Ziel des Projektes ist es, in Chile beim Aufbau einer landesweiten Bewegung der arbeitenden Kinder mitzuwirken. Dazu haben wir aus dem großen Bereich der Kinderausbeutung in Chile zwei Wirtschaftsbranchen herausgesucht, die (1) von besonderer Bedeutung für das auf Export basierende Wirtschafts- und Entwicklungsmodell Chiles sind, (2) eine hohe Dynamik aufweisen, (3) in wachsendem Maße auf Kinderarbeit zurückgreifen und (4) dies vor der Öffentlichkeit geschickt zu verheimlichen suchen. Diese vier Bedingungen werden von der Fruchtexportproduktion und der industriellen Heimproduktion erfüllt.
Beispiel Fruchtexportproduktion
Gegen Ende der 70er Jahre beginnen die traditionellen Latifundistas (Großgrundbesitzer) transnationalen Unternehmen zu weichen; die auf den Gütern lebenden Familien werden verdrängt und zu Saisonarbeitern gemacht, die in den Städten leben. In zunehmendem Maße werden auch Kinder in die Saisonarbeit mit einbezogen und sogar ganze Produktionsprozesse an die Kinderarbeit angepaßt. So werden Tabakpflanzen enger gepflanzt, um sie nur noch von Kindern ernten zu lassen. Kinder organisieren sich nicht, haben keine Gewerkschaften, lassen sich leichter betrügen und meckern nicht…
Unser Vorschlag
In einer ersten Phase wollen wir die arbeitenden Kinder dabei unterstützen, eine eigene Identität zu gewinnen. In einer zweiten Phase werden ihnen kommunikative Fähigkeiten vermittelt, die sie für ihre Organisation brauchen. In einer dritten Phase unterstützen wir die Schaffung eigener Organisationen der arbeitenden Kinder. Schwerpunkte unserer Arbeit sind:
(1) Wir arbeiten mit je zwei Gruppen von je 20 bis 25 arbeitenden Kindern aus der Agroindustrie und der industriellen Heimproduktion. Zum Thema Identität haben wir verschiedene Ausbildungskurse angeboten, deren Methode sich stets an die Interessen der Kinder und Jugendlichen sowie an die örtlichen Bedingungen anpaßt. So haben wir in den ersten beiden Semestern Videowerkstätten und Wandmalereien durchgeführt. Zwischen Dezember und Januar schrieben die Kinder und Jugendlichen die Geschichte der Saisonarbeiter aus ihrem Heimatort Buin. Sie lernten, Interviews zu führen und Informationen zu systematisieren und zu publizieren.
(2) Wir unterstützen lokale Initiativen, die zum Thema Kinderarbeit in Gemüsemärkten und Supermärkten oder beim ambulanten Eisverkaufarbeiten. Nicht alle Initiativen verfügen über ausreichende Ressourcen und Erfahrung, um eine regelmäßige und systematische Arbeit mit den betroffenen Kindern zu leisten. Einige davon kommen zu uns, um uns um die entsprechende Unterstützung zu bitten.
(3) Wir haben ein Netzwerk mit 20 Organisationen aus Santiago aufgebaut. Wir planen wir gemeinsame Aktivitäten und Begegnungen der Kinder verschiedener Kommunen. Beim ersten interkommunalen Treffen der Kinderarbeiter in Buin im Januar waren schon vier Kommunen vertreten und Ende dieses Jahres soll es ein Treffen mit Kindern aller 20 Organisationen geben. Inzwischen stehen wir in regelmäßigem Kontakt mit den Bewegungen der arbeitenden Kinder in Peru, Nikaragua, Bolivien und Brasilien.
(4) Wir arbeiten auch auf akademischer Ebene. Ich hatte die Gelegenheit, ein paar Vorlesungen zum Thema zu geben und eine Diplomarbeit zweier Sozialpädagogik-Studentinnen zu betreuen. Ab Ende März soll es mit regelmäßigen Seminaren zum Thema „Kinderausbeutung in Chile“ in der Fachrichtung Sozialanthropologie der Universidad Bolivariana in Santiago weitergehen.
(5) Seit einigen Monaten arbeiten wir an einem Dokumentarfilm zum Thema Kinderausbeutung in der industriellen Heimproduktion in Chile (Bekleidungs- und Schuhindustrie sowie sämtliche Formen von Montagen). Viele renommierte Marken lassen in Heimarbeit produzieren. Dazu gehören MAOUI, Arrow, Benetton, BATA und Handys der Marke BELLSOUTH.
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Marek Höhn,
– geb. 09. April 1971 in Leipzig, Politikwissenschaftler
-1996-1999 Entwicklungshelfer des Internationalen Friedensund Entwicklungsdienstes EIRENE; davon anderthalb Jahre Ausbilder in der Gemeinwesenentwicklung bei der chilenischen NGO „Kairos“. Seit März 1998 Koordinator der Arbeitsgruppe „Kinderausbeutung in Chile“ in der NGO „AnaClara“, die sich mit der Förderung von Organisationsstrukturen bei Kinderarbeitern sowie mit einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung zum Thema beschäftigt.
Seit dem August 1999 wird diese Arbeit von Marek ohne die vertragliche Absicherung durch einen deutschen Träger personeller Entwicklungshilfe geleist. Um ihn zu unterstützen und einen Teil der Personalkosten decken zu helfen, hat der Eine Welt e.V. Leipzig-Connewitz ein Spendenkonto eingerichtet.