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Augusto Pinochet – erst Putschist, dann Despot, jetzt Senator

Jan Meine | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Die Militärdiktatur in Chile unter General Augusto Pinochet dauerte 17 Jahre, von 1973 bis 1990. Nach offiziellen Angaben sind unter der Militärregierung in dieser Zeit l. 102 Menschen „verschwunden“ und weitere 2.095 Menschen dem staatlichen Mord zum Opfer gefallen bzw. an den Folgen der Folterungen gestorben.

Erstmals seit dem Beginn der Diktatur hat die chilenische Justiz eine Klage gegen den Ex-Diktator zugelassen. Die Kommunistische Partei Chiles (PC) hatte sie am 12. Januar diesen Jahres bei einem Appellationsgericht in Santiago eingereicht. Die PC wirft dem General Völkermord, Entführung, Gründung einer illegalen Vereinigung und illegale Beisetzung vor. Ziel der Klage soll es sein, Pinochet zur Verantwortung zu ziehen sowie zu verhindern, daß er nach seinem Ausscheiden aus der Armee, am 10. März einen Parlamentssitz als Senator auf Lebenszeit erhält und damit bis zu seinem Lebensende gegen Klagen immun ist. Dies hat Pinochet in weiser Voraussicht schon 1981 in die Verfassung schreiben lassen: Jedem Ex-Staatschef steht laut Verfassung ein Senatorenamt auf Lebenszeit zu. Doch ein Blick zurück: Unter den Ländern Lateinamerikas hat sich Chile lange Zeit durch eine kontinuierliche Verfassungstradition ausgezeichnet. Jahrzehnte lang funktionierte eine pluralistische Demokratie mit einer Vielzahl von Parteien, einem Zweikammer-Parlament und einem frei gewählten Präsidenten an der Spitze des Staates. Die Armee galt als absolut verfassungstreu. Die chilenische Demokratie zerbrach an einem Militärputsch am 11. September 1973.

Zielsicher bombardierte die Luftwaffe den Regierungspalast La Moneda. Die verfassungsmäßige Regierung, an deren Spitze Salvador Allende stand, wurde mit Gewalt gestürzt. Pinochet hatte Allende kurz zuvor einen unverbrüchlichen Treueeid geschworen. Als ihm der Irrtum klar wurde, gab Allende sich mit der Maschinenpistole, die ihm sein Freud Castro geschenkt hatte, im brennenden Palais die Kugel. Nach dem Ergreifen der Macht durch die Putschisten verwandelte sich Chile in eine Art Experimentierfeld für den Monetarismus. Das gemischtwirtschaftliche System wurde durch ein marktwirtschaftliches Modell ersetzt. Am Ende des Umwälzungsprozesses von Wirtschaft und Gesellschaft stand die Verabschiedung einer neuen Verfassung (1980/81). Es ist wohl kaum bestreitbar, daß in Chile ein wirtschaftlicher Aufschwung stattgefunden hat. Ein Blick in die Hauptstadt, Santiago, genügt, um das Wachstum der letzten 25 Jahre zu sehen: U-Bahn, Einkaufszentren, Wolkenkratzer, Industriegürtel und Luxusviertel lassen die sozialen Mißstände der 70er Jahre vergessen. „Neoliberal“ nennt man das chilenische Wirtschaftsmodell, das eine durchschnittliche Wirtschaftswachstumsrate von sieben Prozent zu verzeichnen hatte, bei niedriger Arbeitslosigkeit. Lediglich durch das Vorbild Chiles, in der Anwendung des Neoliberalismus, konnte er seinen Siegeszug durch Lateinamerika angetreten. Viele andere Länder auf dem Kontinent bekennen sich heute zur Privatwirtschaft. So zum Beispiel Brasilien oder Mexiko.

Es ist jedoch auch weiterhin nicht bestreitbar, daß 3.197 Menschen „verschwunden“ bzw. getötet wurden. Von einer Dunkelziffer kann zusätzlich ausgegangen werden. Eigenhändig hat Augusto Pinochet wohl niemanden umgebracht und es wird auch keiner behaupten wollen, er habe bei einer Folterung zugesehen. Aber ansonsten ist ihm einiges vorzuwerfen, besonders im ersten Jahrzehnt seiner Herrschaft: Für die Ermordung und Verschleppung von Regimegegnern trägt Pinochet die Verantwortung. Bis jetzt haben chilenische Gerichte regelmäßig die Ermittlungen zur Aufklärung von „Verschwindenlassen“ und staatlichem Mord während der Zeit 1973-l 990 einstellen lassen. Sie haben sich dabei immer auf das Amnestiegesetz von 1978 berufen. Das Gesetz sollte ursprünglich auf Personen angewendet werden, die zwischen September 1973 und April 1978 politisch motivierte Straftaten begangen haben. Da in dieser Zeit die meisten Menschen „verschwanden“, wurde es wiederholt von Militärgerichten herangezogen, um Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen zu blockieren, noch bevor die Tatsachen vollständig festgestellt und die strafrechtliche Verantwortlichkeit geklärt waren.

Ein Anwalt der PC bezeichnete es als historisches Ereignis, daß die von der PC eingereichten Klage von einem chilenischem Gericht akzeptiert wurde. Richter Guzmán schränkte jedoch ein, daß die Annahme der Klage lediglich bedeute, daß er die Untersuchung aufnehmen wird. Ob Pinochet wirklich vorgeladen wird, will der Richter „zu gegebener Zeit“ entscheiden.

Aufgrund seiner Funktion als Heereschef steht Pinochet das Recht zu, seine Aussage schriftlich zu machen, ohne vor Gericht persönlich zu erscheinen. Weiterhin muß der Richter erst prüfen, ob die Pinochet zur Last gelegten Verbrechen verjährt sind oder unter das Amnestiegesetz fallen. Nach Auffassung der beiden Pinochet nahestehenden Rechtsparteien kann er das Amnestiegesetz für sich in Anspruch nehmen.

Irgendwann wird auch Pinochet nicht mehr unter den Lebenden weilen und dann hat Chile die Chance, den endgültigen Sprung in die Demokratie zu wagen.

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