Eine digitale Nomadin aus Argentinien
Die Zeiten des Schriftstellers, der in seinen Bücherwelten versinkt, an seine Bibliothek und seinen (Brot-)Arbeitsplatz gebunden, sind definitiv vorbei. Zum Glück, möchte man sagen, denn die Argentinierin Aniko Villalba macht das auf wunderbare Weise vor: Seit neun Jahren ist sie nun als Reiseschriftstellerin unterwegs und verdient mit Reiseblogs, Fotografien und einem eigenen kleinen Geschäft in Buenos Aires ihre Brötchen.
„Días de Viaje“ ist ihr erstes Buch. Es entstand aus diversen Blog- und Tagebucheinträgen, die sie zwischen 2008 und 2013 während ihrer ersten großen drei Reisen zwischen den Amerikas, Asien und Europa verfasste. Knappe 350 stark ist das Buch geworden. Optisch wie inhaltlich ist es ein leichter und zugleich tief zufriedenstellender Genuss.
Nach dem Studium der Kommunikationswissenschaften fasst sie sich die Anfang Zwanzigjährige aus Buenos Aires ein Herz und beschließt, ihr Leben auf Reisen zu verbringen. Schnell stellt sie fest, dass sie sich da einen Lebensstil ausgesucht hat, der nicht überall auf Wohlwollen stößt. Dreiviertel der Leute, denen sie von ihren Plänen erzählt, reagieren ablehnend und erklären ihr, sie müsse doch einsehen, dass sie da ein bisschen große Brötchen backe – man müsse schließlich zur Arbeit gehen, das Reisen sei für die drei Wochen Urlaub im Jahr gedacht, die einem Normalsterblichen in Argentinien zustehen – ganz davon abgesehen, wie sie als junge Frau nur auf die absurde Idee kommen könne, allein reisen zu wollen. Und vom Schreiben leben, das will sie? Auch hier reagiert das Umfeld mit vielen Zweifeln. Aber Aniko blieb sich selbst treu: „Una vez, esas afirmaciones no me convencían. No era la primera persona en el mundo que anhelaba ser escritora de viajes y sinotros ya lo habían logrado, ¿por qué yo no iba a poder?”
Und sie sollte Recht behalten. Zu ihrer ersten Reise durch Süd- und Mittelamerika brach sie noch mit dem eigenen Ersparten und einem Blog-Auftrag im Hintergrund auf. Den Flieger nach Asien bezahlte ihr schon ein Reisebüro, ins sie völlig verzaubernde Lappland gelangt sie auf Einladung des schwedischen Tourismusministeriums. Villalbas Geschichten verzaubern nicht nur mit den fantastischen Landschaften und Menschen, auf die sie trifft, sondern auch mit dem unkomplizierten Stil, in dem sie verfasst sind, und wie in ihnen sich immer eins ins andere fügt.
Natürlich gibt es auch schwierige Zeiten auf der Reise – Sprach-Barriere in China, totale Erschöpfung in Montevideo nach drei Halbjahren Winter, aufdringliche marokkanische Geschäftemacher und die Depression „pos-viaje“, die sie ab und an im heimischen Buenos Aires wieder befällt. Und doch – Villalba zieht immer wieder weiter und würzt die Reisebereichte zuverlässig mit Reflexionen zwischen den Beobachtungen.
Dieses erste Buch Villalbas lebt viel von den intimen Zweifeln und Einsichten, die sie mit ihren Lesern teilt. Und sie kommt jedes Mal zu dem Schluss: Es lohnt sich, immer ein Stückchen weiter als die ausgetretenen Wege zu gehen. Wir lernen Aniko Villalba als sanfte, vorsichtige Person kennen, die sich mit Bedacht ihrem Umfeld und ihren Menschen nähert. Selten lässt sie sich auf ihren Reisen davon überzeugen, etwas nicht zu tun, nur weil jemand sagt, es sei gefährlich – und erfährt als junge, alleinreisende Frau besonders in Asien Unterstützung aus allen Ecken und Enden. Die Anekdoten, von Freundschaften mit Angehörigen von Minderheiten in China, vom Spielkartensammeln auf dem asiatischen Kontinent, die Begeisterung für das in Schweden erlebte Polarlicht, die Liebesbriefe an Barcelona und Lissabon, und schließlich auch an ihren eigenen Blog, die schönen Fotos, die am Anfang jedes Kapitels auftauchen – all dies macht „Días de Viaje“ zu einem kurzweiligen, leichten und doch ernsthaften Vergnügen. Das Herz reist mit, und man freut sich, dass Villalba sich von niemandem hat überzeugen lassen, zu Hause zu bleiben.
Aniko Villalba
Días de Viaje. Relatos en primera persona.
Eigenverlag der Autorin, Buenos Aires: 2013.