Der Titel des Films ist eine Mogelpackung, das gleich zu Beginn. „Das Rätsel von Machu Picchu“ beschäftigt sich eher wenig mit dem Geheimnis der Inka-Festung, dafür umso mehr mit der Geschichte von Hiram Bingham. Der US-Amerikaner Bingham war ja bekanntlich der (vermutlich) erste Weiße, der Machu Picchu betreten hat. Entdeckt hat er die Ruinenstadt nicht, auch wenn er mit etwas verwickelten Erklärungsversuchen stets an dieser Meinung festgehalten hat.
Der Abenteurer Bingham war 1911 mit dem erklärten Ziel nach Peru gezogen, eine große Entdeckung zu machen. Eigentlich suchte er Vilcabamba, die sagenumwobene letzte Zufluchtsstätte der Inkaherrscher. Möglicherweise hinderte ihn dieser Wunsch daran, die wahre Bedeutung seiner Entdeckung zu erkennen. Bingham und sein Expeditionsteam lieferten die ersten Fotos der Festung und sie kartographierten das Gelände. Damit leisteten sie einen wichtigen Beitrag für die spätere Erforschung der Ruinenstadt. Seine Interpretation der Funde war allerdings höchst abenteuerlich. Und auch die anderen Teammitglieder schienen ihre Untersuchungsergebnisse mitunter etwas zu sehr Wunschvorstellungen angepasst zu haben. Anders ist nicht zu erklären, dass die in der Festung gefundenen Knochen von Männern, Frauen und Kindern als vornehmlich von Frauen stammend interpretiert wurden. So unkundig waren Biologen wohl auch zu Beginn des letzten Jahrhunderts nicht.
Der Film erzählt die Geschichte Hiram Binghams und die der „Entdeckung“ von Machu Picchu mit Hilfe der heutzutage bei Machern von Reportagen sehr beliebten, aber nichtsdestotrotz in der Regel eher albernen Spielszenen – Dokutainment in Reinkultur. Das kann manchmal sehr lustig sein. So z.B., wenn die Peruaner, die nicht Englisch sprechen, Bingham, der seinerseits offensichtlich kein Spanisch spricht, trotzdem gut verstehen. Und der 8-Jährige Pablito, der Bingham nach Machu Picchu führt, spricht dann plötzlich sogar Englisch.
Um es kurz zu machen: Wenn man wirklich etwas über das Rätsel von Machu Picchu erfahren will, dann sind diese gespielten Filmszenen eher ärgerlich. Zwischen dem Laientheater gibt der Film allerdings auch Informationen über die berühmte Festung, die das Ansehen wirklich lohnen. Die Geschichte von Machu Picchu wird historisch eingeordnet, ihre geniale Architektur gewürdigt. Der Zuschauer erfährt Interessantes über die landwirtschaftlichen Leistungen der Inkas, lernt die Anlage ihrer Terassenfelder oder das erstaunliche Entwässerungssystem kennen, das man in Machu Picchu gefunden hat. Hierzu kommen Experten zu Wort, die sachlich und ohne Spekulation dem Rätsel auf die Spur kommen wollen. So beschreibt Alfrego Valencia Zegarra, der Grabungsleiter von Machu Picchu, die alte Stadt als Provinzzentrum. Hier ist der Film wirklich gut und informativ. Es ist schade, dass er sich nicht durchgängig auf diesem Niveau bewegt.
Marc Brasse und Saskia Weisheit haben ihren Film für die ZDF-Reihe „Troja ist überall: Der Siegeszug der Archäologie“ gedreht. Ich weiß nicht, ob die Unentschlossenheit, die den Film auszeichnet – Dokutainment mit Abenteuergeschichten einerseits und sachliche Archäologiereportage andererseits – dem Konzept der Sendung geschuldet ist. Vielleicht will man ja so ein breiteres Publikum ansprechen. Ich wage zu bezweifeln, dass das aufgeht. Hätte ich den Film nicht zum Zwecke der Rezension gesehen, dann hätte ich spätestens nach fünf Minuten Bingham-Spielereien genervt abgeschaltet. Und dann leider die (eingestreuten) wirklich guten Passagen verpasst.
Troja ist überall – Der Siegeszug der Archäologe: Das Rätsel von Machu Picchu
ZDF 18. Mai 2008
Bildquelle: Screenshot.