Mit der Verleihung des Friedensnobelpreises 1992 an die Maya-Indianerin Rigoberta Menchú widmete man dem Land endlich die Aufmerksamkeit, die es schon spätestens 1980, als die friedliche Besetzung der spanischen Botschaft durch landlose Campesinos mit einem Massaker endete, nötig gehabt hätte. Die guatemaltekische Regierung hatte damals als Antwort auf ein Gesprächsersuchen der 39 Besetzer die Botschaft samt Botschaftspersonal durch das Militär in Brand stecken lassen. Außer zwei Personen starben alle in den Flammen.
Der Preisverleihung an Rigoberta Menchú mußte die guatemaltekische Regierung, die das Land ungern von einer Ureinwohnerin repräsentiert sehen will, zähneknirschend zusehen. Bis heute ist man der Meinung, Frau Menchú bringe die jetzige Regierung international in Mißkredit.
Rigoberta Menchú, eine engagierte Frau mit einem für Guatemala typischen Schicksal – ihre Eltern und ihr Bruder wurden vom Militär brutal ermordet – kämpft seit 10 Jahren im mexikanischen Exil für die Rechte der rassisch und sozial Unterdrückten. Sie gilt im In- und Ausland als Repräsentantin der indianischen Bevölkerungsmehrheit, die in Guatemala immerhin 65% ausmacht. Rigoberta Menchú steht mit ihrem politischen Engagement für einen ungewöhnlichen, gewaltfreien Kampf gegen einen scheindemokratischen Staat, der brutal einschüchtern und foltern läßt.
Bei der Preisverleihung in Oslo sagte Rigoberta Menchú, die oft als „Fürsprecherin der Sprachlosen“ bezeichne wird, u. a.: „Die Auszeichnung ist in meinen Augen die Anerkennung der Schuld, die Europa bei den eingeborenen Völkern Lateinamerikas hat. Der Kolonialismus hat unmenschliche Lebensbedingungen in diesen Ländern geschaffen“.
„Wir schaffen mit unserer Rückkehr eine Realität, mit der sich die Regierung auseinandersetzen muß.“
Als Anfang der achtziger Jahre das Militär über 400 Indiodörfer ausmerzte, angeblich um die Guerilla zu bekämpfen, in Wahrheit, um jeglichen Widerstand der indianischen Bevölkerung zu brechen, gingen über 45.000 ins Exil. Dabei bedeutet Widerstand hier schon die Forderung nach Einhaltung von Mindestrechten gegenüber der indianischen Bevölkerung. Von Südmexiko her wollen nun die meisten in ihre Heimatgebiete in Guatemala zurückkehren. Im Oktober ’92 unterzeichneten Vertreter der Regierung und Vertreter der Kommission der Flüchtlinge eine Vereinbarung über die organisierte schrittweise Repatriierung der Flüchtlinge in Mexiko.
Die Vergabe des Friedensnobelpreises geschaffene Öffentlichkeit führen zu günstigeren Bedingungen für die Rückkehrer, die jetzt bessere Möglichkeiten sehen, ihre Forderungen nach Land und Gerechtigkeit durchzusetzen. Die Haltung der Regierung Guatemalas ist von zweierlei Überlegungen bestimmt.
Erstens möchte sie bei der jährlich bevorstehenden Überprüfung vor der UN-Menschenrechtskommision nicht noch weiter in Mißkredit geraten. Zweitens befürchtet die Regierung, daß mit den Rückkehrern ein politisches und soziales Protestpotential, das sich bisher ihrer Kontrolle entzogen hatte, ins Land kommt. Obwohl sie Zusagen wie Billigkredite zum Landkauf und Befreiung vom Militärdienst machen mußte, versucht sie mit militärischen Operationen, die ausgerechnet jetzt in Rückkehrgebieten stattfinden, die Rückkehrwilligen einzuschüchtern. Es bleibt zu hoffen, daß wachsender internationaler Druck bei der Regierung die Einsicht für dringend notwendige Veränderungen in Guatemala fördert.
„Ein Volk, das hungert, ist ein Volk ohne Frieden“
Seit März 1990 gibt es eine gemeinsame Erklärung der Befreiungsbewegung (URNG) und der Regierung, für eine friedliche und politische Lösung der anstehenden Probleme. Auch Rigoberta Menchú setzt sich nachdrücklich für eine Friedenslösung in ihrem Land ein. Die URNG hat inzwischen das Mitte Januar 93 von Präsident Serrano gemachte Angebot angenommen, über eine Friedenslösung innerhalb von 90 Tagen zu verhandeln. Die UNO hat nun erklärt, die Friedenspläne durch UN-Beobachter kontrollieren zu lassen. Obwohl auch die USA inzwischen für eine friedliche Regelung plädieren, ist vor allem von der guatemaltekischen Armee erheblicher Widerstand zu erwarten, da sie – im Unterschied zu ihrem salvadorianischen Pendant – infolge ihrer Unabhängigkeit von nordamerikanischer Militärhilfe an ihrer Machtstellung festhalten kann, ohne große Einbußen fürchten zu müssen. Es ist also nicht damit zu rechnen, daß unter diesen Umständen die vom Militär massiv begangenen Menschenrechtsverletzungen (100.000 Ermordete und 40.000 Verschwundene seit Anfang der 60er Jahre) jemals aufgeklärt und geahndet werden können. Angesichts dieser Situation wird schon ein Waffenstillstand zwischen Armee und Befreiungsbewegung als Erfolg zu werten sein. Ein Minimum an sozialen Veränderungen durch die Korrektur der höchst ungerechten Verteilungsverhältnisse ist gerade in diesem lateinamerikanischen Land die Voraussetzung für dauerhaft friedliche Verhältnisse.