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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Die Amerikas im Grassi

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten
Rezension - Die Amerikas im Grassi (126 Downloads )

Peruanischer Bauer mit taclla, Foto: Quetzal-Redaktion, gtWas den Berlinern die Museumsinsel und den Wienern ihr Museumsquartier ist den Leipzigern das Grassi. Kleiner und bescheidener, sicher, sächsisch halt. Drei Museen vereint das Areal am Johannisplatz. Nach langen Sanierungs- und Umbauarbeiten sowie diversen Interimslösungen sind sie nun endlich wieder zusammen: das Museum für Angewandte Kunst (früher Museum für Kunsthandwerk), das Museum für Musikinstrumente (früher Musikinstrumenten-Museum) und das Museum für Völkerkunde. An Letzterem wird noch gewerkelt, ganz fertig ist die Dauerausstellung noch nicht. Aber nach sehr vielen Jahren wurde im November 2008 der (neu gestaltete) amerikanische Teil der Sammlung wiedereröffnet, auf den man sehr lange verzichten musste. Und aus naheliegenden Gründen interessiert sich der QUETZAL besonders für diese Ausstellung, und nahm sie deshalb in Augenschein.

Beginnen wir mit dem Fazit: Die Schau “Die Amerikas” ist klein, aber fein. Das Urteil war hier einhellig. Sicher, manchem fehlte die Darstellung der einen oder anderen Region, oder wünschte sich eine Region, ein Volk etwas ausführlicher präsentiert. Aber Völkerkundemuseen waren und sind davon abhängig, was Forscher oder Sammler aus der Region zusammengetragen haben, und denen ging es in der Regel nicht um die vollständige Repräsentanz ganzer Kontinente. Zudem wurde in Leipzig bei einem Bombenangriff im Jahre 1943 fast die gesamte Amerikaausstellung zerstört. Davon zeugen bis heute Brandschäden an einzelnen Exponaten der Sammlung, die gerettet werden konnten. Die seitdem hinzugekommenen neuen Stücke, zusammengetragen von Forschern und Mitarbeitern des Museums, vermochten diese Verluste zweifellos nicht ausgleichen.

Der Rundgang durch die Ausstellung, also die Reise durch die Amerikas beginnt im Norden Südamerikas, in Surinam. Von da aus geht es weiter nach Brasilien, wo der Besucher vor allem in der Amazonasregion Station macht, um sich dann in Richtung Westen zu begeben. Peru ist der Ausgangspunkt, um nach Patagonien aufzubrechen, zu den Araukanern, und von dort, gewissermaßen in einem Nonstop-Flug, nach Mittel- und schließlich Nordamerika. Da die Gebiete nördlich des Rio Grande nicht zum Einzugsbereich des QUETZAL gehören, beenden wir unseren Rundgang (für diesen Bericht) bei den Rarámuri oder Tarahumara, einem indigenen Volk, das in Nordmexiko lebt. Aber auch so liegt ein weiter Weg hinter uns, wir haben gewissermaßen eine Runde durch Süd-, Mittel- und Nordamerika gedreht.

Beim Rundgang durch die Amerikaausstellung findet man, was man in einem Völkerkundemuseum erwartet: Textilien, Schmuck, Alltagsgegenstände, Keramik, Waffen, Musikinstrumente – Belege für das Leben fremder Kulturen. An dieser Stelle kann keine umfassende Beschreibung der Sammlung gegeben werden, zumal diese den Besuch sowieso nicht ersetzen kann. Also, was blieb in Erinnerung?

Tanzkleid der Oya; Brasilien, Foto: Quetzal-Redaktion, gtDie Schau zeigt sich sehr museumstypisch in gedämpftem Licht, die Beleuchtung auf die Vitrinen und freistehenden Exponate konzentriert. Das schafft zweifellos Atmosphäre, ist aber für Besucher mitunter etwas ärgerlich. So etwa, wenn die Erläuterungen zu den Figuren und Schmuckstücken aus Gold (Peru) wegen der schlechten Beleuchtung schlicht unlesbar sind. Zwar handelt es sich bei den goldenen Exponate häufig um Nachbildungen, aber es wäre doch interessant zu erfahren, was sie darstellen. Dabei sind die Informationen zu den Ausstellungsstücken im Allgemeinen wirklich sehr ausführlich und informativ. Bei der Fülle der Exponate muss sich der Besucher allerdings erst in das System der Zuordnung der Erläuterungen einarbeiten.

