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Junta – Filme aus Argentinien

Nora Pester | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Buenos Aires während der Militärdiktatur: Die Studentin María (Antonella Costa Felix) wird von der Geheimpolizei in eine stillgelegte Autowerkstatt verschleppt. Hier verbirgt sich eines der unsichtbaren Gefängnisse des Junta-Regimes, in dem María – wie viele andere „Subversive“ – verhört und gefoltert wird. Sie trifft auf Felix (Carlos Echeverría), ihren schüchternen und in sie verliebten Mitbewohner: er ist der „Verhör“-Spezialist. Krankhaft und macht-besessen, zwischen Pflichterfüllung und Zuneigung „kümmert“ er sich um María, die in ihm ihre einzige Überlebenschance sieht. Felix weiß, dass María nur innerhalb des Lagers ihm gehört. Während sich zwischen beiden eine groteske Beziehung entwickelt, versucht Marias Mutter, eine Französin, mit allen Mitteln, ihre Tochter ausfindig zu machen. Sie verkauft ihr Haus, um damit einen Geheimdienstler bestechen zu können, der sie anschließend beiläufig liquidiert. Marías Spur endet an Bord eines argentinischen Militärflugzeuges. Sie wird von Soldaten aus der Ladeluke heraus ins Meer geworfen. María teilt das Schicksal von ca. 30.000 Desaparecidos („Verschwundenen“) jener Zeit.

JUNTA – eine argentinisch-italienische Koproduktion von 1999 – kam erst 2003 in die deutschen Kinos. Nie zuvor hat sich ein argentinischer Film so unmittelbar, tabulos und unsentimental mit dem Schicksal der Desaparecidos während der Militärdiktatur von 1976 bis 1982 auseinandergesetzt. Die Rahmenhandlung von JUNTA basiert auf einer wahren Geschichte. Ein berüchtigter General wird von einer jungen argentinischen Oppositionellen in seiner Wohnung durch eine Bombe getötet. Daraufhin lässt das Militärregime Hunderte von jungen Argentiniern verhaften, verhören, foltern und ermorden. Zu den Opfern der Diktatur gehören auch etwa hundert Deutsche bzw. Deutschstämmige. Wie María im Film, hat auch die deutsche Professorentochter Elisabeth Käsemann versucht, den Menschen in den Armenvierteln von Buenos Aires Lesen und Schreiben beizubringen. Später schließt sie sich einer Widerstandsgruppe an, um mit gefälschten Pässen politisch Verfolgte außer Landes zu bringen. Nach ihrer Verhaftung wird sie über viele Wochen gefoltert und schließlich ermordet. Als alle deutschen diplomatischen Bemühungen scheitern, die junge Frau zu retten, versucht Elisabeths Vater, sie mit 25.000 Dollar freizukaufen. Er erhält nur die Leiche seiner Tochter.

Der Regisseur Marco Bechis wird im Alter von 20 Jahren selbst in einer der geheimen Folterzellen Argentiniens gefangen gehalten und später aus politischen Gründen des Landes verwiesen. Die Erlebnisse in jenem Lager prägen das Werk des Filmemachers. Nicht nur JUNTA, auch der Spielfilm HIJOS (2001) und die 1982 in Zusammenarbeit mit amnesty international entstandene Video-Installation „DESAPARECIDOS – wo sind sie?“ beschäftigen sich mit dieser Problematik. Die Idee zu JUNTA entwickelt Bechis 1995 auf einer Reise nach Bosnien: „Es herrschte dort eine Normalität, die neben apokalyptischen Szenarien existierte, inmitten der von Granaten zerschossenen Häuserwände. Der Horror hat nichts Besonderes, und das ist so erschreckend. Deshalb ist JUNTA eine Art Filmmanifest ohne Zeit und Ort, denn staatliche Gewalt existiert immer noch, und ich denke, dass die Folter nie enden wird. Sie ist ein effektives Mittel, Geständnisse zu erzwingen.“ Die Gefängnisse der Militärdiktatur verstecken sich hinter den Fassaden von Buenos Aires und hinter unscheinbaren Namen: Garage Olimpo („Werkstatt Olimpo“), La Perla („Die Perle“), Orletti Automotores („Automotoren Orletti“), Club Atlético („Athletic-Sport-Club“). Wand an Wand berühren sich Supermärkte, Restaurants und Folterzentren. Verdächtige werden von paramilitärischen Einheiten am Arbeitsplatz oder in aller Öffentlichkeit aufgegriffen und „eingeliefert“. Während neben ihnen die Normalität der Großstadt weiterläuft, heißt Normalität für die Inhaftierten Dunkelheit, Mißbrauch und Gewalt – isoliert von der Außenwelt und ohne jeglichen Kontakt zu ihren Familien. Zwei Parallelwelten treffen aufeinander: „In der ,Garage’ haben wir immer mit Handkamera gearbeitet, das Licht ist natürlich. Draußen, oberirdisch, bin ich mit der Stadt umgegangen, als ob sie eine Fiktion sei. Wir haben sie künstlich ausgeleuchtet. Die Bewohner der Stadt lebten in einer Fiktion, während die Wahrheit im Untergrund war.“ Bechis formt ein Bild des Grauens nicht nur über die Kamera und das Licht, sondern auch über Geräusche: „Da meine Augen immer verbunden waren, bestehen die Erinnerungen, die ich habe, aus Geräuschen dieses Martyriums. Diese Geräusche habe ich auch im Film umgesetzt: das Radio ist immer an, um die Schreie der Gefolterten zu übertönen; das metallische Quietschen der schweren Zellentüren; das Klackern eines Tischtennisballs, zum Zeitvertreib der Wächter; das Geräusch der Ketten an unseren Füßen.“ Der Regisseur lässt sich jedoch nicht nur von seinen eigenen Erinnerungen leiten. Der Film basiert auch auf Aussagen, die Bechis von Überlebenden gesammelt hat. Auf diese Weise gelingt ihm ein beklemmendes Meisterwerk aus Fiktion und Authentizität. Die „Normalität“ der Täter bestätigt die „Banalität des Bösen“, wie sie uns in allen Diktaturen begegnet. Die Täterschaft ist einem Menschen nicht ins Gesicht geschrieben. Er sitzt neben uns im Café oder Kino, ist zärtlicher Liebhaber oder fürsorglicher Familienvater. Doch wer verbirgt sich hinter der Fassade des netten jungen Mannes von nebenan?

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