Die hier rezensierte Produktion des Deutschen Fernsehfunks hat alles, was ein Abenteuerfilm braucht: Spannung, Exotik, überzeugende Darsteller, Liebesgeschichte inklusive. Darüber hinaus zeichnet er sich durch eine Handlung aus, die sich ungeachtet der in diesem Genre üblichen künstlerischen Freiheiten in den historischen Details sehr genau an die Tatsachen hält. Dies und der Gelegenheit, (mal wieder) einen Schwarz-Weiß-Film aus dem Jahr 1962, produziert von der DEFA, sehen zu können, machen den doppelten Reiz dieser Produktion aus. Dass der interessierte Zuschauer 50 Jahre nach der Erstausstrahlung nun die Gelegenheit hat, diesen ersten Fünfteiler des DDR-Fernsehens erneut zu sehen, ist der Edition „Straßenfeger“ zu danken.
Im Mittelpunkt stehen zwei Menschen und ein lateinamerikanisches Land: Guatemala. Die Geschichte von Antonio Morena, ein Flieger der deutschen Wehrmacht, den es nach dem zweiten Weltkrieg in die westliche Hemisphäre verschlagen hat, beginnt in den USA. Dort wird er von Steve Baxter, einem alten Kumpel mit Geheimdienstkontakten, für eine Mission angeheuert, die ihn über verschiedene Stationen ins Guatemala des Jahres 1954 führt. Genau vor 59 Jahren, am 27. Juni, erklärte der demokratisch gewählte Präsident des Landes, Jacobo Arbenz seinen Rücktritt. Er wollte damit einen Bürgerkrieg vermeiden und hoffte auf die Fortsetzung des „demokratischen Frühlings“, der mit dem Sturz der Ubico-Diktatur am 20. Oktober 1944 begonnen hatte.
Der „Job“, den Antonio Morena in Unkenntnis der Hintergründe und Absichten seiner Auftraggeber übernommen hatte, mündet in die Entführung eines bekannten linksliberalen Journalisten, Dr. Guerra, nebst seiner schönen Tochter Chabelita. Die Verfrachtung der beiden Entführten auf eine kleine Karibikinsel, wo Verschwörer den Sturz der Regierung Arbenz planen, zieht Morena, zwischenzeitlich zum Capitán der Invasionstruppen befördert, immer tiefer in den Strudel der sich überstürzenden Ereignisse des guatemaltekischen Schicksalsjahres 1954. Innerhalb weniger Tage wird aus dem zögerlichen, sich aus allem heraushalten Wollenden ein entschlossen Handelnder, wobei die aufkeimende Liebe zu Chabelita und die aus eigener Erfahrung gewonnenen politischen Einsichten unmittelbar ineinandergreifen. Jürgen Frohriep in der Rolle des Antonio Morena und Kati Székely als Chabelita bieten eine überzeugende schauspielerische Leistung in der Darstellung der gegensätzlichen Charaktere: hier der gestandene, aber zwischen Skrupeln, Opportunismus, Empörung und Liebe hin und her Gerissene, dort die junge, unerfahrene, aber politisch klarsichtige und mitreißende Frau. Beide „entdecken“ auf ihrer gefährlichen Flucht nach Guatemala-City inmitten von Intrigen, Invasion und Staatsstreichen ihre Liebe zueinander und wollen nun gemeinsam Chabelitas Heimatland vor dem „grünen Ungeheuer“ retten.
Hinter diesem Namen verbirgt sich die United Fruit Company (UFCO), eine (über)mächtige Bananengesellschaft mit Sitz in Boston, im Film vertreten durch Mr. Brandon. Dieser zieht im Hintergrund alle Fäden. Er gibt den untereinander zerstrittenen Offizieren der von Honduras aus operierenden Invasionstruppen die Anweisungen, verlangt nach schnellen Erfolgen und droht mit dem Entzug der unentbehrlichen Unterstützung (Flugzeuge, Benzin, Waffen, Radiopropaganda, Geld, „heißer Draht“ nach Washington etc.). Er mischt auch bei der schnell wechselnden Auswahl der neuen Machthaber in der US-Botschaft mit und erklärt seinen Lakaien die Gründe und Ziele der von ihnen durchzuführenden Operation. Auf der Gegenseite agieren Dr. Guerra, dessen Bruder, der Arbenz-treue Hafenkommandant von Puerto Barrios, der durch die oben genannte Entführung zur Kapitulation erpresst werden soll, Landarbeiter, Gewerkschafter, „Indios“, Kommunisten …
Beim Aufzeigen der Akteursgruppen und Bruchlinien im Juni 1954 hält sich der Film auf bestechende Weise an die historischen Fakten: Der Ablauf der komplizierten und schnell wechselnden Ereignisse wird genau und verständlich wiedergegeben, die Darstellung der verschiedenen „Mitspieler“, ihrer Motive, Vorgehensweise und Ziele erfolgt getreu den hierzu bekannten Erkenntnissen, viele der Hauptakteure wie der US-Botschafter Peurifoy, auch als der „fixe Jack“ bekannt, werden beim Namen genannt oder treten mit einem ähnlich klingenden Namen auf (mit Oberst Larbas ist der Anführer der Invasionstruppen Carlos Castillo Armas gemeint, und General Fuentes ist kein Geringer als Miguel Ydigoras Fuentes). Beide Offiziere buhlen um die Gunst von Mr. Brandon und sind von Washington für das Amt des Staatsoberhauptes auserkoren worden: Castillo Armas vom 1. Juli 1954 bis 26. Juli 1957, Ydigoras Fuentes von 1958 bis 1963. Auch der guatemaltekische Armeechef Enrique Díaz, kurzzeitig Nachfolger von Arbenz, und Innenminster Mónzon, den Peurifoy persönlich ins höchste Staatsamt hievt, um ihn dann durch Castillo Armas zu ersetzen, treten im Film unter ihrem „Klarnamen“ auf.
