Der Clown Juanísimo lebt seit drei Jahren in Leipzig. Geboren in San Rafael/Argentinien bringt er viele Erfahrungen mit der Straßenkunst aus Lateinamerika, wo er lange gereist ist und als Künstler gearbeitet hat, mit nach Deutschland. Heute setzen wir uns zum Gespräch mit ihm zusammen, denn schon in wenigen Monaten wird er Leipzig hinter sich lassen, um mit seinem Zirkus durch Europa zu reisen.
Was für einen Unterschied gibt es zwischen der Vorstellung, die du von Deutschland hattest, bevor du hierher gekommen bist, und dem Land, das du vorgefunden hast?
Na gut, ich habe mir ehrlich gesagt vorgestellt, dass ich arbeiten könnte, dass ich mit meiner Arbeit Erfolg haben könnte, dass ich…dass der Zirkus etwas Innovatives für die Deutschen ist, dass mein Niveau der Jonglage sehr gut ist…
Und als ich hier ankam…mh…habe ich bemerkt, dass die Leute andere Sorgen haben. Und dass sie der Kunst, der ich mich widme, nicht so viel Aufmerksamkeit schenken.
Welche Geschichten hast du in Argentinien gehört, wie das Leben des Straßenkünstlers in Deutschland oder, sagen wir, in Europa ist?
Sie sagten, dass es sich in Europa besser arbeiten lässt und dass es besser wäre. Aber bei der Ankunft hier…merkst du, dass der Winter zu lang und der Sommer zu kurz ist. Und dass die Leute ganz andere Prioritäten haben, andere Werte, als die Straßenkunst.
Du hast mehrere Jahre in Argentinien, Bolivien und Peru als Straßenkünstler gearbeitet, und seit drei Jahren lebst und arbeitest du als Künstler in Deutschland. Welchen Unterschied gibt es für dich zwischen der Arbeit des Jongleurs und Clowns dort und hier?
Na gut, das ist sehr interessant, weil ich glaube, dass es meine Art in Lateinamerika war, die Leute glücklich zu machen. Das war mein Motiv, um mit dem Zirkus anzufangen, Clown zu sein und zu jonglieren. Und den Unterschied, den es hier gibt, ist, dass ich lernen musste, meine Arbeit zu verkaufen. Das Publikum hier war auch anders. In Lateinamerika reiste ich über Gemeinden und Schulen und machte es gratis. Und bei meiner Ankunft hier in Deutschland versuchte ich, es genauso zu machen, und …ich konnte nicht, da das System und die Sorgen der Leute andere waren und gut…ähm…Für mich ist es manchmal wichtiger, 30 Minuten am Tag zu lachen, als den Beutel voller Geld zu haben. Und in Lateinamerika passierte das. Dort war es machbarer, mit meinen Sachen zu arbeiten, das Publikum glücklich zu machen, und hier in Deutschland musste ich mich verkaufen.
Also ist es hier viel schwieriger, Publikum zu bekommen als dort?
Ja, das Publikum hier ist nicht so verfügbar.
Und welche Reaktionen bekamst du von den Leuten hier in der Leipziger Fussgängerzone, wenn du eine spontane Show gemacht hast?
Mir scheint es total schwierig, hier in Leipzig spontan zu arbeiten. Man braucht sehr viel Ruhe und Geduld, da es nicht so viele Kinder wie in anderen Ländern gibt, wo es einfacher ist rauszugehen, und die Kinder sehen eine rote Nase, und alle Leute sind bereit zu lachen und haben eine halbe Stunde oder 20 Minuten Zeit zum Warten und für den Clown. Und nachdem der Clown gearbeitet hat, bedanken sich die Leute mit ihrem bisschen Geld oder einfach mit Applaus und Lachen. Es ist sehr einfach, in anderen Ländern zu arbeiten. Hier in Deutschland gibt es nicht so viele Kinder. Zumindest in diesem Teil. In Leipzig gibt es viele Studenten und viele ältere Leute, welche meistens, wenn sie im Zentrum sind, etwas einkaufen gehen und keine Lust haben, den Clown zu sehen. Das Publikum hier ist nicht einfach. Es ist nicht offen und bereit für etwas, dass nicht in seinen Plänen ist.
