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Frida Kahlo: Gemahltes Tagebuch

Daniela Vogl | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

… und hoffe, nie wiederzukommen

Frida Kahlo, la gran ocultadora, hat in ihrem Werk und in ihrem Leben nur einen bestimmten Teil von sich selbst der Öffentlichkeit preisgegeben. Durch ihr Tagebuch lernt der Leser nun andere, weniger inszenierte und kontrollierte Aspekte ihrer Persönlichkeit kennen. Sie erscheint näher, menschlicher, verliert aber bei aller Darstellung von Leid und Verzweiflung, von Humor und Fröhlichkeit nie ihre Würde oder ihren Stolz.

Die Bilder des Tagebuchs sind surrealistischer und spontaner als die ihres Werkes, wirken oft wie ein Spiel mit dem Zufall. Doch haben alle diese Bilder gemeinsam, daß sie aus Frida Kahlos Beschäftigung mit sich selbst, ihrer Freude wie ihrer Verzweiflung, vor allem aber mit ihrer Krankheit und ihren Verwundungen entstanden sind. Denn wenn sie sich mit der Welt, die sie umgab, auseinandersetzte, malte sie nicht, sondern schrieb: Gedichte, die keinen stilistischen Regeln folgen, Briefe an ihre Freunde und, vor allem, an ihren Mann Diego Rivera, der in ihrem Tagebuch immer präsent ist. Er bedeutete ihr alles, war für sie gleichzeitig Anfang, Erbauer, Kind, Liebster, Maler, Geliebter, Mann, Freund, Mutter, Vater, Sohn, ich Universum, Einheit. Trotzdem erkannte sie auch, daß er nie ihr Diego war oder sein würde, vielmehr nur sich selbst gehöre. Deshalb brachte sie in diesen Briefen oft auch unerträglichen Kummer und Verzweiflung zum Ausdruck bis hin zu wie einem Schmerzensschrei aufgemalten Diego. Estoy sola.

Frida Kahlo schrieb ihr Tagebuch in den letzten zehn Jahren ihres Lebens, es kann somit als Dokument ihres körperlichen Verfalls angesehen werden. Es ist aber eben kein Tagebuch des Leides, sondern ist neben Qual und Verzweiflung auch von Ironie und Humor, von Fröhlichkeit und (Über)lebenswillen gekennzeichnet. Und obwohl oder gerade weil Frida Kahlo sich intensiv mit ihrem Weg zum Tod beschäftigt, strotzt das Tagebuch von phantastischer Vorstellungskraft und ist mit persönlichen Spaßen durchsetzt. Durch die direkte Beschäftigung, die bildliche wie verbale Darstellung nimmt sie dem Leid und dem Tod ihre Schrecken, kann sie sogar ins Lächerliche ziehen.

Neben Reflexionen über die Kunst sind Schöpfungsthemen und die Darstellung der trauernden Mutter ein weiterer wichtiger Bestandteil des Tagebuchs. Frida Kahlo, die nie Kinder bekommen konnte, wurde durch die Kunst zur Muttergestalt der mexikanischen Mythologie. In ihren Bildern gebar sie Diego und sich selbst als Künstlerin, stellte sich gleichzeitig aber auch als Kind Mexikos dar.

Das Politische in ihrem Tagebuch ist stark mit ihrem eigenen Schicksal und ihren Beziehungen verbunden. So proklamierte sie zum Beispiel, Es lebe Stalin! Es lebe Diego!, oder erwartete sich, nachdem sie den Glauben an die Schulmedizin verloren hatte, von der Revolution die Heilung der Kranken.

In der letzten geschriebenen Passage ihres Tagebuchs bedankte sie sich noch einmal bei ihren Freunden und Ärzten. „Fröhlich warte ich darauf, das Haus zu verlassen und hoffe, nie wiederzukommen -FRIDA“, diesen geschriebenen Abschiedsworten folgt noch ein nacktes Selbstbildnis, in dem ihr Körper nur noch als Schauplatz von, mit Pfeilen markierten, Schmerzen existiert.

Carlos Fuentes gibt eine sehr behutsame, persönliche Einleitung zum Tagebuch. Der Leser lernt Frida Kahlo so kennen, wie auch Fuentes sie kennengelernt hat – als strahlende aztekische Göttin. Gleichzeitig schildert für Fuentes das Tagebuch mehr als nur das Schicksal einer einzigen, wenn auch herausragenden Frau. Für ihn ist die Geschichte von Frida Kahlos Leiden gepaart mit ihrem Lebensmut und ihrer Fröhlichkeit auch die Geschichte Mexikos, eines Landes, das für ihn genauso gespalten und verwundet ist wie Frida Kahlos Körper.

Frida Kahlos Tagebuch zu lesen und anzuschauen, setzt die Bereitschaft voraus, sich auf schonungslos offen ausgedrückte Gefühle einzulassen: Dann ist es ein intensives Erlebnis, von Trauer und Leid und gleichzeitig von unbändiger Fröhlichkeit und Lebensmut, und Bilder wie Text können in ihrer explosiven, manchmal schrecklichen Schönheit auf den Leser wirken.

Frida Kahlo: Gemaltes Tagebuch.
Mit einer Einführung von Carlos Fuentes. Erschienen bei Kindler 1995

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