Erzählt werden die Abenteuer von Antonio und Chabelita von einem tschechoslowakischen Journalisten, der beide 1954 in Honduras und Guatemala kennengelernt hatte. Sein interessierter Zuhörer ist ein Ingenieur aus der DDR, der 1962 in Kuba die Lieferung von Landmaschinen in die Wege leiten soll. In der Geschichte taucht noch ein dritter Deutscher auf: Hardenberg. Auf diesen treffen Antonio und Chabelita im dritten Teil der Reihe in Esquipulas. Sie beziehen im hastig errichteten Hauptquartier der „Befreiungsarmee“ als Capitán Morena und „Bursche“ José Barillas (so die Tarnung Chabelitas) ihre Zimmer im Anwesen des Großgrundbesitzers mit dem deutschen Namen. Durch Hardenberg erfährt Morena, dass die UFCO nicht das erste „Opfer“ einer Enteignung durch den guatemaltekischen Staat ist. Im Jahre 1943 hatte der damalige Diktator Ubico auf Druck der USA deutsche finqueros enteignet. Auf die Frage Morenas hin, wieso er dann über einen so großen Grundbesitz verfüge, gab sich Hardenberg als Nazi zu erkennen. Er habe sich rechtzeitig in die Schweiz flüchten und mit einem Liechtensteiner Pass (enteignetes) Land in Esquipulas günstig erwerben können. Für ihn stellen das selbstbewusste Auftreten der „Indios“ und die Gewerkschaften mit ihren „völlig überzogenen“ Lohnforderungen das wichtigste Motiv dar, um den „Befreier“ Castillo Armas zu unterstützen. In diesem Zusammenhang bezeichnet er die demokratisch gewählte Regierung von Jacobo Arbenz als „Unrechtsregime! – eine unverhoffte historische Ironie das DDR-Fünfteilers, wenn man bedenkt, wie diese Bezeichnung heutzutage in der deutschen Geschichtsdebatte verwendet wird.
Es ist schon höchst bemerkenswert, dass die im „Grünen Ungeheuer“ vermittelte Historie immer noch weitgehend dem heutigen Erkenntnisstand über das guatemaltekische Schicksalsjahr 1954 entspricht. Dies ist nicht zuletzt dem gleichnamigen Tatsachenroman von Wolfgang Schreyer zu danken, der dem Film als Vorlage diente und bereits1959 einen breiten Leserkreis gefunden hatte. Der Film benennt klar und überzeugend die Agrarreform von 1952 als zentralen Bezugspunkt dafür, warum und wie sich sowohl die Feinde als auch die Anhänger von Arbenz politisch positionieren und entsprechend agieren. Die UFCO ist Hauptbetroffene der Landenteignungen. Sie bezichtigt die dafür Verantwortlichen, Kommunisten zu sein, obwohl lediglich unbebautes Land per Entschädigung (auf der Basis der Steuerklärungen der UFCO) konfisziert wird. Mit dem Argument der „kommunistischen Unterwanderung“ und der Denunzierung von Arbenz als „Red Jacobo“ bestärkt sie die Eisenhower-Adminstration in Washington erfolgreich in ihrer antikommunistisch motivierten Interventionspolitik. Ihre Verbündeten innerhalb Guatemalas sind die Großgrundbesitzer (siehe Hardenberg) und die Mehrheit des Offizierskorps (im Film durch Coronel Gusano treffend dargestellt). Letztere wechselt, obwohl Arbenz selbst Militär ist, im entscheidenden Moment die Seiten. Ihr Hauptmotiv sind die Angst vor der Mobilisierung und der Bewaffnung der Bevölkerung sowie die damit verbundenen Auswirkungen der Agrarreform. Arbenz selbst strebt mit seinem Reformkurs eine kapitalistische Modernisierung des Landes an und findet in der kleinen kommunistischen Partei (PGT), die in den Gewerkschaften eine starke Basis hat, den wichtigsten Bündnispartner. Hauptnutznießer der Agrarreform sind die landlosen und -armen Bauern, die genau deshalb voll hinter Arbenz stehen und Waffen zur Verteidigung ihres Vaterlandes gegen die Invasoren fordern, was der Armeeführung wiederum gar nicht gefällt. Angesichts der geringen Erfolge der „Befreiungsarmee“ von Oberst Castillo Armas gab der Verrat der Armeeführung, die sich weigerte, das Volk zu bewaffnen und stattdessen von Arbenz den Rücktritt erpresste, den Ausschlag für den Sieg der konterrevolutionären Allianz.