Also, wenn die Möglichkeiten zum Arbeiten hier und dort so unterschiedlich sind, wie hat sich dann deine Art zu arbeiten geändert, seitdem du in Deutschland bist?
Als Künstler habe ich in keinem Moment aufgegeben, weil mir bewusst wurde, warum ich das mache. Und wenn ich es wirklich aus Liebe getan habe, werde ich es weiter aus Liebe tun. Deshalb hat sich meine Erwartung nicht geändert. Deutschland hat mir Sicherheit gebracht, aber meine Lebenserfahrungen bringen mir bei, dass ich meinem Instinkt folgen muss, und mein Instinkt ist es, zu reisen und mit dem Zirkus weiterzumachen, meine Erwartungen nicht zu ändern, auch wenn die Kunst in anderen Ländern schwierig ist, nicht aufzugeben und nicht am Ende in einer anderen Arbeit arbeiten zu müssen, weil es dir das System abverlangt.
Und erschien dir Leipzig, abgesehen davon, dass es so verschieden ist, ein geeigneter Ort, um Zirkusprojekte zu veranstalten und das zu machen, was du machst?
Leipzig hat mir viele Möglichkeiten gegeben, etwas neues auszuprobieren. Um Geld zu verdienen, ist Leipzig nicht der geeignete Ort, aber ich denke, dass es der geeignete Ort ist, um sich mit anderen Künstlern zu treffen und neue Sachen zu schaffen, da die Stadt voller Bühnen und Projekten steckt, die es zulassen, das frei und gratis zu machen – das zu machen, was einem gefällt. Aber gut, nach drei Jahren in dieser Stadt voller Studenten kennst du schon alle, und es wird schwierig, sich künstlerisch weiterzuentwickeln – auf eine Weise, die dir auch Freude bereitet. Das Publikum ist immer dasselbe, und dann, klar, lacht keiner mehr über deine Witze, dann bist du nicht mehr witzig, und wenn das passiert, stirbt das Leben des Clowns.
Bei was für einer Art von Events bist du in Deutschland aufgetreten? Wo hast du speziell in Leipzig gespielt, und wo kann man dich das nächste Mal sehen?
Oh ok, hier in Deutschland bin ich bei vielen Events und an vielen Orten aufgetreten. Ich habe an einigen Schulen gespielt, ich war bei Hochzeiten, Einschulungen, Jugendweihen, Geburtstagen von Drei- bis 80jährigen, in Kindergrippen und Kindergärten und auch in Clubs und Feiern in verschiedenen Haus- und sozialen Projekten, etc. Und das nächste und wahrscheinlich letzte Mal, das ich in Leipzig eine Vorstellung gebe, wird am 19. und 20. Dezember beim Weihnachtsmarkt im Täubchenthal in Plagwitz sein. [Anm.: Sa 18:00-19:00; So 17:00-18:00]
Was bedeutet es für dich, ein Clown zu sein?
Der Clown hat viel Bedeutung in meinem Leben. Es bedeutet, die Freude zu repräsentieren, es bedeutet, glücklich zu sein, und es bedeutet, den Leuten zu zeigen, dass es glückliche Menschen gibt, es bedeutet … Freiheit, es bedeutet für mich … Macht, weil ich mit dem Clown machen kann, was ich will, und es bedeutet, lebendig zu sein. Der Clown bedeutet für mich, lebendig zu sein, aufmerksam zu sein, mit allen fünf Sinnen wach zu sein und die Füße fest auf dem Boden zu haben.
Und scheint es dir, dass auf der Welt mehr Clowns fehlen?
Nein, mir scheint es nicht so, weil ich sonst so viel Konkurrenz hätte. Und, um ehrlich zu sein, will ich das nicht. [lacht]
Bildquellen: [1], [2] Sandrino Donnhauser.