Und welche Exponate beeindruckten? Da wäre das prachtvolle Kleid der Göttin Oyá gleich am Beginn der Ausstellung zu nennen oder auch der Candomblé-Schrein mit dem Exú Sete Facadas (Exú der sieben Messerstiche). Der Altar für Exú wirkt in jeder Hinsicht alltagstauglich, mit Federn (von Opfertieren?) und den notwendigen Speise- und Trankopfern. Überhaupt fällt das sehr realitätsnahe Arrangement von Alltags- und Kultgegenständen auf, was z.B. in der Redaktion die Frage aufwarf, ob ein einzelner Kinderschuh nun eine besondere Bedeutung hat oder ob er (ganz wie im richtigen Leben) einfach liegen geblieben ist. Diese Art der Präsentation nimmt den Exponaten das allzu museale, das in Völkerkundemuseen manchmal ein Problem sein kann. Generell scheint die Ausstellung bemüht, den Bezug zur Gegenwart herzustellen. Ob nun im Falle des sehr gegenwärtigen Candomblé-Schreins mit seinen Rumflaschen oder bei dem Verweis auf die einschneidenden Folgen der Abholzung des Regenwaldes – immer wieder wird gezeigt, dass die dargestellte Kultur oft noch sehr lebendig ist. Der peruanische Bauer mit seinem altertümlichen Grabstock könnte sehr wohl aus der Inkazeit stammen. Aber auch heute noch benutzen die Bauern des Andenhochlandes die taclla bei der Feldbearbeitung.

Über die zahlreichen Verweise auf die Gegenwart hinaus kann sich der Besucher auf Zeittafeln informieren, wie sich die Entwicklung indigener Kulturen in die Weltgeschichte einordnet. Auch das hilft, das Fremde näher zu bringen.

“Geschichte in der Gegenwart” zeigen auch die Exponate zur Ethnomedizin. Diese sind sehr zeitgenössisch, der Betrachter fühlt sich vor der betreffenden Vitrine geradezu in einen Kramladen versetzt. Die Schälchen, Päckchen, Fläschchen und Döschen mit allerlei Wundermitteln, die sowohl für Kulthandlungen als auch für die Gesundheit genutzt werden, verweisen nicht nur auf alte indigene oder afrikanische Traditionen, sondern auch auf sehr aktuelle Entwicklungen der Alternativmedizin.

An dieser Stelle dürfen natürlich nicht die erstaunlichen Keramiken der Moche vergessen werden, deren Meisterschaft wirklich verblüffend ist. Und ebensowenig der prächtige Federschmuck aus dem brasilianischen Amazonasgebiet, bei dem der Betrachter über die Bedeutung jeder Feder aufgeklärt wird. Und…und…und… Es braucht mit Sicherheit mehrere Besuche, um alle Exponate wirklich entdecken zu können.

Zum Anfassen: Kopie eines peruanischen Steigbügelgefäßes, Foto: Quetzal-Redaktion, gtEin kleiner Wermutstropfen muss hier doch noch zur Sprache kommen. Wer angelsächsische Museen kennt, ist sicher etwas verwöhnt – unglaublich, wie interaktiv dort Austellungen aufgebaut sind. Und diese Interaktivität, diese Geschichte zum “Begreifen” fehlte uns etwas, sie ist im Völkerkundemuseum bislang nur in Ansätzen vorhanden. Es gibt Tische mit Kopien von Exponaten, mit denen man spielen (Instrumente) oder die man zumindest berühren kann (Keramik). Auch einige Bildschirme geben zusätzliche Informationen, so z.B. zu Festen der Rarámuri. Allerdings sind auch diese zu selten interaktiv gestaltet, der Besucher kann sich die Filme zumeist nur von Anfang bis Ende ansehen, die Auswahl einzelner Themen ist nicht möglich.

Davon abgesehen, war die Quetzal-Redaktion beeindruckt von der Präsentation und meint, dass Leipzig damit um eine Attraktion reicher ist – deren Besuch auf jeden Fall lohnt.

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Bildquelle: Quetzal-Redaktion, gt

Museum für Völkerkunde zu Leipzig.
Staatliche Ethnographische Sammlungen Sachsen
Johannisplatz 5-11

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