Auch die anderen historischen Aussagen des Film haben nach wie vor Bestand: Das Zusammenspiel von UFCO und CIA; die zentrale Bedeutung der Lufthoheit, die ohne US-Hilfe gar nicht möglich gewesen wäre; die Bedeutung, die dem Nachbarland Honduras, in dem die UFCO ebenfalls das Sagen hatte, als Aufmarschgebiet und logistische Basis der Intervention zukam; die Verhaftungs- und Terrorwelle, die sofort nach dem Rücktritt von Arbenz landesweit einsetzte; die Rolle der Kommunisten bei der Organisation des Widerstandes; die Loyalität der Arbenz-treuen Minderheit in der guatemaltekischen Armee und die Blockadepolitik der USA in der UNO. Im letzten Teil des „Grünen Ungeheuer“ bringt es ein Offizier der guatemaltekischen Armee auf den Punkt: Eine Volksfront-Regierung wie die von Arbenz ist wie eine Kokosnuss: Sie ist nur zu knacken, wenn man sie gleichzeitig von außen und von innen in die Zange nimmt.
Zwar hat es in den fast 60 Jahren, die seit dem Sturz von Arbenz am 27. Juni 1954 vergangen sind, unter Historikern Debatten darüber gegeben, inwiefern die offizielle Begründung der Eisenhower-Administration, eine „kommunistische Machtübernahme“ in der westlichen Hemisphäre verhindern zu müssen, der tatsächliche Grund der Intervention gewesen ist. Die „revisionistische“ Lesart des „Bananenkrieges“, die prominent von den US-Autoren Stephen Schlesinger und Stephen Kinzer in ihrem Buch „Bitter Fruit. The untold story of the American coup in Guatemala“ vertreten wird, betont stärker die ökonomischen Motive und die Protagonistenrolle der UFCO (wie es auch im Film geschieht). Einsichten in inzwischen freigegebene CIA-Quellen haben zudem dazu geführt, dass die Entscheidungsprozesse und Perzeptionsmuster der Eisenhower-Administration genauer belegt und nachvollzogen werden können. All dies ändert jedoch nichts daran, dass die Agrarreform der einigende Grund für das Zustandekommen der konterrevolutionären Allianz aus CIA, UFCO, Oligarchie, Amtskirche und Armeeführung war.
Wenn im Film an verschiedenen Stellen von „Indios“ die Rede ist, dann bedarf dies einer kritischen Bemerkung. Einerseits entspricht es den damals gängigen rassistischen Denkmustern, die vor allem in den herrschenden Kreisen weit verbreitet waren (und noch sind), die ländliche Bevölkerung pauschal als „Indios“ zu bezeichnen (siehe wiederum Hardenberg im Film). Andererseits konzentriert sich die indigene Bevölkerungsmehrheit Guatemalas im Westteil des Landes, während die Handlung des Films an den Stellen, an denen von „Indios“ die Rede ist, im Osten (Oriente) spielt, wo die Mehrheit der Bevölkerung nicht indigen, sondern mestizisch ist und mit der Kategorie „ladino“ bezeichnet wird. Hier wäre ein Hinweis im beiliegenden Heft der Kassette angebracht gewesen. Auch hätte man im Bonusteil (dort ist auch ein Interview mit Rudi Kurz zu sehen) zusätzliche Informationen zum besseren historischen Verständnis unterbringen können. Positiv sei angemerkt, dass der Duktus des Films ohne viel Pathos auskommt. Natürlich spiegelt sich die Sprache des Kalten Krieges bei den Akteuren wieder, da die Handlung während dieser Zeit spielt und auch das Produktionsjahr, immerhin zugleich das Jahr der Kuba- bzw. Raketenkrise, in diese Ära der Systemauseinandersetzung fällt. Der Gebrauch des einschlägigen Vokabulars geschieht jedoch auf zurückhaltende Weise und wirkt nicht aufgesetzt.
