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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Mendoza, Plinio; Montaner, Carlos; Llosa, Alvaro: Guide to the Perfect Latin American Idiot

Michelle Caldas Meyer | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten
Plinio Mendoza - Guide to the latin american Idiot (114 Downloads )

It isn´t having been an idiot
that´s so bad but persisting to be one.

Guide_to_the_Perfect_Latin_American_Idiot.jpgWer den Titel liest und aus Lateinamerika kommt, fühlt sich direkt angesprochen: „Was habe ich gemacht?!“. Die drei Autoren versuchen uns in einer satyrischen Weise zu erklären, was die „Sudacas“ bei ihren politischen Systemen und Ideologien alles falsch gemacht haben. Die linken Regierungen und ehemaligen Kommunisten werden als Hauptgegner gesehen, mit welchen man sich kritisch auseinander setzt. Das Buch wäre nicht so interessant, wenn es keine Selbstkritik darstellen würde: Die drei Lateinamerikaner und jetzigen treuen Anhängern des Neoliberalismus, die das Buch geschrieben haben, waren in ihrem „jugendlichen Leichtsinn“ selber Kommunisten gewesen. Eine Ironie des Schicksals.

Es bleibt niemandem erspart: Fidel Castro, Che Guevara oder Cardoso – alle sind verwerflich, ebenso wie die Freiheitstheologie und die Dependenciatheorie; alle endeten in der „expurgatorius latinoamericanus“. Dieser „Guide“ beschreibt den Lebensstil und die Fähigkeiten des lateinamerikanischen Idioten, sowie die Bücher, welche die Grundlagen seiner Ideologie bilden. Als „Bibel“ wird gern der Text von Galeano (Die offenen Adern Lateinamerikas) zitiert und diskutiert. Die Autoren kritisieren die utopischen Lösungen von Galeano und vermitteln ihren eigenen Lösungsansatz, der manchmal fast so unrealistisch klingt wie der von den Linken. Eigentlich wird diese Bezeichnung von „Rechts“ und „Links“ seitens der Autoren abge-lehnt und als „anachronistisch“ bezeichnet, zumindest für Lateinamerika, da dort nur ein demokratischer Kapitalismus herrscht, und keine andere Möglichkeit für dieses System gibt. Als Leser fühlt man sich manchmal zerrissen: An einigen Stellen tendiert man, dem Buch zuzustimmen, an anderen fragt man sich, ob nicht zu viel übertrieben wird.

Endlich zeigt ein Buch kritisch das Selbstgefühl des Opferseins der Lateinamerikaner und die Verteufelung der Vereinigten Staaten auf: Wahrheiten, die schon längst unter der Bevölkerung bekannt sind, aber die gegenüber dem Ausland nicht gern zugegeben werden. Leider wird diese Bekanntmachung auch übertrieben und die USA als harmloser Helfer dargestellt, während die Südländer als „Ausbeuter“ von Technologien der entwickelten Länder gelten. Laut dem Buch profitieren die Südländer enorm von diesem Handel mit den Industriestaaten und die beste Lösung wäre eine neoliberale Politik, in der der Staat die Rolle einer regulierenden Institution wahrnimmt. Nicht die Unternehmen sind Ausbeuter, sondern der Staat. Leider haben die Autoren vergessen, etwas über die sozialen Konsequenzen einer stark neoliberal geprägten Politik zu sagen. Unglücklicherweise werden im Buch manche Wahrheiten durch eine starke liberale Tendenz verdeckt.

Im Gegenteil zu vielen anderen Büchern, welche die Schuld den entwickelten Ländern zuweisen, sagen die Autoren, dass die Unterentwicklung und die aktuelle Situation Lateinamerikas lediglich ihre eigene Schuld sind. So plausibel diese These klingen mag, es ist ein einsichtiger Standpunkt und vernachlässigt andere wichtige Akteure (wie z.B. den IWF und natürlich auch teilweise die Industrieländer). Wichtige und kontroverse Themen, wie die amerikanische Unterstützung von verschiedenen Diktaturen in Lateinamerika, wurden nicht angesprochen oder vielleicht sogar vermieden. Gern wird Lateinamerika mit den asiatischen „Tigern“ verglichen, die als erfolgreiche Schwellenländer gelten. Dass beide Regionen jedoch eine unterschiedliche Entwicklung hatten, ist nicht wichtig für die Autoren. Innerhalb des Kontinents ist der Vergleich zwischen Chile und Kuba nach Ansicht von Mendoza und seine Kollegen am bes-ten geeignet. Das erste Land ist neoliberal und entwickelt, das zweite … man weiß es schon. Nicht nur die radikalen Kommunisten und Linksanhänger werden kritisiert. Die Sozialdemo-kraten sind auch nicht besser, da sie nur eine neue Erscheinung der alten Kommunisten sind, die versuchen ihre populistischen Ideen neu zu verkleiden. Sie werden als letzte Rettung der sozialistischen Denkweise gesehen. D.h. niemand wird in diesem Buch ausgelassen; höchs-tens diejenigen, die der These der Autoren widersprechen würden.

Das Buch ist trotz seines politischen Schwerpunktes leicht zu lesen und von Humor geprägt. Eine vorherige Kenntnis der lateinamerikanischen Politik und Ökonomie wäre von Vorteil, da die Autoren gern der Geschichte hin und her in springen und verschiedene Persönlichkeiten zitieren. Leider ist das Buch nur auf Englisch oder Spanisch zu finden; eine deutsche Version gibt es noch nicht.

Wer sich für eine andere Meinung über die politische aber auch ökonomische und soziale Situation Lateinamerikas interessiert oder eine neoliberale Tendenz hat, wird das Buch sicherlich reizvoll finden. Für diejenigen, die eher linksorientiert sind, wäre das Buch lediglich ein weiteres neoliberales Feuilleton. So kontrovers oder unterhaltsam es sein kann, ist das Buch wie jeder von Ideologien geprägter Text mit Vorsicht zu genießen.

Guide to the Perfect Latin American Idiot
Plinio Mendoza, Carlos Montaner, Alvaro Vargas Llosa

(1996) Lanham, New York, Oxford: Madison Books.
ISBN: 1-56833-236-X

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