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Wikileaks: Der Wahlkampf treibt die Strategie des Drogenkriegs in Ciudad Juárez voran

Laura Carlsen | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten
  • „Wir haben 18 Monate“ – Es bleibt keine Zeit für die Einrichtung neuer Institutionen
  • Ziel ist, „die Konfrontation in der nächsten Regierung fortzusetzen“
  • Die mexikanischen Behörden kritisieren das Fehlen einer Strategie während der Anfangsphase der „Mérida-Initiative“

Puente Negro in Ciudad Juárez. Foto: Public DomainLaut Wikileaks-Depesche 002882 ist das Hauptanliegen der US-amerikanischen und der mexikanischen Regierung, in Ciudad Juárez vor den Präsidentschaftswahlen in Mexiko 2012 „Erfolg“ zu demonstrieren, und sie verzichteten auf langfristige Strategien zur Bekämpfung der anhaltenden Gewalt, von der die Grenzstadt betroffen ist. Die Mitglieder des Kabinetts von Calderón sprachen offen von der Notwendigkeit, „die Konfrontation in der nächsten Regierung fortzusetzen“.

Der folgende Auszug der Depesche 002882 vom Oktober 2009 betont:

„Bei einem Abendessen, welches von der mexikanischen Generalstaatsanwaltschaft (PGR) für eine Gastdelegation des US-amerikanischen Justizministeriums gegeben wurde, sagten der Koordinator für Nationale Sicherheit, Jorge Tello Peón, und der Staatssekretär für Inneres, Gerónimo Gutiérrez Fernández, vor dieser Delegation, dass sie gern ernsthaft darüber diskutieren würden, die vereinten Kräfte beider Länder auf zwei oder drei Schlüsselstädte zu konzentrieren, um der aktuellen Welle von Gewalt und Instabilität Einhalt zu gebieten und den Erfolg im Kampf gegen den organisierten Drogenhandel innerhalb der nächsten 18 Monate zur Schau zu stellen. Sie schlugen vor, in Ciudad Juárez, Tijuana und einer weiteren Stadt mit einer gemeinsamen Planungsgruppe zur Erörterung der Mittel, auf die man kollektiv zurückgreifen könnte, zu beginnen. Sie glauben, dass es einen hohen symbolischen Stellenwert haben würde, die Ordnung einiger der gewalttätigsten Städte umzukehren, da so dem Rest des Landes das Signal gesendet würde, dass der Kampf gegen das organisierte Verbrechen gewonnen und das vorherrschende Gefühl von Machtlosigkeit, das viele Mexikaner empfinden, bekämpft werden könne. Sie meinen außerdem, dass dies einen enormen Beitrag zur Verbesserung des angeschlagenen internationalen Ansehens des Landes leisten könnte.”

„Fortsetzung” des Drogenkriegs hat Priorität

Laut dem in der Depesche präsentierten Versammlungsbericht,

„bleiben er [Gutiérrez Fernández] und weitere Beamte der mexikanischen Regierung auch aus heutiger Sicht dabei, dass strategische Angelegenheiten in der ersten Phase von Mérida nicht genau diskutiert worden seien. Das Augenmerk hätte zu stark auf der anfänglichen Planung der Arbeitsgruppe gelegen. Jetzt erst sei ihnen bewusst geworden, dass es noch dauere, bis die Gruppe eingesetzt werde, und dass es noch umso länger dauern werde, bis sie von direktem Nutzen im Krieg gegen den organisierten Drogenhandel sein werde. Von unmittelbarerer Wichtigkeit sei der Aufbau von Institutionen, die die Gruppe effektiv nutzen könne.”

Anstatt darauf einzugehen, wie Institutionen aufgebaut werden könnten, wird in der Depesche überaschenderweise weiterhin hervorgehoben, dass es – aufgrund der anstehenden Bundeswahlen – bereits zu spät für die Entwicklung von Institutionen sei:

„Gutiérrez betonte jedoch, dass ihm jetzt bewusst werde, dass nicht einmal mehr Zeit bleibe, um den Aufbau von Institutionen in den verbleibenden Jahren der Regierung von Calderón in Gang zu setzen. ‚Wir haben 18 Monate’, sagte er, ‚und wenn wir keinen für das mexikanische Volk ersichtlichen, greifbaren Erfolg erzielen, wird es schwierig sein, die Konfrontation in der nächsten Regierung fortzusetzen’.“

Das in der Depesche genannte Ziel ist „die Fortsetzung der Konfrontation“. Dies ist keine gute Nachricht für die Bewohner von Ciudad Juárez. Die oberflächliche Zielsetzung, in spätestens 18 Monaten in den Schlüsselstädten Erfolge zu demonstrieren, ohne den Konflikt zu lösen, könnte repressive Taktiken begünstigen, die lediglich die Gewalt geographisch verlagern oder zu einem Militär- bzw. Polizeistaat führen würden, der die Gewalt auf Kosten der Grundfreiheiten beseitigt. Ohne die Beseitigung der Gewalt oder die Zerschlagung der Drogenkartelle auch nur zu erwähnen, lässt die Depesche ernsthafte Zweifel an den tatsächlichen Motiven hinter dem Drogenkrieg aufkommen.

Ganz im Gegenteil scheint es so, als ob die US-Regierung die Priorität des Kabinetts von Calderón befürwortet, einen „symbolischen“ Sieg für die Regierung vor Ablauf seiner Amtszeit zu erringen, und die Weiterführung des Drogenkriegs in der kommenden Regierung zu gewährleisten.

In der Depesche wird von einer Strategie gesprochen, die nicht die Zerschlagung der Kartelle, sondern die verstärkte Unterstützung eines Krieges gegen die Drogen, dem es an Transparenz mangelt und der weder mit dem Einverständnis des Bundeskongresses noch des mexikanischen Volkes begonnen wurde, zum Ziel hat. Ein Krieg, dem es außerdem an einer klaren Strategie und einer detaillierten Untersuchung der Lage fehlt, hat sich in Sachen öffentlicher Sicherheit als desaströs erwiesen und verliert in rasantem Tempo die Unterstützung der Öffentlichkeit.

Der Schlusskommentar der US-amerikanischen Botschaft zeugt von der Intention, die Strategie der „Auswahl einiger weniger Schlüsselstädte und des Bemühens, Sicherheit zu gewährleisten“, fortzusetzen. Sollten die beiden Regierungen diese Strategie tatsächlich seit Oktober 2009 verfolgt haben, so ist es ein spektakulärer Misserfolg. Im Jahr 2010 verzeichnete Ciudad Juárez einen Rekord von 3.000 Toten im Zusammenhang mit dem Drogenkrieg. Die Stadt ist dabei, ihren eigenen Rekord zu brechen und ihren Platz als Welthauptstadt des Mordes im Jahr 2011 zu verteidigen.

Laura Carlsen ist Leiterin des Programa de las Américas des Zentrums für Internationale Politik in Mexiko-Stadt, www.cipamericas.org.

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Der Artikel erschien im Original am 16.03.2011 bei www.cipamericas.org. Mit freundlicher Genehmigung des Americas Program.

Übersetzung aus dem Spanischen: Bettina Proft

Bildquelle: Public Domain

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