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Posse, Abel: Die Hunde des Paradieses

Klaus Jetz | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Der Roman „Die Hunde des Paradieses“ des Argentiniers Abel Posse

„Die Hunde des Paradieses“ ist der erste Roman des argentinischen Autors Abel Posse (geb. 1936), der in deutscher Übersetzung vorliegt. 1987 erhielt der Diplomat für diesen Roman den „Premio International Rómulo Gallegos“, den wichtigsten Literaturpreis Lateinamerikas. Erst seit dieser Verleihung kann von einer europäischen Rezeption seiner Werke gesprochen werden. „Los perros del paraíso“ erschien jedoch bereits 1983 und „Daimón“, der erste Roman der von Posse geplanten „Entdeckungstrilogie“, fünf Jahre zuvor. Dieses Missverhältnis überrascht nicht, wenn man bedenkt, dass der Autor in Argentinien selbst kaum rezipiert wurde. Die Hispanistin Ingrid Galster berichtet von lediglich zwei argentinischen Rezensionen zu „Daimón“ und nennt auch einen Grund: Posse habe mit seinem Roman zwar eine Karikatur der Videla-Diktatur geliefert, gleichzeitig aber das Militärregime als Diplomat vertreten. 1978, im Jahr der Fußball-WM und dem Höhepunkt der Repression, habe man ihn auf einer Pressekonferenz in Madrid, auf der sein Roman vorgestellt wurde, nach den Verhältnissen in Argentinien gefragt. Abel Posse habe sich geweigert, eine Stellungnahme abzugeben. Galster sieht hierin die Gründe für Posses Isolation. Sicherlich gibt es noch andere.

„Die Hunde des Paradieses“ ist ein sehr unterhaltsamer Roman, und Posse ist ein großartiger Erzähler, der den Leser mit (pseudo)historischen Anekdoten und einer überschäumenden Phantasie fesselt. Nicht zuletzt dem Übersetzer Ulrich Kunzmann gebührt an dieser Stelle ein besonderes Lob. Spielerisch benutzt Posse historische Quellen wie Urkunden, Chroniken und Monographien vergangener Jahrhunderte, meist aus der hispanischen Welt, und flechtet sie als Zitate mit Fußnote in den Roman ein. Der Adressat: der eingeweihte Leser, dem Posse eine Botschaft vermitteln will. Und genau hierin liegt das Problem für einen nicht eingeweihten, mitteleuropäischen Leser.

Abel Posse ist, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen aus Buenos Aires, ein an Lateinamerika orientierter Autor. Er wendet die Dichotomie Zivilisation vs. Barbarei, die literarische Thematik Lateinamerikas im 19. Jahrhunden schlechthin, auf die Geschichte des Kontinentes an. 1492 hat das zivilisierte Amerika die Barbarei Europas entdeckt. Die schwarzen Soutanen, einfältige, der Knute des Feudalismus überdrüssige, andalusische Bauern, Kriminelle aus den Gefängnissen von Sevilla und Toledo, sexbesessene, nichtsnutzige Adlige schicken sich im Auftrag der machthungrigen Katholischen Könige an, das wiederentdeckte Paradies zu „zivilisieren“. Nachdem man feststellt, dass es sich bei den Bewohnern nicht um „sprechende Engel in Menschengestalt“, sondern um „Tiere mit Seele“ handelt, werden sie von den „Entdeckern“ versklavt und nach Spanien deportiert, wo zur gleichen Zeit der Großinquisitor und Massenmörder Torquemada sein Unwesen treibt.

Welche Rolle spielt der vom Ehrgeiz zerfressene Kolumbus in dieser „Mission“? Sie beschränkt sich auf die jahrelange Überzeugungsarbeit am Hof sowie die Durchhalteparolen während der Überfahrt. Posse entmythologisiert die Person des Kolumbus, der in seiner Kreatürlichkeit dem „General in seinem Labyrinth“ ähnelt. Nach der Ankunft im Paradies erfährt Kolumbus seine Peripetie. Sich selbst und seinen Spaniern verordnet er Nacktheit. Ähnlich wie Lope de Aguirre in „Daimón“ verbringt er sein Leben in einer Hängematte und verkündet die „freie Liebe“. Es kommt zum ersten Staatsstreich auf amerikanischem Boden. Kolumbus wird im Namen des Königs festgenommen und in Ketten nach Europa verschifft.

Auf der anderen Seite stehen die amerikanischen Hochkulturen. Der Inka Túpac Yupanki schickt im Jahre 2-Haus (1468) seinen Botschafter Huamán Collo in die Hauptstadt Tenochtitlán, um mit dem Azteken-Herrscher über „einen Einfall in die kalten Länder des Ostens“ zu verhandeln. Man kennt die weißlichen, bärtigen Gestalten, die sich immer wieder auf die karibischen Inseln verirren. Die Azteken sind ihnen wiederholt begegnet, insbesondere auf ihren Forschungsreisen zu jener Stelle im Atlantik, wo Winde und Strömungen zusammentreffen („15 Tagesreisen östlich von Guanahaní“), wo Abfalle beider Welten schwimmen: „ein paar von jenen knotigen Gedärmen, die Lord Condom erfunden hatte und die von den sommerlichen Liebespaaren in den Themsestrom geworfen wurde, … ein Rosenkranz mit Kreuz und Kugel aus Holz, den ein galizischer Pfarrer an dem der Heiligen Jungfrau der Flussmündungen geweihten Tag verloren hatte.“ Aufgrund eingehender deduktiver Analyse der gefundenen Gegenstände erscheint die Welt der Weißlinge den Azteken als ein wenig verlockendes Ziel. Die Verhandlungen scheitern. Man verzichtet, darauf, eine Flotte zu schaffen, um in die Länder des Ostens einzufallen.

Abel Posse vermischt in „Die Hunde des Paradieses“ Fiktion, Phantasie und (historische) Realität. Aus europäischer Sicht bedeutsame Ereignisse (Granada 1492, Guanahaní 1492) spielen nur am Rande eine Rolle. Es gelingt ihm, dem Leser eine andere Perspektive zu vermitteln. Die europäische Welt wird ebenso unter dem Mikroskop betrachtet wie die amerikanische. Mit seinem pseudohistorischen Roman korrigiert Posse die eurozentristische Sicht der sogenannten „Entdeckung Amerikas“.

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