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Die Farc am Scheideweg

La Semana | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten

FARC (Foto: Public Domain)Die FARC sind gezwungen, einen Nachfolger für ihren obersten Kopf zu suchen, aber der neue Anführer wird nicht dieselbe Herkunft haben. Und die Streitkräfte werden den militärischen Druck aufrechterhalten. Für viele ist dies der Moment, um über einen verhandelten Ausstieg nachzudenken, bei dem die Guerilla wohl kaum Ansprüche anmelden darf.

Der Militärschlag gegen den obersten Anführer der FARC wurde von früheren Präsidenten, führenden Politikern und Politikwissenschaftlern mit einer Vielfalt von Adjektiven bezeichnet, die jedoch alle dasselbe ausdrückten: der Tod von ‚Alfonso Cano‘ ist ein Schlag gegen den Kopf, das Rückgrat und das Herz selbst der Guerilla. Auch wenn sich niemand zu sagen traut, dass es sich um den endgültigen Schlag gegen die FARC handelt, sind sich viele darin einig, dass er den Anfang vom Ende eines halben Jahrhunderts subversiver Gewalt darstellen könnte.

Seit 2008 haben die FARC schwere und heftige Schläge einstecken müssen. Am 2. März jenen Jahres wurde in der Provinz Sucumbíos (Ecuador) ‚Raúl Reyes‘ erschossen, der zu jener Zeit als Nummer 2 der FARC galt. Damals spürte die Guerilla, die seit 2002 begonnen hatte, sich gegen die gewaltige Offensive des kolumbianischen Staates (nach dem Scheitern des Friedensprozesses von Caguán) zu verteidigen, dass ihr Sekretariat begonnen hatte, verwundbar zu sein.

Im Mai desselben Jahres starb der oberste Anführer der Guerilla, Manuel Marulanda Vélez, auf natürliche Weise im kolumbianischen Dschungel. Damals übernahm ‚Alfonso Cano‘ die Leitung des Sekretariats der FARC und obwohl sein Profil des Ideologen die Türen für einen möglichen verhandelten Ausstieg öffnete, geschah genau das Gegenteil. ‚Cano‘ war wohlmöglich der radikalste der Guerilla, erinnert sich Analyst Alfredo Rangel, bis zu dem Ausmaß, dass er sich den Dialogen von Caguán entgegenstellte.

Mit ‚Cano‘ als Anführer der Guerilla erlitten die FARC weiterhin ihre schwersten Schläge. Einer nach dem anderen fielen mit vielleicht weniger großem Medienecho weitere Köpfe, die wichtige Funktionen innerhalb der wirtschaftlichen und militärischen Struktur dieser illegalen Organisation innehatten. Der Anschlag vom 23. September 2011, der bereits in der Regierungszeit von Juan Manuel Santos stattfand und den Namen Operation Sodoma trug, war ein weiterer Einschlag in das Innerste der FARC. Ihr militärischer Anführer, alias ‘Jorge Briceño Suárez’ oder ‘Mono Jojoy’, fiel einer Bombardierung der Luftstreitkräfte zum Opfer.

Nach diesem Schlag änderten die FARC angesichts der Belagerung der staatlichen Offensive, bei der, nach Beschreibung des Präsidenten Juan Manuel Santos selbst, das Militär zum ersten Mal „in den Unterschlupf der Guerilla eingedrungen war”, ihre Strategie. Die FARC verteidigten sich gegen die Belagerung, während sie eigene Manöver des Guerillakriegs gegen die Sicherheitskräfte vorantrieben. Im Februar verkündete Präsident Juan Manuel Santos, dass sie ‚Cano‘ im Nacken säßen und noch im selben Monat begannen die Versionen über einen Anschlag auf den Anführer der Guerilla zuzunehmen.

Aber, wie geht es jetzt mit den FARC weiter?

