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Punk, Rock und Revolution

Nora Habundia | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten
Kuba - Punk, Rock und Revolution (160 Downloads )

Punk, Rock und Revolution - Bild: Oriana EliçabeDenkt man an kubanische Musik, so denkt man an die eleganten älteren Herren, denen WimWenders mit seinem Film Buena Vista Social Club zu weltweitem Ruhm verholfen hat. Doch Kuba hat mehr zu bieten als Bolero, Rumba und Son.

Über die moderne Musikszene Kubas, über neue und schräge Bands hört und liest man in den „westlichen“ Medien nur selten, obwohl sich seit den 90er Jahren eine neue Generation von Rockmusikern etabliert hat. Die daraus entstandene Szene erweist sich hinsichtlich ihrer Stilvielfalt als international anschlussfähig: Pop Rock, Hard Rock, Trash-, Deathund Heavy-Metal, aber auch Punk und experimentelle Rockmusik – alle Arten von Rockmusik sind vertreten. Dabei hat es der Rock in Kuba keineswegs leicht gehabt.

Rockmusik in Kuba

Die Rockgeschichte Kubas beginnt Ende der 50er Jahre, als der Rock’n’Roll mit der Musik von Elvis Presley ins Land strömt. Auch in Kuba gilt Presley als musikalisches Vorbild. Seine Songs werden gecovert, Bands wie die „Hot Rockers“ mischen den Rock’n’- Roll mit den Rhythmen des Cha-Cha-Cha.

Die Revolution 1959 bringt eine veränderte Kulturpolitik. Nach der Verstaatlichung von Unterhaltungsindustrie, Rundfunk und Fernsehen verlassen die US-amerikanischen Plattenfirmen die Insel; und durch die Wirtschaftsblockade der USA verlieren viele Künstler ihre Absatzmöglichkeiten im Ausland.

Trotz zunächst verschlechterter Auftritts- und Verdienstmöglichkeiten für etablierte Musiker bringt die Kulturpolitik jener Zeit zahlreiche Verbesserungen für die Bevölkerung: Die musikalische Ausbildung wird kostenfrei, und die Alphabetisierung ermöglicht vielen Kubanerinnen und Kubanern überhaupt erst eine Teilhabe am Kulturleben.

Der Rock hat es zunächst schwer, sich durchzusetzen. Das Abspielen zeitgemäßer Rockmusik, wie die der „Beatles“ oder der „Rolling Stones“, ist zwar nicht verboten, wird aber auch nicht gefördert. Ab 1973 herrscht eine generelle Ausstrahlungssperre für angloamerikanische Musik. Dennoch finden die jungen Kubaner Mittel undWege, sich die Musik ihrer Idole zu beschaffen. So finden Elemente des Rocks Eingang in die Nueva Trova: Liedermacher wie Pablo Milanés oder Silvio Rodríguez lassen sich von Bob Dylan und Joan Bàez inspirieren.

Mit dem ersten Rockfestival auf kubanischem Boden, dem „Invierno Caliente“ 1981, erhält die Szene einen wichtigen Impuls. Mit dabei sind zwei Bands, die in der Geschichte des kubanischen Rock eine Zäsur setzen: „Sintesis“ und „Arte Vivo“. Beide Gruppen mischen Hardrock mit vielerlei Stilen. „Sintesis“ kreiert darüber hinaus eine Musik, die Rock mit afrokubanischen Rhythmen verflicht.

Ab 1987 gibt es einen Schallplattenpreis für Rockgruppen, die Szene bleibt aber noch auf Havanna beschränkt, wo mit dem „Patio de Maria“ eine Auftrittsstätte für Rockbands geschaffen wird. Die Lockerung der Verhältnisse führt zur Akzeptanz von Rockmusik. Der in den 90er Jahren entstehende, immer härter werdende „Rock nacional“ lässt Metal-Bands wie „Zeus“ und „Tendencia“ gesellschaftsfähig werden – obgleich langhaarige Typen auch heutzutage noch allzu gern beäugt werden.

