problemlos nach Mexiko gelangen.

Eine Einordnung Mexikos in eine globale Perspektive auf dem Politikfeld Drogenhandel hatte sich Ivan Briscoe vom FRIDE vorgenommen. Er ging auf die gestiegene Bedeutung Mexikos im internationalen Drogenhandel ein und schloss sich ausdrücklich der Meinung seiner Vorredner zum „Erfolg“ der militärisch basierten Strategie im Kampf um den Handel illegaler Drogen an. Schwache staatliche Strukturen hätten ein System des Austausches von Gefälligkeiten (favores) etabliert. Für viele Menschen sei der Drogenhandel zudem eine potentielle Einkommensquelle.

Briscoe stellte die Hypothese auf, dass die Folgen der Drogenbekämpfungsstrategien, vor allem die Auseinandersetzungen zwischen den Kartellen, letztlich intendiert seien, wenn sie auch nicht dazu führten, dass der Drogenhandel zurück gehe, oder Kartelle ganz verschwänden. Er ging ebenfalls auf die Korruptionsanfälligkeit der lokalen Polizeieinheiten ein sowie die Unterwanderung von Unternehmen und legalem Handel durch die Drogenkartelle. Zudem sprach er das Phänomen der Zetas an, die mittlerweile ein dichtes Netz von Taxifahrern und Händlern aufgebaut haben, welche Drogen schmuggeln.

Die Grenze Mexikos zu den USA und damit zum größten Absatzmarkt illegaler Drogen einerseits sowie der Quelle für Waffen andererseits ist nicht nur für die Kartelle interessant, sondern auch für Arme auf der Suche nach einer Einkommensquelle. Diese beiden Phänomene würden an dieser Stelle aufeinandertreffen.

Zum Abschluss sprach er die Unterwanderung der Gemeinden durch die Kartelle an. So verlautete die Generalstaatsanwaltschaft Mexikos (PGR) im Juli, dass 80 Prozent aller Gemeinden von Drogenhandel unterwandert seien. Es handele sich in Mexiko also weniger darum, dass es keine Rechts- oder Regierungsstrukturen gebe, sondern dass sie alternativ verwaltet bzw. regiert würden. Währenddessen sprach Farrera davon, dass es keine staatlichen Strukturen gäbe.

Auf Nachfrage einer Vertreterin der Tageszeitung „Die Welt“, welche drei Punkte die Referenten als Notwendigkeit erachten, den Drogenhandel in Mexiko einzuschränken, sagte Rocha, dass es in den USA einer stärkeren Kontrolle des Waffenverkaufs bzw. –handels bedürfe, dass eine neue Wirtschaftspolitik notwendig sei sowie der Übergang zu wirklicher Demokratie, was wiederum in der Verantwortung aller Mexikaner liege.

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