Mit der US-geführten Intervention gab Washington allen Lateinamerikanern unmissverständlich zu verstehen, dass demokratisch legitimierte Reformen wie die in Guatemala keine Chance haben. International steht das kleine zentralamerikanische Land, flächenmäßig so groß wie die DDR, in einer Reihe mit dem „Ölputsch“ gegen den demokratisch gewählten Ministerpräsidenten Mossadegh 1953, der als erster im Nahen Osten gewagt hatte, die Ölwirtschaft seines Landes zu nationalisieren. Auch hier hatte die CIA – gemeinsam mit dem britischen Geheimdienst – die Fäden gezogen. Gemeinsam ist beiden paradigmatischen Fällen aus der Zeit des Kalten Krieges auch, dass Washington die nationalistischen Reform- und Modernisierungspolitik von Arbenz und Mossadegh als „kommunistische Gefahr“ interpretiert.
Die Wirkung von 1954 war eine doppelte: Sie führte erstens dazu, dass die kubanischen Revolutionäre unter Fidel Castro ihre Lehren aus dem Scheitern des guatemaltekischen Reformprozesses zogen. Im Ergebnis des Sieges der Guerilla 1959 wurde die Batista-Armee zerschlagen und aus Guerilleros und Volksmilizen eine bewaffnete Institution zum militärischen Schutz des neuen Kubas geschaffen. Als die USA unter Präsident John Kennedy im April 1961 versuchten, das 1954 in Guatemala so erfolgreiche „Rezept“ zu wiederholen, scheiterten sie kläglich. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Ernesto Ché Guevara, der im Januar 1954 in Guatemala angekommen war und dort als 25-Jähriger zum Revolutionär reifte, den Sturz von Arbenz und den Verrat der Armee miterleben musste. Danach tat er alles, um ein zweites 1954 zu verhindern. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass der Erfolg der USA 1954 in Guatemala die Voraussetzungen für ihr späteres Scheitern in Kuba schuf.
Für Guatemala selbst hatte das Jahr 1954 tragische Konsequenzen. Es begann eine Zeit blutiger Militärdiktaturen, die um jeden Preis die Erinnerung an die Zeit des „demokratischen Frühlings“ auslöschen und den Widerstand gegen die restaurierten Verhältnisse unterdrücken wollten. Dieser Widerstand formierte sich 1962, unter dem Eindruck der kubanischen Revolution und der Niederschlagung ziviler Proteste der Studenten und Arbeiter, in Gestalt einer Guerilla neu. Zuvor hatte es im November 1960 einen Aufstand national gesinnter junger Offiziere gegen die Armeeführung gegeben. Diese erste Welle des bewaffneten Widerstandes scheiterte Ende der 1960er Jahre. Eine zweite Guerillawelle, diesmal mit massenhafter Beteiligung der indigenen Bevölkerung Guatemalas, wurde durch eine Politik der „verbrannten Erde“, die 1982/83 unter Ríos Montt im Genozid gipfelte, zurückgeschlagen. 1996 schlossen dann Regierung und Guerilla ein Friedensabkommen. Gleichzeitig wurde die neoliberale Umverteilung forciert und die alten Strukturen blieben unangetastet. Auch wenn die Zeit der Militärdiktaturen vorbei zu sein scheint, hat Guatemala immer noch keinen Frieden gefunden. Insofern bleiben die Hoffnungen von Dr. Guerra, Antonio Morena und Chabelita, die auf ihrer Flucht über Mexiko ins revolutionäre Kuba gelangt waren und sich dort 1962 auf die Rückkehr nach Guatemala vorbereiteten, uneingelöst. Aber gerade deshalb lohnt es sich, die Ereignisse von 1954, die im „Grünen Ungeheuer“ mit den Hoffnungen des Jahres 1962 erzählt werden, in Erinnerung zu rufen. Als ein solches doppeltes Zeugnis der Zeitgeschichte bietet der Film von Rudi Kurz mehr als nur eine Abenteuergeschichte und ist auch mehr als ein „Straßenfeger“.
Das grüne Ungeheuer
Abenteuerfilm in 5 Teilen
Regie: Rudi Kurz
DDR 1962
Studio Hamburg Distribution und Marketing GmbH
(Straßenfeger 33/ www.strassenfeger-edition.de)
———————————-
Bildquellen: [1], [2], [3], [4] Snapshots