Der Alltag der Musiker

Punk, Rock und Revolution - Bild: Oriana EliçabeDas Leben eines kubanischen Musikers ist auch heute keineswegs leicht. Jungen Bands fehlt das Equipment, Instrumente sind schwer zu beschaffen oder unerschwinglich. Es mangelt an Ersatz- und Reparaturmaterial. Die Transportmöglichkeiten sind schlecht, es fehlen Mittel für die Werbung. Mit Beginn der „Spezialperiode“ spitzt sich die Situation zu, was die viel gerühmte Improvisationsfähigkeit der Kubaner befeuert: Gitarrensaiten werden durch Kabel ersetzt, Plattenspieler als Verstärker genutzt, Metallfässer dienen als Schlagzeug. Sicherlich: Das alles führt nicht zu einer Verbesserung der Klangqualität, gespielt wird dennoch.

Alben im eigenen Land qualitativ hochwertig zu produzieren ist schwierig. Das staatliche Label EGREM bringt nur 50 bis 60 CDs pro Jahr heraus. Viele Musiker versuchen deshalb, ihre Alben im Ausland zu produzieren, wie die Metal-Band „Tendencia“, die ihr Album „Re-evolution“ bei der deutschen Firma „System Shock“ einspielt.

Berühmt und doch underground

Die Band „Tendencia“ gründet sich Ende 1993 in Pinar del Río und spielt zunächst Trash-Metal. Seit 1998 findet „Tendencia“ mehr und mehr zu einem eigenen Stil: Sie entwickelt den „Etno-Metal“, auch „Metal Mestizo“ genannt, der den schweren, schleppenden Gitarrensound des Metal mit afrokubanischen Klängen mischt.

Zwei der Bandmitglieder arbeiten nebenbei für die Asociación Hermanos Saiz (AHS), einer Nichtregierungsorganisation, die sich der Förderung von jungen kubanischen Talenten widmet. Sie verhilft Künstlern aller Sparten zu Auftritten, sorgt für Transport, Unterkunft sowie den technischen Support. Über die AHS werden auch regelmäßig Rock- und Hip-Hop-Festivals initiiert, wie z.B. das seit 1995 jährlich stattfindende Rockfest in Pinar del Río.

Punk cubano

Einen enorm schwierigen Stand hat der Punk in Kuba. Gründe dafür sind z.B. die mangelnde Kenntnis über die Ideengeschichte des Punks oder die gesellschaftliche Abwehrhaltung dem „verrückten“ Genre gegenüber. Die Punk-Szene Kubas ist klein, so wie das bei jeder Avandgarde der Fall ist. Im Westen ist das nicht anders. Anders jedoch ist, dass der Punk im Westen nicht mehr verbannt wird. Er wird, bis auf wenige, gesellschaftlich angepasste Punkbands, aber auch nicht hofiert, sondern weitgehend ignoriert.

Eine Grundhaltung des Punk ist die Abwehr gesellschaftlicher Normierungsprozesse, die – persönlichkeits- und temperamentssabhängig – in offen kritisches oder totales Verweigerungsverhalten der jeweiligen Gesellschaft gegenüber münden kann. Der Punk ist als linksorientierte Musikform in England und den USA Ende der 70er Jahre entstanden, auch als Anti-Gebärde gegenüber einem alles verschlingenden, Originalität vernichtenden Musik- und Kunstmarkt. Ob man die Ansichten des Punk teilt oder nicht, künstlerisch hat er immens viel zu bieten. Schon allein deshalb, weil er so radikal kritisch und abseitig ist.

Im November 2008 fand in Santa Clara wieder das „Metal City Festival“ statt. Seit 1997 kommen hier Punk- und Metal-Fans aus ganz Kuba zusammen, um bei Konzerten mehrerer Bands die karibischen Nächte durchzupogen.

Internationale Öffnung

Kuba hat sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr für die internationale Rockmusik geöffnet. Viele ausländische Musiker und Bands haben in Kuba Konzerte gegeben, wie Manu Chao, „Audioslave“, „Manic Street Preachers“ und „Die Toten Hosen“. Fans und Berufskollegen dürften gleichermaßen begeistert sein: Die Rockmusik ist angekommen, wenn auch mit einiger Verspätung.

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Bildquelle: Hip-Hop Festival in Havana 2006. Oriana Eliçabe.

Original-Beitrag aus: Cuba Sí Revista 01/2009, S. 11. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Zeitschrift.

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