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Das Geheimnis der Wolkenmenschen
Im Reich der Chachapoyas

Sven Schaller | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten
Rezension - Das Geheimnis der Wolkenmenschen (599 Downloads )

Das Siedlungsgebiet der Chachapoyas in Peru - Karte: Public DomainPeru. Reich der Inkas. Tummelplatz von Abenteurern und Forschern. Heimat mystischer Völker. Angesichts dieser Vielfalt ist es erstaunlich, wie Reportagen immer wieder lediglich die Entdeckung Machu Picchus hervorheben und das Leben Hiram Binghams porträtieren, als gäbe es keine anderen sagenumwobenen Orte und besessene Forscher. Es ist daher etwas Besonderes, wessen sich Michael Tauchert und Wolfgang Ebert in der ZDF-Dokumentation „Das Geheimnis der Wolkenmenschen“ zugewandt haben: dem Volk der Chachapoyas und deren ambitioniertem (Hobby-)Erforscher Gene Savoy. Und, um es vorweg zu nehmen, die Reportage hält, was sie verspricht. Beeindruckende Kameraaufnahmen, gut recherchierte Fakten, ein rundes Konzept, schöne Schnitte und ein überzeugender Einblick in den Wissenstand über die Chachapoyas eingebettet in das Porträt des Entdeckers Savoy machen die Dokumentation zu einem Filmereignis.

Kleinere Fehler (Aussprache!) und unnötige Nebenschauplätze (Machu Picchu, Bingham, El Dorado) seien daher verziehen.

Schon die Anfangssequenz ist atemberaubend. Sie erinnert ein wenig an Werner Herzogs „Aguirre, der Zorn Gottes“. Ein endloser Zug Menschen kämpft sich durch Nebel, Gebirge und Urwald hin ins untergegangene Reich der Chachapoyas, der Wolkenkrieger. Weder Schneestürme, noch reißende Flüsse oder schlammige Wege halten den Tross auf. Pferde stürzen, entgehen in den Fluten nur knapp dem Tod. Dann endlich erreichen die Forscher und ihre Begleiter Gran Soposoa, ein meterhoch überwuchertes Zentrum der Wolkenkrieger am Ostrand der Anden, sieben Tagesmärsche von Cajamarca entfernt.

Gräber der Chachapoyas-Kultur - Foto: Sven Schaller Gene Savoy läßt von hier aus weitere Expeditionen starten. Sie finden an den steilen Wänden des Río Huabayacu zahlreiche Grabkammern, sogenannte chullpas, die wie in Stein gehauene Wohnungen am Abgrund aussehen. Doch die Grabräuber waren scheinbar schneller. Grabräuber? Es könnten auch die Inkas gewesen sein, die das Volk der Chachapoyas um 1480 besiegten und die Gräber zerstörten, die Mumien aus den Säcken rissen, um ihren Triumph in die Ewigkeit hineinzutragen. Vieles bleibt unklar. Denn die Reportage verschweigt nicht, dass der peruanische Staat kein Geld besitzt, umfangreiche Grabungen zur Erforschung der Chachapoyas zu finanzieren. Das wird umso klarer, wenn die landlosen Hilfskräfte ins Bild gerückt werden, für die die Expedition keinen Abenteuertraum verwirklicht, sondern für einige Monate den Lebensunterhalt sichert.

Viel erfährt man auch über Savoy, der 1927 in Bellingham geboren zunächst als Journalist arbeitete. Bereits früh interessierte er sich für die Maya-Kultur. Er unternahm darüber hinaus zahlreiche Forschungsreisen nach Peru. 1964 fand er die letzte Fluchtstätte der Inkas, Vilcabamba. Ein Jahr später entdeckte er Gran Pajatén, eine riesige Ruinen-Stadt der Chachapoyas, möglicherweise gar deren zentrales Heiligtum. 1969 fuhr er in einem Floß von Peru nach Zentralamerika, scheinbar um nachzuweisen, dass ein Austausch zwischen beiden Regionen damals möglich war. Finanziert von wissenschaftlichen Instituten, vor allem aber durch die Andean Explorers Foundation, gelang ihm 1984 die nächste wichtige Entdeckung – ein riesiger Komplex, von dem er glaubt, es sei Rabantu. 40 unabhängige Siedlungen auf 40 Bergvorsprüngen gehören zu dem Ort. Bis heute wird dort gegraben. Denn nur langsam kommen die Forscher im Meer der Lianen und Schlingpflanzen voran.

Gene Savoys Leben, sein Forscherdrang, unverkennbar mit US-amerikanischem Habitus und Siegermentalität ausgestattet, begeisterte so manchen Filmemacher. Es gibt sogar Gerüchte, dass er sogar George Lucas als Vorlage für den berühmten „Indiana Jones“ diente.

Kuelap, bedeutendste Festung der Chachapoyas - Foto: Sven SchallerChachapoyas-Festung Kuélap, vom Urwald überwuchert - Foto: Sven Schaller Nicht von Savoy entdeckt, aber ebenfalls den Chachapoyas zugerechnet, wurde Kuélap, eine Festungsanlage von 600 Meter Länge umgeben von 15 Meter hohen Mauern. In der Nähe finden sich zudem die Grabfiguren von Karija (siehe Fotos). Damit gelingt es der Dokumentation, die derzeit (bekannten) wichtigsten Zentren der Wolkenkrieger vorzustellen. Auch wenn viele Hintergründe zu den Chachapoyas offen blieben, weil der zeitliche Rahmen der Reportage enge Grenzen setzte, so bietet sie dennoch eine sehr gute Einführung ins Thema. Sicherlich wird sie den einen oder anderen sogar dazu animieren, mehr von diesem mystischen Volk erfahren zu wollen.

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Das Geheimnis der Wolkenmenschen
Eine Reportage von Michael Tauchert, Wolfgang Ebert
ZDF, 2002

Karte: Public Domain

Fotos: Quetzal-Redaktion, ssc

2 Kommentare

  1. Ich habe Gestern nochmal den TV Beitrag über die Chachapoya gesehen.
    Mir fällt dabei eine große Ähnlichkeit der menschähnlichen Lehmsarko-phage zu den Statuen auf der Osterinsel auf.
    Auch die Felsdarstellungen von Wasserfahrzeugen und die Erwähnung, dass die Chachapoya hellhäutig waren läßt mich an Zusammenhänge denken.
    Der Gott der Azteken Quetzalcoatl soll ja auch hellhäutig gewesen sein und mit dem Versprechen wiederzukehren nach Osten hin das Meer befahren zu haben. (zur Osterinsel?)
    Gibt es möglicherweise da einen Zusammenhang?
    Wolfgang Bauer

  2. Michalke, Eva-Maria sagt:

    Neulich habe ich den Sendung ueber die Wolkenmenschen gesehen, gehoert habe ich auch schon einiges darueber. Es muessen doch recht findige und tuechtige Menschen gewesen sein, die damals ihre Doerfer bauten. Koennen sie etwa mit den Azteken verwandt sein? Vielleicht bringen die derzeitigen Ausgrabungen mehr Licht
    in diese vergangene Kultur.

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