Der Politikwissenschaftler Alejo Vargas meint, dass der Tod von ‚Cano‘ in einem Moment geschieht, in dem die Guerilla ihre interne Führung verloren hat. Deshalb glaubt er, dass der Tod von ‚Cano‘ vielleicht wie kein anderer „die größte Spannung” im Inneren des Sekretariats der FARC erzeugen wird. Um die Nachfolge, so Vargas, werden sich wohl ‚Timochenko‘ und ‚Iván Márquez‘ streiten. Zwei Guerilleros unterschiedlicher Ausprägung, der erste militärischer, der zweite politischer. Aus diesem Grund geht der Politikwissenschaftler auch davon aus, dass die Entscheidung einige Zeit in Anspruch nehmen und vermutlich konfliktreich für das Innere der FARC sein wird.

Trotzdem glaubt Analyst Alfredo Rangel, dass, wer auch immer die Nachfolge antreten wird, nicht die selbe Herkunft innerhalb der Guerillatruppe haben wird, die ‚Cano‘ hatte, und sieht daher die größte Führungskrise in der Geschichte der FARC. Rangel meint, dass die Person, welche die Führung des Sekretariats übernehmen wird, keine andere Wahl haben wird, als über einen verhandelten Ausstieg aus dem Konflikt nachzudenken. Ein Szenario, bei dem die FARC, so der ehemalige Präsident Andrés Pastrana, der sich in seiner Amtszeit mit der Guerilla an den Verhandlungstisch setzte, „nichts mehr fordern können”.

Anders jedoch als viele meinen könnten, bedeutet der Tod von ‚Cano‘ nicht das Ende der FARC. Das sagt Víctor G. Ricardo, der Friedensbevollmächtigte während der Regierungszeit von Pastrana. „Die Guerilla ist so geschwächt wie nie zuvor, aber sie ist nicht am Ende”. Carlos Lozano, Geschäftsführer der Wochenzeitung VOZ, der die FARC kennt, meint, dass das unmittelbare Szenario sein wird, dass die Guerilla schnell den Nachfolger von ‚Alfonso Cano‘ ernennen wird, und dass das Militär diese Entscheidung abwarten wird, um eine neue Militäroffensive einzuleiten.

Worin sich jedoch alle einig sind, ist, dass die jüngsten Schläge gegen die FARC, und vor allem dieser, das Scheitern des bewaffneten Kampfes zeige und, wie der Präsident des Obersten Verwaltungsgerichts, Richter Mauricio Fajardo, nach Bekanntwerden der Nachricht sagte, „die Macht der Verfassung vorherrscht”. Führende Politiker unternahmen einen Aufruf zu einer großen gemeinschaftlichen Demobilisierung und dazu, dass sich die Anführer der Fronten und Kolonnen der Guerilla den Bedingungen für eine Wiedereingliederung in die Zivilgesellschaft unterwerfen.

Sie meinen, dass dies der ideale Zeitpunkt sein könnte, da aufgrund des Todes des Anführers, der mehr als 33 Jahre in den FARC und der letzte der Männer der zweiten Generation dieser Guerilla war, die Moral der Subversion am Boden liegt. Die Bedingungen für diese mögliche Demobilisierung sind in den durch die Regierung mittels ihres Hochkommissariats für Reintegration erbrachten Äußerungen enthalten. Eine Einladung, die der Verteidigungsminister machte, als er verkündete, dass es keinen Anführer einer Organisation gäbe, der sich den Streitkräften widersetzen könne. „Ihre Stunde hat geschlagen. Die Zeit ist gekommen.”, sagte Juan Carlos Pinzón.

Aber der Tod von ‚Cano‘ fällt auch in eine Zeit, in der der Kongress einen Gesetzgebungsakt prüft, damit die Verfassung zeitweise Mechanismen der Übergangsjustiz berücksichtigen soll, die es ermöglichen, „einen juristischen Rahmen” zu schaffen, damit die Guerilla die Waffen niederlegt. Eine Gesetzesinitiative, die Präsident Juan Manuel Santos selbst mit dem Vergleich gefordert hat, dass er einen Schlüssel brauche, um die Tür zum Frieden zu öffnen.

Original-Beitrag aus La Semana vom 05.11.2011. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift.

Übersetzung aus dem Spanischen: Monika Grabow

Bildrechte: [1] Public Domain

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