Kolumbien ist ein wunderschönes Land. Die Landschaft ist unglaublich abwechslungsreich, und seine Bewohner bilden ein buntgemischtes Völkchen, das mindestens ebenso vielfältig wie die Landschaft ist. Aber Kolumbien ist auch gefährlich, die Gewalt in jahrzehntelangem Bürger- und Drogenkrieg hat ihre Spuren hinterlassen. Da braucht es viele Facetten, wenn man dieses südamerikanische Land einem Besucher etwas anders nahebringen will, als das Reiseführer im Allgemeinen machen. Mit „Kolumbien im Handgepäck“ wird dergleichen versucht, das Buch will ein „vielstimmiger Gesang aus einem Land, in dem Lebensfreude, Sorge und Schönheit Hand in Hand gehen“ sein.
Tja, wäre ich nicht schon einmal dort gewesen, so gäbe es nichts, was mich nach Kolumbien zöge. Jedenfalls nicht nach der Lektüre dieses Büchleins. So vielstimmig der Gesang von der Zahl der Autoren her auch ist, inhaltlich trifft das eher nicht zu: Guerilla, Gewalt, Drogen, Armut, Aberglauben – viel mehr ist in dem Land wohl nicht zu finden. Die Mischung macht‘s, auch hier.
Zudem handelt es sich bei einem Teil der Texte um Auszüge aus längeren Werken. Nicht selten wirken sie irgendwie unvollständig, dem Leser fehlen einfach wichtige Informationen. Insbesondere ist das m.E. bei Mik Berger, Alvaro Mutis oder Tomás González der Fall. Ingolf Bruckner gelingt dieser Effekt sogar in einem abgeschlossenen Text. Die Aracataca-Geschichte von Ramón Chao dagegen ist eher konfus. Aber das kann ebenfalls an dem fehlenden Kontext liegen.
Zu den für mich schlechtesten Beiträgen im Band gehört Ingrid Betancourts „Brief an meine Mutter“. Dieser augenscheinlich mit Blick auf seine Veröffentlichung geschriebene Text ist weder authentischer Bericht noch literarische Verarbeitung einer traumatischen Geiselhaft. Hat sich da wirklich nichts Besseres zu dem Thema gefunden?
Besseres gibt es natürlich in diesem Band, viel Besseres. William S. Burroughs Bericht von seiner Suche nach Drogen zum Beispiel; ebenfalls in Briefform, aber der Mann konnte schreiben. Geschichten jenseits von Gewalt, Armut und Drogen erzählen Fanny Buitrago und Juan Carlos Botero. Gut, Boteros Geschichte von den Abenteurern, die beim Tauchgang unter Haie und damit in Lebensgefahr geraten, kann man auch als Gleichnis für das Leben in dem von Gewalt geprägten Land ansehen. Nehmen wir es aber einfach als ein Geschichte von zwei Wagemutigen, die fern von alltäglicher Gewalt (erstmals!) erkennen müssen, dass sie sterblich sind. Der Sohn des Malers Fernado Botero erzählt das recht rasant, in einem einzigen Satz auf gut 12 Seiten. Die dokumentarischen Berichte von Jeanette Erazo Heufelder und Alfredo Molano stehen für gute authentische Texte, ohne Kitsch und Effekthascherei. Gerade von Molanos oral history hätte ich mir mehr gewünscht als diesen kurzen Bericht von der indígena Julia Ruano.
Das Nachwort von Ingolf Bruckner ist einfach ein Ärgernis. Hier erklärt uns der Herausgeber noch einmal den Inhalt der einzelnen Texte. Er unternimmt nicht wirklich den Versuch, diese einzuordnen, politische, soziale oder auch literarische Hintergründe Kolumbiens zu beleuchten. Der „vielstimmige Gesang“ bleibt so endgültig nur eine Behauptung.
Auf „Patagonien und Feuerland fürs Handgepäck“ verweisen wir an dieser Stelle nur. Der Band ist weitgehend identisch mit „Geschichten vom Ende der Welt. Patagonien und Feuerland in der Weltliteratur“, und den haben wir bereits vorgestellt.
Kolumbien fürs Handgepäck
Hrsg. Ingolf Bruckner.
Unionsverlag Zürich 2011
ISBN: 978-3-293-20548-2
Patagonien und Feuerland fürs Handgepäck
Hrsg.: Gabriele Eschweiler
Unionsverlag Zürich 2011
ISBN: 978-3-293-20547-5