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Piñeiro, Claudia: Die Donnerstagswitwen

Monika Grabow | | Artikel drucken
Lesedauer: 3 Minuten

Legende von Schein und Sein

Piñeiro, Claudia: Die Donnerstagswitwen. Cover: UnionsverlagMit „Die Donnerstagswitwen“ ist Claudia Piñeiro eine eindrucksvolle Sozialstudie gelungen. Fast die komplette Handlung findet im Mikrokosmos der Gated Community Altos de las Cascada, 50 km von Buenos Aires entfernt, statt. Wer hier lebt, hat es geschafft, so die wohl vorherrschende Meinung der Gemeinschaft. Unter den Nachbarn findet man alles, was man braucht: Freunde, Tennispartner, Geschäftskontakte. Probleme werden direkt in der Community geregelt, ohne Einmischung von außen.

Claudia Piñeiro hat einen vielleicht ungewöhnlichen Einstieg in die Handlung gewählt: Bereits am Ende des ersten Kapitels liegen drei Männer aus der Gemeinschaft tot auf dem Grund des Swimmingpools. Anfang und Ende des Romans bilden einen Rahmen um das im Rückblick geschilderte Leben in Altos de la Cascada in den etwa 10 Jahren vor dem tragischen Ereignis. Im Mittelpunkt stehen die Geschichten von vier Ehepaaren, weitere Personen finden sich in Nebenrollen. Interessant sind die drei unterschiedlichen Erzählperspektiven. So gibt es eine Ich-Erzählerin, die Immobilienmaklerin Virginia „Mavi“ Guevara, die mit ihrer Familie ebenfalls in der Siedlung lebt und die Ereignisse aus ihrer Sicht schildert. Außerdem gibt es Erzählstränge in der dritten Person. Dies ist die Perspektive der Jugendlichen und die objektivste Stimme. Und dann gibt es noch ein unpersönliches Wir, die Stimme der Gerüchte, die in Altos de la Cascada die Runde machen.

Zu Beginn erscheint diese Siedlung dem Leser fast wie ein Paradies. Man lebt hier in Sicherheit, freundschaftlichem Miteinander, die Männer spielen gemeinsam Tennis, Golf oder Karten, die Frauen treffen sich zum Malkurs, beraten sich gegenseitig bei der Gestaltung ihrer Gärten oder gehen zusammen ins Kino. Doch nach und nach bekommt die heile Welt Risse. So erfährt der Leser von Untreue, Alkoholsucht und häuslicher Gewalt. Und auch die einsetzende Wirtschaftskrise des Jahres 2001 macht vor den Toren von Altos de la Cascada nicht Halt. Einige der Männer verlieren ihre hoch bezahlten Posten und gehen damit auf ganz unterschiedliche Weise (z. B. Lethargie, Verschweigen, Umzug) um. Doch es gilt, den Schein zu wahren und den erreichten Lebensstandard, koste es, was es wolle, zu halten, denn die Protagonisten definieren sich über „Haben“ und nicht über „Sein“. Sie sind das, was sie besitzen. Somit kommt der Verlust ihres Besitzes einem Verlust ihrer Identität gleich. Obwohl einen beim fortschreitenden Lesen ein schrecklicher Verdacht überkommt, was es wohl mit dem Unglück auf sich haben könnte, bleibt das Buch bis zum Schluss sehr spannend und nimmt noch eine überraschende Wendung.

Claudia Piñeiro: Die Donnerstagswitwen
Aus dem Spanischen von Peter Kultzen
Unionsverlag Zürich 2010

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Claudia Piñeiro wurde 1960 in Buenos Aires geboren. Nach einem Wirtschaftsstudium arbeite sie zunächst etwa zehn Jahre als Buchprüferin. Bevor sie sich dem Schreiben von Romanen zuwendete, verfasste sie Drehbücher sowie Kinder- und Jugendbücher. Für ihre Romane Tuya (2003; dt. Ganz die Deine, 2008); Las viudas de los jueves (2005; dt. Die Donnerstagswitwen, 2010); Elena sabe (2007; dt. Elena weiß Bescheid,2009) und Las grietas de Jara (2009) erhielt sie zahlreiche Preise, unter anderem 2005 den renommierten argentinischen Premio Clarín sowie 2010 den Frankfurter LiBeraturpreis und den Premio Sor Juana Inés de la Cruz der Internationalen Buchmesse von Guadalajara.

1 Kommentar

  1. jan z. volens sagt:

    Argentinas ! Sieh: „Susy Leiva frente al mar“ und „Roxanna Fontan frente al mar“, und „Valeria Lynch Uno“!

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