Quetzal Vogel
News Icon
Quetzal

Politik und Kultur in Lateinamerika

Template: single_normal
Printausgaben

Peri Rossi, Cristina: Die letzte Nacht Dostojewskis

Klaus Jetz | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Ana Vasquez aus Chile, Gioconda Belli aus Nicaragua, Diana Raznovich aus Argentinien, Laura Esquivel aus Mexiko und auch die in Uruguay geborene und heute in Spanien lebende Autorin Cristina Peri Rossi gehören einer neuen Generation lateinamerikanischen Schriftstellerinnen an, die über die Grenzen Ihrer Heimat bekannt wurden.. Ihre Romane erscheinen Anfang der 90er Jahren auch in deutscher Übersetzung. Einige dieser Werke waren und sind Bestseller (Bewohnte Frau, Der Freund meines Sohnes, Bittersüße Schokolade) wurde sogar verfilmt. Diese in den 40er Jahren geborenen und meist der Oberschicht angehörenden Autorinnen studierten in Europa und wurden dann in ihren Heimatländern Professorinnen (Vasquez) oder Politikerinnen (Belli). Einige, so auch Cristina Peri Rossi, widmen sich ausschließlich der Literatur. Die politischen Verhältnisse in Lateinamerika, gewaltsame Umstürze und die Bildung von Militärdiktaturen in den 70er Jahren, trieben viele von ihnen ins Exil. Ihre Romane sind nicht ortsgebunden, und ihnen fehlt oftmals eine spezifisch lateinamerikanische Thematik. Vielmehr kreisen die Werke immer wieder um die unvergänglichen Themen Sexualität und Liebe, menschliche Laster und Tugenden, Leben und Tod.

Die 1941 in Montevideo geborene Cristina Peri Rossi emigriert 1972 nach Barcelona. Sie übersetzt französische, portugiesische und italienische Literatur, schreibt mehrere Bücher (Fantasias eróticas, La nave de los locos), zuletzt 1992 den Roman La ültima noche de Dostojewski, der im vergangenen Jahr im Peter Hammer Verlag auf deutsch erschien. Rossi zeichnet in diesem Werk die Entwicklung eines, Mannes nach, der dem Bingospiel verfallen ist. Jörge ist Journalist. Er arbeitet bei einer bekannten sensationalistischen Zeitschrift. Er geht seiner Arbeit eher lustlos nach, und die einzige Abwechslung findet Jörge beim Spiel. Dennoch, Er ist kein Anti-Held: Er spielt nicht um des Geldes willen, sondern ist ein leidenschaftlicher Spieler. In inneren Monologen stellt er Reflexionen über den Spieltrieb, die Göttin Fortuna und Dostojewski an. Wie der Autor des Romans Der Spieler ist Jörge ein Apologet des Glücksspiels. Er verachtet die gelegentlich am Spieltisch auftauchenden biederen Besucher der Bingosäle, allesamt Neureiche, für die der Kasinobesuch nichts anderes ist, als ein Besuch im Kino oder Theater.

Trotz aller Laster erfährt der Held eine positive Entwicklung. Schließlich gelingt es ihm ohne fremde Hilfe, seinen Spieltrieb zu beherrschen. Die regelmäßigen Sitzungen bei seiner Therapeutin hingegen empfindet er als eine weitere Abwechslung von der alltäglichen Routine, denn seine attraktive Analytikerin wird ihm zur engsten Vertrauten und ist dennoch nur ein weiteres potentielles „Opfer“ seiner sexuellen Gelüste. So besteht der Roman über weite Strecken aus den Dialogen des Protagonisten mit seiner Therapeutin Lucia, in der Jörge nicht etwa eine gleichgestellte Gesprächspartnerin sieht. Vielmehr dreht er den Spieß um und analysiert seine Therapeutin. Und dies alles in der Absicht, sie zu erobern. Für Lucia hingegen ist Jörge einer unter vielen Patienten, die zu ihrem Lebensunterhalt beitragen. Immer wieder sieht sie sich gezwungen, Jörge an sein eigentliches Problem, den ruinösen Spieltrieb, zu erinnern, der leider noch unzählige Sitzungen erfordere, worauf Jörge sie als sehr teure Prostituierte bezeichnet. Noch nie habe er so viel für eine Frau bezahlt.

Jörge hat Probleme mit Frauen. Zwar hat er einige (lustlose) Abenteuer, aber seit der Trennung von Claudia, mit der er drei Jahre zusammenlebte, ist sein Verhältnis zum weiblichen Geschlecht gestört. Ähnlich wie den triebhaften Gang zum Bingosaal, gegen den er verzweifelt ankämpft, benötigt Jörge ständig wechselnde Liebschaften. So thematisiert Rossi auch den Kampf der Geschlechter, oftmals in überzogener Art und Weise. Die Autorin legt dabei feministische Allüren an den Tag und schiebt ihrem Helden Phrasen unter, die aus der feministischen Mottenkiste stammen. Begriffe wie Phallussymbol, phallusartig, Phalluskrieg wirken überstrapaziert.

Zu allem Überdruß beginnt Jörge ein Verhältnis mit der Ehefrau eines korrupten Baulöwen, dessen Schlägern er beinahe zum Opfer fällt. Sein Ehrgeiz flammt noch einmal auf. Er recherchiert und stößt auf unsaubere Geschäfte, die bis ins Bauministerium reichen. Jorges persönlicher Rachefeldzug wird jedoch von seinem Freund und Chefredakteur vereitelt, der sich um Verluste im Anzeigengeschäft sorgt. Kurzerhand kündigt er und gibt das Glücksspiel auf.

Rossi hat einen unterhaltsamen Roman geschrieben, den der spanienkundige Leser unschwer in Barcelona, Rossis Wahlheimat, ansiedelt. Der Autorin gelingt es, dem Leser einen faszinierenden Einblick in die Psyche des Spielers zu geben. Geschickt fesselt Rossi den Leger an ihr Werk, indem sie die Abfolge von Dialogen und inneren Monologen immer wieder durch amüsante Episoden unterbricht, wie etwa das Zusammentreffen des Helden mit der spielsüchtigen Liz Taylor alias Liza Lancaster oder die Korruptionsaffäre im Bauministerium, die so sehr an das Spanien des Felipe Gonzalez erinnert. Man wünscht sich weitere erfrischende Romane dieser Art, in einer ebenso gelungenen Übersetzung.

Christina Peri Rossi:
Die letzte Nacht Dostojewskis
Wuppertal, Peter Hammer Verlag

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert