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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Von Jungfrauen und anderen Weibsbildern

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Die Gesellschaft im alten Inkareich war ebenso wie die der mittelamerikanischen Hochkulturen streng strukturiert. Eine Abweichung von den gesetzten Normen konnte strenge Bestrafung, ja sogar den Tod nach sich ziehen. Der Platz eines jeden war genau bestimmt (häufig von Geburt an), so daß selbst ein Wechsel des Ortes innerhalb des Reiches nur unter bestimmten Umständen möglich war. Auch die Geschlechter hatten ihre zugewiesene Rolle auszufüllen, wobei sich diese noch hinsichtlich der sozialen Stellung der Protagonisten unterschied. Wie also sah nun die Rolle der Frau im Reich der Sonne aus? Die folgenden Ausführungen stützen sich im wesentlichen auf die Aufzeichnungen von Garcilaso de la Vega, der selbst aus der Inka-Dynastie stammte und seine „wahrhaftigen Kommentare“ noch nach Augenzeugenberichten machen konnte.

Am bekanntesten sind zweifelsohne die Sonnenjungfrauen, über die es in der westlichen Welt zahlreiche Legenden gibt, die aber mehr christlich gefärbt sind, als der Wahrheit zu entsprechen. Offensichtlich war es nicht der Fall, daß die Jungfrauen den Priestern bei den Opferhandlungen zur Seite standen, vielmehr waren sie genaugenommen vor allem für die Versorgung des Königs zuständig. Das heißt, sie beschäftigten sich vor allem mit dem Weben und Spinnen der Kleidung des Inka und seiner gesetzlichen Ehefrau (der Inka hatte natürlich noch zahlreiche Nebenfrauen), der coya. Außerdem hatten sie die Speisen für Opferhandlungen zuzubereiten, so z.B. zancu, eine Art Brot, das an den Hauptfeiertagen raimi und cittua der Sonne geopfert wurde. Damit unterschied sich ihre Tätigkeit nicht wesentlich von der aller anderen Frauen, doch war natürlich ihr Dienst für den Inka, den Sohn der Sonne, eine besondere Ehre und heilige Aufgabe. Ebenso galten die Produkte ihrer Arbeit als heilig und durften von nichtgöttlichen Personen nicht genutzt werden. Der Sonne durften nur Mädchen und Frauen dienen, die selbst aus dem Geschlecht der Inka stammten, also „legitim und reinblütig“ waren. Um sicherzustellen, daß die Jungfrauen auch tatsächlich solche waren, wurden sie häufig bereits in ihrer Kindheit ausgewählt und lebten ihr ganzes Leben im „Haus der Nonnen“ in fast völliger Isolation von der Außenwelt. Kontakt zu den Sonnenjungfrauen durften allein die Gattin des Inka und ihre Töchter haben.

Auch im Inkareich waren natürlich die Ehefrauen am zahlreichsten vertreten. Ehen wurden geschlossen, d.h. der Inka (im Falle von Angehörigen der Herrscherkaste) bzw. die zuständigen Ortsbeamten bestimmten die Ehepartner füreinander. Frauen mußten bei einer Eheschließung zwischen 18 und 20 Jahren alt sein, Männer sollten das 24. Lebensjahr bereits vollendet haben. Schließlich galten Alter und Vernunft als Voraussetzung, um eine Ehe führen zu können. Die Heiratskandidaten mußten Bewohner desselben Ortes sein und auch der gleichen Sippe angehören. Lediglich Geschwister durften nicht miteinander verheiratet werden, die Geschwisterehe beschränkte sich allein auf das Herrscherpaar. Aufgabe der verheirateten Frauen war die Versorgung ihres Ehemannes und der Kinder. Sie kochte für die Familie und fertigte die Kleidung für alle Familienmitglieder an. Faulheit und jeglicher Müßiggang waren im Inkareich verpönt, weshalb die Frauen faktisch fast ununterbrochen mit Spinnen und Weben beschäftigt waren. Selbst, wenn sie sich gegenseitig Besuche machten, nahmen sie ihre Arbeitsgeräte mit. Diese Angewohnheit, fast an jedem Ort zu spinnen oder zu weben, ist bis heute bei indigenen Frauen in Peru nicht wenig verbreitet. Die Kindererziehung unterlag strengen Regeln. Garcilaso berichtet von einer sehr strengen Erziehung, die darauf ausgerichtet war, eine „Verweichlichung“ des Kindes zu verhindern. Etwa mit zwei Jahren wurden die Kinder der Muttermilch entwöhnt. Geschah das bei dem erstgeborenen Sohn, dann wurde dieses Ereignis mit einem sehr ausgelassenen Fest begangen. In der streng reglementierten Inka-Gesellschaft soll es auch üblich gewesen sein, daß Beamte die Einhaltung der auferlegten Pflichten überprüften. Ehefrauen, die Mann und Kinder nicht richtig versorgten, sie also nicht „in Ordnung hielten“, wurden für eine solche Pflichtverletzung durchaus auch bestraft.

Auch bei den Inkas gab es sogenannte öffentliche Frauen, die zugelassen waren, um „größeres Unheil zu verhindern“. Der Umgang mit ihnen ähnelte dem im christlichen Abendland. Prostituierte wurden zwar gebraucht und geduldet, in der Öffentlichkeit aber verachtet. In der Inka-Gesellschaft hießen diese Frauen pamparuina, was soviel heißt wie Menschen, die auf dem Feld leben (und für jedermann zugänglich sind). Tatsächlich waren die peruanischen Huren jener Zeit dazu verdammt, außerhalb der Ortschaften in einfachen Hütten zu leben, wobei jede von ihnen eine Hütte allein bewohnte. Siedlungen durften sie nicht betreten, und „ehrbaren“ Frauen war es verboten, auch nur mit ihnen zu sprechen. Taten sie dies doch, dann fielen sie der gleichen Verachtung anheim wie die Prostituierten. Man schnitt ihnen öffentlich das Haar ab, und Ehemänner pflegten in solchen Fällen ihre Frauen zu verstoßen. Damit verloren diese Frauen auch ihren Namen, denn fortan wurden auch sie nur noch pamparuina genannt.

Gabi Töpferwein

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