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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Kunst in Havanna
Ein Gespräch mit dem Schriftsteller und Künstler Alberto Hernández Sánchez

Zeljko Crncic | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten
Kuba - Kunst in Havanna (104 Downloads )

Kuba spaltet seit Jahrzehnten die Gemüter. Gilt es den einen als repressives Überbleibsel des real existierenden Sozialismus mit der zugehörigen Unterdrückungsmaschinerie, sehen die Anderen im Karibikstaat ein relativ erfolgreiches Experiment einer gesellschaftlichen Umgestaltung, das seit nun 50 Jahren dem großen „Bruder“ aus dem Norden Paroli bietet.

Von diesen diametralen Bewertungen abgesehen, lässt sich nicht bestreiten, dass auf Kuba eine rege kulturelle Aktivität stattfindet, die eine interessante Musik- und Literaturszene beinhaltet. Auch die Kunst genießt in Kuba einen relativ hohen Stellenwert. So wird seit 1982 in Havana eine Biennale durchgeführt, um Künstlern aus dem In- und Ausland eine Plattform des Austausches zu bieten.

„Der Staat hat ein hohes Interesse, die Kunst im Volk populär zu machen“, meint Alberto Hernández, ein national und international aktiver Galerist und Autor von Kinder- und Jugendbüchern.

Angesichts der schwierigen Lage, der sich Künstler hier zu Lande oft gegenübersehen, drängt sich die Frage auf, ob die „Liebe des Volkes“ zur Kunst vor dem Hintergrund der dramatischen ökonomischen Probleme auf der Insel nicht einen Teil des staatlichen Diskurses darstellt. Hernández verneint entschieden:

„Das Interesse ist eindeutig, die Tausende von Besuchern auf der Biennale und der internationalen Buchmesse, die sich trotz wenig Geld in der Tasche Bücher kaufen, spricht für sich.“

Der Künstler und Schriftsteller besteht auf der Feststellung, dass das Kunstinteresse auf Kuba über die Rhetorik hinaus eine Tatsache ist. Diesem Interesse soll die Biennale entsprechen, die jede zwei Jahre durchgeführt wird. Zunächst an einem zentralen Ort ansässig, wurde sie aktuell dezentralisiert, um einen größeren Kontakt zum Publikum zu gewährleisten. Sie behandelte während ihres Bestehens Themen wie den Individualismus, das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine – und immer wieder das Verhältnis zwischen der so genannten ersten und der dritten Welt, wie es Hernández ausdrückt. Eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang spielt das Centro Wifredo Lan, das 1983 als Forschungseinrichtung gegründet wurde. Diese Institution gestaltet die Biennale maßgeblich mit.

Dabei ist das Event ausdrücklich als Raum gedacht, in dem sich Künstler aus verschiedenen Ländern des Südens treffen und austauschen können. Mit der Zeit öffnete sich die Ausstellung jedoch auch Künstlern des Nordens, die über die Problematik des Verhältnisses zwischen den beiden Weltregionen arbeiten. Die Probleme des Südens, meint Hernández, beträfen schließlich immer mehr die Länder der ersten Welt.

Auch versuchen kubanische Künstler immer öfter, eine Brücke zwischen dem Kunstbetrieb und den alltäglichen Problemen der Menschen auf Kuba zu schlagen. Beispielsweise, wenn Kunstobjekte in gewöhnlichen Häusern ausgestellt werden und ihre Bewohner diese mit eigenen Worten den Besuchern vorstellen und so eine völlig neue, vom Künstler unabhängige Interpretation entsteht. Oder auch, wenn Künstler am Stadtrand von Havanna ein beschädigtes Haus in Stand setzen und auf diese Weise die institutionellen Verkrustungen und die Tatenlosigkeit der zuständigen Behörden geißeln.

Grundsätzlich ist das künstlerische Panorama auf Kuba vielschichtig, konstatiert Hernández:

„In einigen Bereichen sind die Entwicklungen schneller, in anderen schreiten sie langsamer voran“, meint er. Zögerlicher reagiert er auf die Frage nach der mit Auftrittsverbot belegten Punk-Band Porno para Ricardo.

„Es gibt spezielle Situationen, die Reaktionen hervorrufen, die über die ästhetische Produktion hinausgehen. Das hat dann mehr mit der Persönlichkeit des einzelnen Künstlers zu tun“ .

Eine unproblematischere Angelegenheit für die Regierung ist mittlerweile das Thema der Religion, vor allem diejenige der ehemaligen Sklaven. Der Inselstaat wird seit Jahrhunderten von der Kultur der Orishas beeinflusst, die die Sklaven aus ihrer westafrikanischen Heimat mitbrachten. Auf Kuba vermischten die Sklaven dann ihre Religion mit Elementen des Katholizismus und praktizierten einen Synkretismus, um der Repression ihrer Herren zu entgehen. Die so genannte Santería war auch immer ein Gegenstand künstlerischer Auseinandersetzung, auch wenn sie nach 1959 nicht immer wohl gelitten war:

„Es gab eine Periode des Unverständnisses“, führt Hernández aus, „Aber Mittlerweile ist das Phänomen eine Mode geworden.“

Auch in Zeiten „eines nicht totalen Verständnisses“ der Religion, malten Künstler Motive der Orishas.

„Ich glaube, dass die Orishas ein Grundbestandteil unserer Kultur sind und sich in ihr auch widergespiegelt finden.“

Die künstlerische Szene in Kuba ist durch das Zusammentreffen vieler verschiedener Einflüsse auch in Zeiten der Krise und der inneren Umbrüche interessant und vielschichtig. Bleibt zu hoffen, dass die möglichen politischen Änderungen, über die nach dem Rückzug von Fidel Castro vielfach geschrieben worden ist, die Kunstszene nicht zur bloßen Ware degradieren, aber auch, dass Punk-Bands in Zukunft als das wahrgenommen werden, was sie sind und nicht als Gefahr der öffentlichen Ordnung.

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