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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Interview mit Guillermo Rodríguez Gründungsmitglied des MIR in Chile

Marek Höhn | | Artikel drucken
Lesedauer: 13 Minuten

In Chile gibt es keine Volksbewegung mehr

Der MIR wurde 1965 gegründet. Welche waren die ideologischen Grundlagen und Ziele dieser Partei?

Der MIR wurde im Jahre 1965 in Santiago gegründet. Er war ein Versuch, die gesamte revolutionäre Linke des Landes neu zu gruppieren. Bei diesem Versuch schlössen sich verschiedene Organisationen zusammen: die Vanguardia Revolucionaria Marxista, verschiedene trotzkistische Gruppen, Genossen aus der Gewerkschaftsbewegung, die Gruppe GRANMA, die sich nach dem Triumph der kubanischen Revolution gründete, auch Genossen aus der damaligen Sozialistischen und der Kommunistischen Partei.

Alle diese Genossen versammelten sich auf dem ersten Kongress des MIR. Dieser Zeitraum entspricht im wesentlichen dem Versuch, das Thema der proletarischen Revolution in Chile auf die Tagesordnung zu setzen und neue Strategien und Taktiken zu entwickeln, die sich von der Wahlstrategie der erstarkenden reformistischen Linken des Landes unterschieden. Außerdem verlangte die politische Entwicklung, insbesondere die Herausbildung eines klientelistischen Staates, nach einer konsequenten, revolutionären Strategie, nach dem bewaffneten Kampf.

Während dieser ersten Jahre entbrannte eine heiße Diskussion zwischen traditionellen und weniger traditionellen Flügeln des MIR. Die einen bestanden auf der besonderen Vorreiterrolle der Arbeiterklasse im revolutionären Kampf, während die anderen Schlussfolgerungen aus der kubanischen Revolution und dem Kampf anderer lateinamerikanischer revolutionärer Bewegungen zogen und den Bauern und den Landarbeitern eine besondere Rolle zuschrieben. In Chile nannte sich diese Strategie Con los pobres de la ciudad y del campo (dt.: Mit den Armen von Stadt und Land). Auch der Begriff Pueblo (dt.: Volk) bekam in diesem Sinne eine neue Bedeutung. Motor der Revolution war „das Volk“ im weiten Sinne, also nicht nur das Proletariat, sondern auch subproletarische Schichten und eben die Landarbeiter und Bauern. Darin kam eine neue Interpretation der revolutionären Kräfte in Chile zum Ausdruck.

Was änderte sich nach dem Wahlsieg Salvador Allendes bezüglich der Rahmenbedingungen für den revolutionären Kampf?

Es änderte sich unwahrscheinlich viel. Natürlich änderte sich nicht das Wesen der politischen und wirtschaftlichen Macht, aber die Möglichkeiten der Bourgeoisie wurden erheblich eingeschränkt. Die Freiräume für den Kampf der Massenbewegungen wurden größer und eine Reihe wichtiger Elemente der staatlichen Repression wurden neutralisiert. Die polizeiliche Repression der Massenbewegungen konnte nicht mehr auf solch entfesselte Art und Weise wüten. In Chile wurde schon immer – neben der uniformierten Polizei -auf die Streitkräfte zurückgegriffen um die Massenbewegungen zu unterdrücken. Das sollte sich auch während der Unidad Popular-Regierung nicht wesentlich ändern, obwohl dies natürlich in viel geringerem Maße zutraf. Das ist aber von geringerer Bedeutung. Viel wichtiger ist, dass der Wahlsieg der Unidad Popular die Hoffnungen der Massen auf Inkorporation in den politischen Prozess weckte. Die rasche Politisierung breiter Bevölkerungsschichten stellte das dar, was wir eine vorrevolutionäre Periode nannten, weil zu diesem Zeitpunkt nicht nur Tausende, sondern Millionen von Menschen mit unterschiedlichem Grad an politischem Bewusstsein bereit waren, sich in den politischen Prozess zu inkorporieren. Der MIR repräsentierte mit einem Schlag nicht mehr nur den studentischen Sektor, sondern Massen aus allen Winkeln des Landes, was eine Modifikation seines Programms erforderte, um diesen neuen Gegebenheiten gerecht werden zu können.

Die Existenz eines Salvador Allende an der Regierung rief natürlich auch noch ganz andere Elemente auf den Plan, und es ist notwendig zu erwähnen, dass der MIR zu diesem Zeitpunkt der erste war, der eine angemessene Sicherheitspolitik entwickelte und auch den Personenschutz des Präsidenten und der Regierung der Unidad Popular übernahm. Wir verfügten damals über einen Sicherheitsapparat mit geheimdienstlichen Fähigkeiten. Diesem gelang es, rechtzeitig erste Putschversuche aufzudecken, wie sie General Viaux, Kommandant eines Regiments und einer der Vertreter der Bewegung Patria y Libertad (dt.: Vaterland und Freiheit), und selbst der Christdemokrat Eduardo Frei Montalva unternahmen.

War der MIR militärisch und geheimdienstlich am besten geschult für solche Aufgaben?

Nein, nein. Ich glaube, wir waren zu dem Zeitpunkt lediglich die einzigen, die sich um diese Probleme sorgten. Ich glaube nicht, dass wir so hervorragende Fähigkeiten auf diesem Gebiet hatten. Wir organisierten uns zur Erfüllung der Aufgaben der Sicherheit und hatten dabei große Schwierigkeiten, besonders wegen des ständigen Mangels an finanziellen Mitteln.

Am 11. September 1973 erfolgt dann der Militärputsch unter der Führung von General Augusto Pinochet Ugarte. Der MIR war die einzige Partei, die sich gegen das Exil entschieden hatte?

Der Militärputsch wurde, um genau zu sein, nicht erst am 11. September 1973 durchgeführt. Dieses Datum stellte lediglich den Höhepunkt der faschistischen Offensive dar, die sich spätestens seit Juni 1973 abzuzeichnen begann.

Da war zunächst das Waffenkontrollgesetz, welches die Rechte im Parlament durchsetzen konnte, als Reaktion auf die Landbesetzungen der Wohnungs- und Landlosen.

In den cordones industriales (dt.: Industriegürtel) spitzte sich der Kampf um die direkte Kontrolle der Arbeiter über die Produktion zu. Die Waffengewalt war also schon eines der Mittel des revolutionären Kampfes der Arbeiter in dieser Zeit. Die reaktionären Kräfte versuchten, die Produktion lahmzulegen, um die Regierung zu schwächen, und wir, in Allianz mit anderen linken Kräften (der sogenannten poder popular), besetzten die Fabriken, entrissen sie den Händen der reaktionären Bourgeoisie, enteigneten sie und etablierten ihre Kontrolle durch Arbeiterräte. Das ganze spielte sich natürlich nicht ohne Gewalt ab. Die Besitzer der Fabriken kämpften schließlich auch um ihre Interessen. Diese Fabrikbesetzungen wurden teilweise durch die Polizei und das Militär unterdrückt. Dies war der Grund dafür, warum die Rechte natürlich ganz besonders die Kontrolle über die bewaffneten Organe wiedererlangen wollte. Dafür erließ sie das Waffenkontrollgesetz und erkämpfte dessen Verabschiedung im Parlament. Damit begann die konterrevolutionäre Offensive im ganzen Land.

Auf diesem Gebiet beging die Unidad Popular einen ihrer schwerwiegendsten Fehler. Sie zerstörte die einzige ihr verbleibende Möglichkeit, auf loyale Kräfte innerhalb des Militärs zählen zu können. Alle revolutionären Kräfte, einschließlich des MIR, widmeten sich in dieser Zeit sehr intensiv einer ideologischen Arbeit mit Angehörigen der drei Teilstreitkräfte und der uniformierten Polizei, mit dem Ergebnis, dass eine nicht zu unterschätzende Zahl Angehöriger der bewaffneten Organe revolutionäre Positionen vertrat. In der Marine hatten die Matrosen und Unteroffiziere einen Staatsstreich reaktionärer Offiziere vereiteln können. Sie nahmen die verantwortlichen Offiziere fest und unterstützten auf diese Weise die Regierung der Unidad Popular. Diese jedoch verurteilte die Matrosen und sperrte sie in Gefängnisse.

Meiner Meinung nach war dies für die Reaktion der letzte konkrete Beweis dafür, dass sie bei einem Staatsstreich mit keinem ernstzunehmenden Gegner rechnen müsste. Sie verfügte bereits über das Waffengesetz und über ideologisch geschulte Militärs, die bereit waren, schon zu Zeiten der demokratischen UP-Regierung Fabriken mit Waffengewalt und unter Einsatz von Hubschraubern zu räumen. Vor diesem Hintergrund blieb die Linke, einschließlich die revolutionäre Linke, vollkommen gelähmt. Wir hatten keine angemessene Antwort auf diesen Prozess zwischen Juni und September 1973.

Im Jahre 1973 war die Unidad Popular bereits soweit von ihren Positionen abgewichen, dass sie in einem Plebiszit dem Volk die Vertrauensfrage stellen wollte. Dies ist kaum bekannt. Wir verfügen aber über ausreichende Belege dafür und nannten diesen Plan damals golpe blando (dt.: weicher Putsch). Ungefähr am 06. oder 07. September 1973 teilte Allende seinen Vertrauten diese Entscheidung mit. Er war bereit, bei einem Ergebnis des Plebiszits zu seinen Ungunsten neue Mechanismen der Entscheidungsfindung einzuführen, um dieser Krisensituation ein Ende zu setzen.

In der Zeit direkt nach dem Militärputsch erfolgte ein regelrechter Exodus. In dieser Situation rief der MIR seine Genossen auf, nicht ins Exil zu gehen. Politische Führungskräfte, einschließlich der revolutionären Linken, verließen die Widerstand leistenden Massen, verkrochen sich in die Botschaften und verließen schließlich das Land. Der MIR rief unter diesen Bedingungen zu ethischem und moralischem Verhalten auf, im Land zu bleiben und den Widerstand gegen die entstehende Militärdiktatur zu organisieren. Das war keine Politik der Art, dass alle MIRistas gezwungen waren, in Chile zu bleiben. Viele Genossen sind damals trotz dieser Aufrufe ins Exil gegangen.

Zwischen 1975 und 1976 waren die Konsequenzen für die Partei äußerst verheerend. Ungefähr 70 bis 80 Prozent des MIR wurden vernichtet, die Führungskräfte ermordet oder verschleppt. Dieser Vernichtungsfeldzug fand erst gegen 1977/78 sein Ende, als die Diktatur ihre erste Phase, die der schockartigen Umgestaltung der Wirtschaft und der Auslöschung jeglichen Widerstandes des Volkes, abschloss.

Im Jahre 1978 änderte der MIR seine Strategie und ging zum bewaffneten Kampf gegen die Diktatur über?

Nein, ich glaube der bewaffnete Widerstand oder besser gesagt, die Vision einer Partei, die in allen Bereichen der Gesellschaft Kraft akkumulieren und letzten Endes die politische, soziale und militärische Macht erobern könnte, bestand schon immer, seit der Gründung des MIR. Dies hängt aber immer von den konkreten und realen gesellschaftlichen Bedingungen ab, die den bewaffneten Kampf ermöglichen. Eine unserer wichtigsten Losungen war Pueblo – Conciencia – Fusil (dt.: Volk – Bewusstsein – Gewehr), was zum Ausdruck bringt, dass es die Massen sind, die zum bewaffneten Widerstand und zum revolutionären Kampf aufgerufen werden, und nicht eine Gruppe „Erleuchteter“, die in ihrem Namen Krieg führen.

