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Padura, Leonardo: Der Schwanz der Schlange

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 3 Minuten

Leonardo Padura. Der Schwanz der SchlangeIm Chinatown von Havanna wird der 78-jährige Pedro Cuang erhängt aufgefunden. Cuang, der bereits als Jugendlicher nach Kuba ausgewandert war, wurde ermordet. Die Umstände seines Todes sind mehr als mysteriös – er wurde geschlagen, bevor man ihn erhängte, und auf seinem Körper finden sich rätselhafte Zeichen, die sowohl auf chinesische religiöse Rituale als auch auf solche der Santería hinweisen. Wurde Cuang Opfer von Hexerei oder hat ihn die Mafia des Chinesenviertels beseitigt?

Mario Conde, El Conde, Protagonist der Kriminalromane des Kubaners Leonardo Padura, bekommt diesen Fall auf Wunsch einer Kollegin, Teniente Patricia Chion, übertragen. Chion, deren Vater Chinese ist, meint, dass jemand mit Fingerspitzengefühl diesen Fall im chinesischen Viertel bearbeiten sollte. Wie sie zu diesem Schluss kommt, bleibt das Geheimnis des Autors. El Conde stolpert durch das Leben kubanischer Chinesen im Havanna des Jahres 1989. Er hat keine Ahnung von der Wirklichkeit dieser Kubaner, kennt die Beziehungen im Viertel nicht und versteht seine Bewohner schon gar nicht. Die Chinesen riechen wie Chinesen, sehen aus wie Leberkranke und lächeln ständig. Das war’s fast schon, was er an Fingerspitzengefühl zu bieten hat. Und wie es ihm unter diesen Bedingungen gelingt, einen solch schwierigen Fall zu lösen, bleibt dementsprechend ebenfalls etwas rätselhaft.

Der Roman „Der Schwanz der Schlange“ beruht auf der Reportage „Das Chinesenviertel. Eine lange Reise“, die Padura 1987 für die Zeitschrift „Juventud Rebelde“ schrieb. In mehreren Anläufen entstand im Laufe von mehr als zehn Jahren dann dieser Roman, der in der deutschen Ausgabe nicht einmal 180 Seiten zählt. Kurz: Dieses Buch ist eigentlich eine Reportage, die umgeschrieben und irgendwie zu einem Roman aufgebläht wurde. Padura hätte wahrlich noch ein wenig warten und daran arbeiten oder aber es ganz bleiben lassen sollen. Alles, was Paduras Havanna-Quartett so interessant und außergewöhnlich macht, fehlt hier weitgehend. Präzise Charakterzeichnung der Protagonisten? Fehlanzeige. Realistische Darstellung der kubanischen Wirklichkeit? Dito.

Wie auch, möchte man fragen. Conde, und mit ihm wohl auch Padura, kennt sich eigentlich nicht aus mit dem Leben im chinesischen Viertel. Die Lebensgeschichten der Chinesen werden nicht erzählt, sondern referiert. Selbst Conde bleibt seltsam blass. Zudem greift Padura merkwürdigerweise zu dem Stilmittel, der Geschichte vorzugreifen. Das heißt, der Erzähler bezieht sich wiederholt auf Entwicklungen in Condes Leben, die erst nach 1989 passieren – à la „später, wenn er 50 ist, wird er sich erinnern“. Der Sinn solcher Ausführungen erschließt sich nicht, es sei denn, es ging darum, noch Platz zu schinden und die Leser bei der Stange zu halten. Dazu kommen noch Condes Frauengeschichten, vermutlich mit der gleichen Absicht, und schon ist der Kurzroman fertig – irgendwie überfrachtet und trotz des exotischen Themas nicht besonders interessant.

Leonardo Padura
Der Schwanz der Schlange

Unionsverlag, 2012

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