Die neue theoretische Position des MIR war folgende: Taktisch ging die Partei inzwischen von einer wesentlich breiteren Front aus als dies beim Konzept des revolutionären Kampfes der Arbeiterklasse der Fall war. In dieser neuen Situation ging es um den Kampf gegen eine starke Militärherrschaft und für die Errichtung einer demokratischen Volksversammlung. Aus diesem Grund rief der MIR in dieser Zeit zu einer wesentlich breiteren politischen und sozialen Allianz auf. Die Partei vollzog also eine Richtungsänderung bezüglich ihrer strategischen Konzeption. Wir sahen die Notwendigkeit einer Allianz aus allen progressiven Kräften des Volkes mit dem Ziel, die Diktatur zu bezwingen. Wir gingen davon aus, dass die erste Regierung nach der Diktatur einen provisorischen Charakter tragen müsste und sprachen deshalb von einer Taktik für die Demokratisierung und Unabhängigkeit.

Guillermo, wie würdest Du das Ergebnis des Überganges zu einer demokratischen Regierungsform bewerten, der – wie Du sagst – unter den Bedingungen des Militärregimes vollzogen wurde?

Da muss ich zunächst etwas sagen, was man in unseren Tagen nur noch äußerst selten hört: Aus der Sicht der Bourgeoisie war diese Konterrevolution ausgesprochen erfolgreich. Wir sind inzwischen daran gewöhnt, diese Ergebnisse aus unserem Blickwinkel zu betrachten, deshalb schlage ich vor, einfach mal das Schachbrett umzudrehen und uns in die Lage des politischen Gegners zu versetzen. Der gesamte Prozess der Beseitigung Sozialrevolutionären Gedankengutes war absolut erfolgreich. Das ist auch genau das Element, das die politische Kultur der Gegenwart beeinflusst. Während der 17 Jahre Militärherrschaft wurden so tiefgreifende Veränderungen in unserer Gesellschaft vollzogen, dass wir nicht lediglich von einer neuen Institutionalität, einem neudefinierten politischen System oder einem implementierten neuen Wirtschaftsmodell sprechen können. Vielmehr müssen wir das Problem in seiner globalen Dimension betrachten. Diese Veränderungen betreffen die Beziehungen zwischen den Menschen, Werte wie Solidarität und solche Elemente wie soziale Organisationen und Klassenbeziehungen. Mit anderen Worten: Der Transformationsprozess begann 1973 mit dem Militärregime und dauert bis heute an. Sein wichtigstes Ergebnis ist die vollkommene Zerstörung der sozialen Bewegungen in Chile. Heute gibt es in Chile kein movimiento popular (dt.: Volksbewegung) mehr.

Dieses Phänomen können wir uns folgendermaßen erklären: Besonders in der letzten Phase der Diktatur, etwa zwischen 1983 und 1989, als die Kommunistische Partei und das MDP (Movimiento Democrático Popular, dt.: Demokratische Volksbewegung) die Hegemonie über die Massenbewegungen und im Kampf gegen die Diktatur gewannen, wurden letztere zum politischen Kampf gegen das Regime aufgerufen.

In vielen Bereichen der Gesellschaft gab es keine tiefgründige Analyse der Situation. Vielen war überhaupt nicht klar, dass Pinochet und der Pinochetismus ein Instrument der herrschenden Klassen darstellte. Pinochet wird schlicht und einfach mit dem althergebrachten Konzept „Faschismus“ in Verbindung gebracht und förmlich mit dem „Teufel“ gleichgestellt. Damit kommt man schnell zu der Schlussfolgerung, dass es ausreicht, den Tyrannen zu beseitigen um zu einer neuen und gerechten Gesellschaft zu gelangen. Der Pinochetismus wich aber gerade in dieser Phase auf völlig neue Bereiche der Gesellschaft aus um sich zu festigen. So wurde zum Beispiel das Arbeitsgesetzbuch der Diktatur, ausgearbeitet von José Piñera, erlassen, welches bis heute gültig ist. Damit wurden Rolle und Freiräume der Gewerkschaften sowie sämtliche Arbeitsbeziehungen völlig neu definiert und eingeschränkt. Das Prinzip der „Flexibilisierung des Arbeitsmarktes“ wurde gnadenlos verfolgt.

Mit der sogenannten Transition verschwand nun das Gesicht der Diktatur. Pinochet, der sichtbare Feind, war nicht mehr da und somit hatte der Kampf der Massen keine klaren Zielstellungen mehr, weil sie auf lokaler Ebene zu schwach waren. Die Studentenbewegung zum Beispiel hatte eine großartige Rolle im Widerstandskampf gespielt, aber auf lokaler Ebene, also direkt vor ihren Augen, in den Universitäten, hat sie der herrschenden Klasse und ihren Repräsentanten kein einziges Haar gekrümmt. Mit anderen Worten: Die strategischen Zielstellungen des politischen Kampfes waren allen klar. Der unmittelbare Feind jedoch wurde nie erkannt. Auf lokaler Ebene wurde die Chance, Macht zu erkämpfen und auszuüben, nie genutzt. Wir, das Volk, waren nicht in der Lage, den Klassenfeind zu visualisieren. Aus diesem Grunde konnte die Transition so stattfinden, wie wir sie kennen.

Du sprichst von einem Kampf um die politische und ideologische Hegemonie. Nimmst Du damit explizit Stellung gegen den bewaffneten revolutionären Kampf in Chile und Lateinamerika?

Nein! Auf keinen Fall! Unser Motto ist: Alles zu seiner Zeit. Als der MIR den bewaffneten Kampf aufnahm, hatten wir es mit einer ganz anderen politischen Situation zu tun. Zu diesem Zeitpunkt erlebten wir eine „Blütezeit“ der Massenbewegung in Chile, welche bereits über langjährige Erfahrungen im sozialen Kampf verfügte. Das Volk besaß ein vollkommen anderes Bewusstsein als heute. Mit anderen Worten: Mit oder ohne MIR, die Massen begannen, die Auseinandersetzungen im Arbeitskampf zuzuspitzen. Ich spreche dabei von den Jahren 1960 bis 1965, in denen die Arbeiter bedeutende Siege im sozialen und politischen Kampf erzielen konnten. Unter solchen Bedingungen ist es natürlich einfacher, sich einen bewaffneten Kampf vorzustellen um das politische System zu destabilisieren und so eine revolutionäre Situation herzustellen. Unter den aktuellen Bedingungen sind wir von einer revolutionären Situation durch Welten getrennt. Es wäre mehr als utopisch, heute die Massen aufzurufen, die Krise des bürgerlichen Staates heraufzubeschwören. Das wäre eine unbeschreibliche Selbstüberschätzung, besonders vor dem Hintergrund, dass wir es mit einer vollkommen zerstörten Massenbewegung und einem ideologisch dominierten Volk zu tun haben. Wir müssen zuerst das Vertrauen der Massen zurückgewinnen.

Desweiteren haben wir es in weiten Kreisen der revolutionären Linken oft mit einer unzulässigen Vereinfachung und Verwechslung zwischen der „militärischen Komponente der Revolution“ und dem „bewaffneten Kampf zu tun. Die militärische Komponente ist bei weitem umfangreicher und komplexer als die Entscheidung für oder gegen den bewaffneten Kampf. Die reaktionären Kräfte und die politische Rechte ziehen im Zweifelsfalle die Gewalt und die Herrschaft mittels Verbreitung von Angst und Schrecken vor, während wir Revolutionäre immer bestrebt sind, den Zuspruch der Massen zu gewinnen, das Volk zu überzeugen. Ist es unmöglich, dass sich eine solche Situation einstellt, dann ist es auch zulässig, gewaltsame Aktionen durchzuführen, um die Grundlage für die politische Überzeugungsarbeit zu schaffen. Mit anderen Worten: Je offener der Klassenkampf geführt werden kann und je besser die Bedingungen für eine politische Lösung des Konfliktes, desto besser für den revolutionären Prozess. Je mehr Freiräume es für uns gibt, desto besser können wir unsere Überzeugungsarbeit mit den Massen leisten. Das sind wesentlich bessere Bedingungen für eine Politik der Kräfteakkumulation.

* Gründungsmitglied des MIR: Movimiento de Izquierda Revolucionaria (dt: Bewegung der Revolutionären Linken)

** Das Interview führte Marek Höhn am 26. Mai 1998 in Santiago de Chile.

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